Unzucht im Schnee – Über Denunziantentum und staatlichen Übereifer

Unzucht im Schnee. Perversion in den Lasterhöhlen nördlich des Polarkreises. Diese Neuausgabe ist beim Antiquar Feucht erhältlich. Sie erinnert an seine Hausdurchsuchung vor 20 Jahren.
Dem Staatsanwalt war die Ironie des Untertitels entgangen. Und dass das Buch ein Blindbuch ist.




»Unzucht im Schnee« lautet der Titel eines skurrilen Bändchens, das durch einen Akt staatsanwaltlicher Überaktivität zu einer Neuauflage kam. Der Untertitel: »Perversion in den Lasterhöhlen nördlich des Polarkreises«.

Doch erzählen wir die Geschichte, die sich vor genau 20 Jahren ereignete, der Reihe nach. Diese Geschichte ist so haarsträubend, dass man kaum glauben kann, sie habe sich in der ach so freiheitlichen Bundesrepublik anno 1991 zugetragen.

Rainer G. Feucht hatte damals ein Antiquariat im schwäbischen Allmendingen nahe Ulm. Doch war er nicht irgendein kleiner Antiquar, wie es so viele gibt. Der 1950 Geborene war bereits zu dieser Zeit einer der bedeutendsten Buchhändler alter Erotica und anderer Randbereiche der Kulturgeschichte wie Hexenwesen, Vampirismus oder Homosexualität. Seine Kunden sind seit vielen Jahren Wissenschaftler, Sammler, Schriftsteller. Seine Kundenkartei hat sicher so manchen prominenten Namen zu bieten, auch wenn der Antiquar dazu natürlich schweigt.

Eine Handvoll Polizisten drang Anfang Januar 1991 in die kleinstädtische Idylle ein und klingelte bei Rainer Feucht: Hausdurchsuchung. Einer der Staatsdiener hatte eine Liste bei sich, auf der zu beschlagnahmende Bücher standen. Die Titel stammten aus einem umfangreichen Katalog, den der Händler neun Jahre zuvor (Sie haben richtig gelesen; in Zahl: 9) verschickt hatte. Einer dieser Titel war das perverse Sex im Schnee-Buch. Im Katalog beschrieben: »P. Ervers (!), Unzucht im Schnee (…) MCHN, Verlagsanstalt Schutz und Schmund (sic), (…) etwas gebräunt, Rücken blättert etwas ab (…) Ein ‚Leerbuch‘ mit weißen Blättern. 28,-.« Insgesamt nahmen die Polizisten zwei Kisten voller Bücher mit. Alle harte Pornographie, wie sie vermuteten. Darunter auch die Erinnerungen der Josefine Mutzenbacher in 10 Exemplaren, einschließlich der raren und gesuchten Erstausgabe. Nur leider hatte das Bundesverfassungsgericht wenige Monate zuvor just dieses Buch in Schutz genommen: Es hob die Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften auf und betonte, das Grundrecht auf Kunstfreiheit überwiege.

Aufgrund der Denunziation eines Kollegen war es zu der Maßnahme gekommen. Gegen den Händler von Pornoheften war ermittelt worden wegen Verbreitung von Pornographie. Durch ‚Kooperation‘ mit der Staatsanwaltschaft kam er mit einer Geldbuße in Höhe von 500 Mark davon. Seine Kooperation war die Denunziation von renommierten Antiquaren im gesamten Bundesgebiet. Peinlich nur, dass nicht ein einziges der bei Feucht beschlagnahmten Bücher auf dem deutschen Index stand. Noch peinlicher, dass in Feuchts uraltem Katalog, den der ermittelnde Staatsanwalt hatte, die »Unzucht im Schnee« schön bürokratisch gelb-gemarkert war. Eine bibliophile Skurrile; – ein Blindbuch mit lediglich weißen Blättern, sollte nun der Überführung eines bedeutenden Antiquars dienen. Dem Ermittler schien auch die Ironie des Untertitels entgangen zu sein. Wo ist »nördlich des Polarkreises«?

