Vintage Watson

Albert Watson, Andy Warhol, New York City 1983
© All pictures: Albert Watson/ courtesy Hamiltons



Heute eröffnet bei Hamiltons Gallery in London die Ausstellung Vintage Watson, die einen Querschnitt bedeutender Arbeiten von Albert Watson zeigt.

Hier der Originaltext der Gallery:

Scottish-born photographer Albert Watson’s forty year career has been one of unparalleled productivity. He is renowned for his iconic portraits, innovative fashion work and distinctive land and cityscapes. In this exhibition, only his second UK gallery show, Hamiltons presents an exclusive selection of vintage gelatin silver prints and polaroid prints, including some of his most famous images. Unearthed from his extensive personal archive, these prints are a testament to the pursuit of perfection embodied in Watson’s technique; he printed all the gelatin silver prints himself. Watson’s polaroids provide evidence of his meticulous working methods – directly highlighting the creative process linking his thoughts and vision to the final images.

Hamiltons is the exclusive representative for Watson’s vintage photographs. From unique polaroids to the only vintage prints ever sold by Watson’s studio, the subject matter ranges from fashion, beauty, portraiture and nudes to the renowned Kate Moss series, Marrakech, 1993. There are thirty plus prints in the exhibition and prices start at $6,000 USD.

The timing of this exhibition coincides with the launch of Watson’s two books, Strip Search: a spectacular personal portrait of Las Vegas and UFO: Unified Fashion Objectives, an epic forty year retrospective of Watson’s work. Both will be available for sale at the gallery.

Watson, born in 1942, studied graphic design at The Duncan of Jordanstone College of Art and Design, Dundee; and film and television at The Royal College of Art, London. He moved to the USA in 1970 and has exhibited internationally in solo shows at The Museum of Modern Art, Milan; Kunst Haus Wien, Vienna; City Art Centre, Edinburgh and FotoMuseum, Antwerp and group shows at The National Portrait Gallery, London; Pushkin Museum of Fine Arts, Moscow and The International Centre of Photography, New York, amongst others. His photographs are included in the permanent collections at The National Portrait Gallery and The Metropolitan Museum of Art, New York. On 9 September 2010 Watson was presented with The Royal Photographic Society’s Centenary Medal, he joins a distinguished list of globally respected photographers who have received this prestigious award including Don McCullin, David Bailey and Annie Leibovitz.


Albert Watson, Mick Jagger, Los