Antiquar Feucht scheint wegen eines erheblichen Medienechos vor 20 Jahren und vieler Briefe bekannter Autoren, anerkannter Wissenschaftler und sogar eines Staatsanwaltes, die ihn als honorigen und kenntnisreichen Buchhändler in Schutz nahmen, aus der Sache glimpflich herausgekommen zu sein. Doch lustig ist das Ganze nicht: Die Rechtslage hat sich bis heute nicht geändert. Noch immer übt der Staat mittels eines Indexes, auf dem tausende von Büchern stehen, Zensur aus. Und Rainer Feucht trug erheblichen finanziellen und nervlichen Schaden davon.

Rainer Feucht hält heute Vorträge über diese tiefsitzende Erfahrung. Er betont, das Gleiche könne jedem Antiquar jederzeit passieren.

P. Ervers, Unzucht im Schnee. Perversion in den Lasterhöhlen nördlich des Polarkreises. Erheblich verbesserte Neuausgabe, ehemals Verlagsanstalt Schutz und Schmund, jetzt: Mühlstedt, in diesem Jahr, als Fasnet noch Ostern war. „Zum volkstümlichen Preise von € 12,50“ erhältlich bei

Rainer G. Feucht
BMCF-Antiquariat
Versand-Antiquariat und Buchhandel
89597 Munderkingen
Telephon: (07393) 95 24 31
Der Buchbestand ist gelistet bei www.antiquariat.de, antbo und ZVAB.

Plakate für Luxusreisen um 1900

Charles Hallo, Summer of the French Riviera by the Blue Train
Frankreich, 1928



Nur noch dieses Wochenende bleibt, um die Ausstellung zu besuchen Mit dem Zug durch Europa – Plakate für Luxusreisen um 1900. Das Museum Folkwang in Essen kann aufgrund einer umfangreichen Dauerleihgabe aus dem Jahr 2008 einen repräsentativen Querschnitt dieser kommerziellen Graphik zeigen. Für die, die es nicht mehr nach Essen schaffen, bleibt noch der schöne Katalog zur Schau aus dem Steidl Verlag.

Die Zeit war gut für die Entwicklung von Luxus-Zügen am Ende des 19. Jahrhunderts. Die rasante Industrialisierung hatte in Europa ein umfangreiches Schienennetz entstehen lassen, das nicht nur alle wesentlichen Metropolen miteinander verband. Auch an die Küsten konnte man nun mit der Bahn gelangen. Ihre Blütezeit hatte die Ära der Luxus-Züge zwischen 1905 und 1914. Der Erste Weltkrieg bereitete ihr ein jähes Ende. Danach kamen diese Bahnen für die Superreichen nie wieder auf: Der Erste Weltkrieg hatte keinen Frieden gestiftet; sondern vielmehr zutiefst verfeindete Nationen geschaffen. Und nach dem Zweiten Weltkrieg war Europa bis 1989 geteilt.

Die Luxus-Züge sind untrennbar mit der 1876 in Belgien gegründeten Compagnie Internationale des Wagons-Lits (CIWL) verknüpft. Der belgische Bankierssohn Georges Nagelmakers (1845-1905), dem die CIWL gehörte, unternahm 1868 eine Studienreise durch die Vereinigten Staaten. Seine Absicht war, den dortigen Stand der Bergbautechnik zu studieren. Die Bequemlichkeit der sogenannten Pullmann-Wagen lernte er auf dieser Reise kennen und zu schätzen. Bei diesen Waggons ließen sich die komfortablen Sitze zu Liegeflächen umgestalten, was es erlaubte, auch sehr lange Strecken entspannt zurück zu legen. Nach seiner Rückkehr 1870 verfasste Nagelmakers ein Memorandum zur Einführung von so genannten Bettwagen. Bereits zwei Jahre darauf fanden mit Versuchs-Waggons Probefahrten zwischen Paris und Wien statt. Ab 1873 verkehrten die ersten Schlafwagen planmäßig zwischen Ostende und Köln und zwischen dem belgischen Ort und Berlin. 1880 kamen die ersten Speisewagen hinzu. Der erste planmäßige Luxus-Zug, der Train Express d’Orient (Orient-Express) hatte am 5. Juni 1883 seine Jungfernfahrt. Sie führte von Paris nach Konstantinopel, das seit 1930 Istanbul heißt.


Rafael de Ochoa y Madrazo, Orient-Express
Frankreich, 1891




Die Luxus-Züge bestanden grundsätzlich aus Salon-, Schlaf-, Speise- und Gepäckwagen. Parallel zu den Zügen wurde ein entsprechendes Magazin namens High-Life ins Leben gerufen. Plakate warben für die Luxus-Züge, indem sie gemalte Ansichten des jeweiligen Zielortes darstellten. Die häufig weit auseinander liegenden Abfahrts- und Zielorte wurden stolz in großen Lettern genannt. Die Plakate der ersten Jahre nennen meist die Abfahrtszeiten. Der Fahrplan wurde in einem Kasten zumeist unten in die Gesamtdarstellung integriert. Bei späteren Plakaten findet man den Fahrplan häufig nicht mehr. Die Züge haben sich nun längst einen Namen gemacht, und man traut es dem Reisewilligen wohl zu, sich nach den Abfahrtszeiten zu erkundigen.


Hans Eggiman, Pro Sempione (Simplon-Express),
Schweiz, 1913




Ausstellung und Katalog gliedern sich in die drei Blöcke »Luxuszüge um 1900«, »Luxuszüge um 1925« und »Reiseziele und Hotels«. Das Katalogbuch präsentiert die Ausstellungsstücke großzügig, zumeist ganzseitig auf Kunstdruckpapier. Die für Steidl übliche hervorragende Druckqualität und die adäquate Gestaltung lassen das gebundene Buch zu einem kleinen Geheimtipp für Connaisseure des Reisens werden. – In Zeiten des Massentourismus ein Luxus für sich.

Museum Folkwang/ Steidl, Mit dem Zug durch Europa. Plakate für Luxusreisen um 1900. 128 Seiten, gebunden, 28 Euro.

The Thin White Duke – David Bowie wird 64

David Bowie, The Thin White Duke, 1976




Kaum ein Pop- und Rock-Musiker hat einen derart großen Einfluss ausgeübt wie David Bowie. Er schlüpfte in verschiedene Rollen. Inkarnationen, die er jeweils vollständig ausfüllte. Nach Ziggy Stardust erfand Bowie den Thin White Duke. Das passte auch zu seiner damaligen Zeit um 1976, wo die Figur den Titelsong gab für das Album Station to Station. Bowies Einfluss beschränkt sich nicht auf die Musik-Szene. Vielmehr wird heute auch seine Wirkung auf die Mode immer deutlicher.  140 Millionen verkaufte Tonträger sind nur eine Zahl.

Bowie wurde am 8. Januar 1947 geboren. Der Duke war eine stylische Figur, ein androgyner Gentleman, ein im Cabaret-Stil gekleideter Rock-Musiker, der aus seinem massiven Kokain-Konsum keinen Hehl machte. In einem Interview sagte er zu dieser Zeit, er lebe von roter Paprika, Kokain und Milch. Er soll damals nur etwa 58 Kilogramm gewogen haben.

Der Thin White Duke verkörperte  einen romantischen Sänger, zugleich einen nihilistischen, hohlen Menschen. – Vielleicht die Mainstream-Gesellschaft in den europäischen Metropolen zu dieser Zeit. Die Figur wurde gesehen als verrückter Aristokrat. Aber natürlich war sie viel mehr. Bowie gab bewusst den amoralischen, entleerten Aristokratophilen. Der Duke war Nietzsches Übermensch, wie er zugleich den letzten Menschen verkörperte. Ein Dandy par excellence. Unverstanden.

Der Skandal lag nicht in dem Bösen der Figur. Er lag in ihrer Amoralität. Das war wohl die größte Provokation in den westeuropäischen Ländern, in denen die 1968-er doch gerade bei ihrem Marsch durch die Institutionen waren. Der Dandy hält nicht auf Gesinnung. Nur auf freie Verfügungsgewalt.

Hier das Video zu der deutschen Fassung von Heroes, dem Titelsong des gleichnamigen Albums, das in der Phase in West-Berlin nach dem Thin White Duke entstanden ist:
Heroes deutsch.





Freiheit oder Paternalismus

Wo sollte staatlicher Einfluss enden? Das Neue Palais in Potsdam





Freiheit oder Paternalismus könnte die jüngste Doppelnummer des Merkur – Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken überschrieben sein. Denn darum geht es. Und darum geht es im doppelten Sinne: Nicht nur in dieser renommierten Zeitschrift, sondern tatsächlich scheint dies die Debatte zu sein, die dringend ansteht, aber nicht geführt wird. Die bekannten Umwelt-Journalisten Dirk Maxeiner und Michael Miersch stellen in ihrem – dem wohl journalistischsten Beitrag des Heftes – das Staatsdenken dar, in dem wir uns befinden. Ob Fettleibigkeit oder Rauchen, Misshandlungen oder schlechte Ernährung: Wenn der Staat behauptet, dass in einem solchen Feld Handlungsbedarf besteht, dann ist dagegen nichts zu sagen. Alle werden zustimmen oder – im besten Fall schweigen. »Eine sachliche Überprüfung der zahlreichen Präventionsmaßnahmen findet nicht statt. Das Ziel Gesundheitsschutz entwickelt sich zur Blankovollmacht für Eingriffe ins Privatleben,« schreiben die beiden Öko-Journalisten. »Gesunde Ernährung und sportliche Fitness werden von immer mehr Politikern als Staatsaufgabe betrachtet. Und dies, obwohl es zur gesundheitlichen Wirkung der als gut definierten Ernährungsweisen und des Sports kaum gesicherte Erkenntnisse gibt. Gesundheitsbewusstsein ist zum sittlichen Kompass geworden, wie früher der christliche Glauben.«

Paternalismus bezeichnet eine Herrschaftsordnung, die im außerfamiliären Bereich ihre Autorität und Legitimierung auf eine vormundschaftliche Beziehung zwischen Herrscher und Unterworfenen gründet. Das Wort stammt ab vom lateinischen pater (Vater). Paternalistisches Handeln des Staats richtet sich grundsätzlich gegen den (freien) Willen der Betroffenen, gibt aber vor, in deren Interesse zu sein. Was für die Anschnallpflicht im Auto noch nachvollziehbar erscheint, wird immer schwieriger nachvollziehbar: Nicht nur mischt sich der Staat in immer mehr Lebensbereiche ein. Auch wird durch die Zentralisierung auf die EU-Ebene immer weniger nachvollziehbar, was und wozu geregelt wird. Darüber hinaus mangelt es den Verordnungen immer stärker an demokratischer Legitimation.

Die Herausgeber des Merkur, Karl Heinz Bohrer und Kurt Scheel, finden in ihrem Editorial deutliche Worte: »Wie weit die soziale Gehirnwäsche vorangekommen ist, lässt sich an einem Sachverhalt besonders klar erkennen: Einer reichen Gesellschaft wie der unseren, die immer schneller eine immer größere Zahl ihrer Mitglieder alimentiert, wird im selben Moment, in dem ihre Großzügigkeit tatkräftig wird, vorgeworfen, sie produziere laut Statistik immer mehr Arme. Und dieser demagogische Schwachsinn, der sozialtherapeutischen Armutsforschung schafft es regelmäßig auf die erste Seite der seriösen Presse, um dann in Leitartikeln händeringend beklagt zu werden!«

Das knapp 300seitige Paperback gliedert sich in zwei große Blöcke. Im ersten werden die großen Schriften des Freiheitsdenkens vorgestellt respektive rekapituliert: Spinoza, John Locke, David Hume und Adam Smith fehlen ebensowenig wie Immanuel Kant, Edmund Burke oder Tocqueville. Im zweiten Block wird eine Gegenwarts-Analyse versucht: Wie ist es um den bundesdeutschen Liberalismus bestellt; wer repräsentiert ihn? Wie frei sind unsere Universitäten? Wie sind Situation und Einstellung des Mittelstandes (»Ohnmächtige Wut«)?

In dem Beitrag von Reinhard Neck über Karl Popper wäre etwas mehr Perzeptionsgeschichte wünschenswert gewesen. Immerhin berief sich der ehemalige Kanzler Helmuth Schmidt auf den englischen Denker. Zur Zeit seiner Kanzlerschaft führten die meisten Parteien das große Wort eines freiheitlichen Gemeinwesens im (Wahlkampf-)munde, – und die Entwicklung geht seither in die umgekehrte Richtung. Für Überwachung, Zensur und Reglementierung gibt es stets neue Argumente und scheinbare Gründe. Für deren Beseitigung nicht. Das scheint auch schlicht in der Natur der Sache zu liegen. Staat, europäischer Superstaat und Bürokratien weiten sich immer mehr aus.

So wirkt es beinahe wie ein ohnmächtiger Hilfeschrei, wenn Gerhard Schulze in seinem Aufsatz über »Gedankenfreiheit in Zeiten der Krise« schreibt, wir bräuchten »gutes Denken und gute Kommunikation. Es ist kein Beinbruch, wenn Menschen verschiedener Meinung sind, im Gegenteil.« Der emeritierte Soziologie-Professor bricht für die einfachsten demokratischen Grundregeln eine Lanze, was uns zu denken geben sollte: »Denken alle gleich, haben sich alle nichts zu sagen. Neues kann man nur voneinander lernen, wenn jeder seinen eigenen Kopf und sein besonderes Wissen hat (…) Im Paradies der herrschaftsfreien Diskurse tauscht man Argumente aus, redet vernünftig miteinander und sucht gemeinsam nach der besten Lösung.«

Wie schlimm ist es um unser Gemeinwesen bestellt?

Karl Heinz Bohrer/ Kurt Scheel (Hg.:) Die Grenzen der Wirksamkeit des Staates. Über Freiheit und Paternalismus. Sonderheft Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, Klett-Cotta Verlag 2010, 289 Seiten, Euro 21,90.

http://www.online-merkur.de/

Stilvoll Trinken – stilvoll Katern

Kingsley Amis‘ Kultbuch über Trinkkultur: Anständig Trinken



Der britische Autor Kingsley Amis gibt in seinem Kultbuch zur Trinkkultur Tipps nicht nur zum stilvollen Besäufnis. Auch Hinweise zum stilvollen Auskatern enthält sein legendäres Handbuch.

Amis unterscheidet zwischen dem physischen und dem metaphysischen Kater. Der physische Kater:


„Stellen Sie bereits beim Aufwachen laut und deutlich fest, wie glücklich Sie sich schätzen dürfen, dass es Ihnen derart dreckig geht. Durch diese Taktik – auch bekannt als Paradox des George Gale – erkennen Sie die Tatsache an, dass Sie, sollte es Ihnen nach einer solchen Nacht nämlich nicht dreckig gehen, ja noch betrunken sind und nun sehenden Auges erst allmählich nüchtern werden müssen – es läge also noch vor Ihnen, was Sie so bereits überstanden haben.“

Der metaphysische:

„Sobald das mystische Gemisch aus Niedergeschlagenheit, Traurigkeit (diese sollten nicht verwechselt werden), Schreckhaftigkeit, Selbsthass, Gefühl des Versagens und Zukunftsangst von Ihnen Besitz ergreift, sagen Sie sich, dass Sie einen Kater haben. Sie kränkeln nicht, Sie haben keinen Hirnschaden, Sie machen gute Arbeit, Ihre Familie und Ihre Freunde haben sich nicht in stiller Verachtung zu einer Verschwörung gegen Sie zusammengetan, Ihnen ist nicht plötzlich aufgegangen, wie das Leben wirklich läuft, und was geschehen ist, ach jemineh, das ist geschehen. Wenn Sie damit Erfolg haben, wenn Sie sich selbst überzeugen können, ist es geschafft, wie es auch nochmals zusammengefasst wird im ausgesprochen philosophischen unumstößlichen Grundsatz: Wer glaubt, er hat einen Kater, hat keinen Kater.“


Kingsley Amis rät nach einer durchzechten Nacht, nichts zu essen, um den Magen zu entlasten. „Kaffee ist erlaubt, allerdings sollten Sie sich nichts davon erhoffen, außer dass Sie sich noch wacher fühlen.“ Man solle das Zusammentrffen mit Freunden vermeiden. Als Geheimtipp gegen einen Kater empfiehlt Amis, sich einen Underberg  „in einem Zug reinp(zu)feifen“. Die Wirkung auf die Eingeweide ähnele der eines Golfballs, der in eine leere Badewanne gefeuert wird.  Wem das noch nicht hilft, der kann einen anderen Tipp von Amis anwenden: Eine halbe Stunde in einem offenen Propellerflugzeug fliegen.

Zur heutigen Lektüre empfohlen:
Kingsley Amis, Anständig Trinken.  Aus dem Englischen von Joachim Bessing. Verlag Rogner & Bernhard, Berlin 2010, 139 Seiten, 14,90 Euro.

Paul Bowles – 100. Geburtstag

Screenshot mit Paul Bowles aus dem Film Der Himmel über der Wüste von Bernardo Bertolucci




Heute ist der 100. Geburtstag von Paul Bowles. Der US-amerikanische Schriftsteller wurde am 30. Dezember 1910 in Queens, New York geboren und starb am 18. November 1999 in Tanger. Bowles arbeitete auch als Komponist und Übersetzer.

Paul Bowles war ein Einzelkind konservativer Eltern. Er studierte an der University of Virginia Musik. Im Jahr 1931 reiste Bowles zum ersten Mal nach Tanger. Er war von der Stadt, ihrer Atmosphäre und den Menschen fasziniert. Wieder zurück in den Vereinigten Staaten, verdiente er sein Geld als Komponist für Kammer- und Theatermusik. Außerdem schrieb er Theaterkritiken. 1937 lernte er Jane Auer kennen, damals  20-jährige angehende Schriftstellerin. Im Jahr darauf heirateten beide, obwohl sie beide homosexuell orientiert waren. Die Ehe war eine Freundschaft mit gegenseitiger Unterstützung in künstlerischen Dingen und sexueller Freiheit.


Amerikanisches Buch-Cover von Paul Bowles Stories



Paul Bowles on Music




1947 ging Bowles nach Tanger, um dort seinen ersten Roman zu schreiben. Auf dem Weg dorthin entstand die Kurzgeschichte Pages from Cold Point. Sie sollte die anschließende Beat-Bewegung der 1950-er- und 1960-er-Jahre solchermaßen inspirierten, dass sie Bowles zu einem ihrer Vorbilder erhob. Autoren der jungen US-amerikanischen Generation wie Truman Capote, Tennessee Williams, William S. Burroughs und Jack Kerouac folgten ihrem Idol und schufen – jedenfalls für kurze Zeit – eine Art avantgardistischer US-Schriftsteller-Kolonie.

Bowles erster Roman The Sheltering Sky (Himmel über der Wüste) erschien 1949 und wurde ein großer Erfolg. Es ist der Roman, den man in Deutschland von Bowles kennt. Und auch das erst sehr verspätet durch die Verfilmung von Bernardo Bertolucci aus dem Jahre 1990. Paul Bowles wurde mit dem Film ein Denkmal gesetzt, spielt er doch als Kommentator der Geschichte mit. Die Romane von Bowles spielen an den Rändern der Welt, entfernt von der modernen Gesellschaft, in Nordafrika oder Südamerika. Sie widersprechen den Scheinsicherheiten und Scheinheiligkeiten der westlichen Welt.


Volkswagen Style – Präsentiert von Karl Lagerfeld

Stil-Ikone, Dandy und arbiter elegantiarum Karl Lagerfeld präsentiert die neue VW-Sonderserie Style. Dieser Werbefilm wird ab dem nächsten Jahr im Fernsehen laufen.

© Volkswagen AG 2010. All rights reserved.

Weihnachtsgeschenke

Kurz vor Heilig Abend hier noch ein paar Tipps für Weihnachtsgeschenke. Die folgenden Bücher haben wir rezensiert – und für gut befunden. Sie eignen sich für jeden Kulturmenschen als Geschenk.


Gesamtkunstwerk Expressionismus

Gesamtkunstwerk Expressionismus. Kunst, Film, Literatur, Theater, Tanz und Architektur 1905 bis 1925.
Herausgegeben von Ralf Beil und Claudia Dillmann, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2010. 512 Seiten,
467 Abbildungen, 58 Euro.




Picasso Künstlerbücher

Picasso Künstlerbücher
Werke aus der Sammlung Udo und Anette Brandhorst.
Herausgegeben von Nina Schleif und Armin Zweite, Hirmer Verlag, München 2010, 300 Seiten mit 240 teils großformatigen Farbabbildungen, Kunstdruckpapier, gebunden mit
Binde, 45 Euro.






La Bohème

Bodo von Dewitz (Hg.), La Bohème. Die Inszenierung des Künstlers in Fotografien des 19. und 20. Jahrhunderts. Katalog zur Ausstellung im Museum Ludwig Köln. Steidl Verlag, Göttingen 2010. 399 Seiten, gebunden in Leinen, 58 Euro.





Andy Warhol – The Early Sixties

Katalog zur Ausstellung im Kunstmuseum Basel (noch bis zum 23. Januar 2011).:
Hatje Cantz Verlag 2010, 240 Seiten mit 170 Abbildungen, gebunden mit Schutzumschlag, 39,80 Euro.



Tilo Uischners Dandys

Tilo Uischner, Dandy
© Tilo Uischner, courtesy Two Window Project



Die Berliner Galerie Two Window Project zeigt noch bis zum 22. Januar 2011 die Ausstellung ‚About Face‘, in der auch Bilder von Tilo Uischner zu sehen sind. Alle Arbeiten sind Acryl auf Holz und 60 mal 60 Zentimeter groß.



Tilo Uischner, Attitude
© Tilo Uischner, courtesy Two Window Project



Tilo Uischner begann schon früh zu zeichnen. Den größten Teil seiner Fähigkeiten gewann er autodidaktisch. Uischner studierte an der Kunstschule Weißensee und der Hochschule in Dresden. Wenige Monate vor dem Mauerfall zog er nach Berlin. An der Berliner Humboldt-Universität machte er sein Diplom als Wirtschaftswissenschaftler.

Während seiner Tätigkeit als Bühnenbildner wechselte er zum Material Öl auf Holz. Er schuf nun Aquarelle in  Acrylfarben. Uischner kombinierte seine Erfahrungen mit denen über Intarsien und Furniere, die er durch die Arbeit an Möbeln gewonnen hatte. So gelang ihm etwas völlig Neues. Uischer sagt: „Holz und Farbe unterstützen für mich perfekt meine Absicht, solche Porträts zu erstellen.“


Tilo Uischner, Pose
© Tilo Uischner, courtesy Two Window Project



Tilo Uischner, Facade
© Tilo Uischner, courtesy Two Window Project




Two WIndow Project

Gregory Teodori
Torstrasse 154 d-10115
+49 (0) 30 28 50 30 72

twowindowproject@yahoo.de

Blake Edwards in memoriam

Das Original-Filmplakat von Trail of the Pink Panther
(Der rosarote Panther wird gejagt) von 1982



Der Filmregisseur Blake Edwards ist am 15. Dezember 2010 in Santa Monica, Kalifornien gestorben. Edwards wurde am 26. Juli 1922 in Tulsa, Oklahoma geboren. Edwards war auch Produzent, Schauspieler und Drehbuchautor. Bekannt geworden ist er vor allem durch seine Pink Panther-Reihe, in der der ungeschickte Inspektor Clouseau durch unglaubliche Zufälle doch meist zum Ziel seiner Ermittlungen kam. Die Filme gelten als Höhepunkte der Krimikomödien in den 1970er Jahren. Edwards erhielt 2004 den Oscar für sein Lebenswerk.




The Pink Panther strikes again, deutscher Titel:
Inspektor Clouseau, ‚bester‘ Mann bei Interpol


Der Trailer zu The Pink Panther strikes again.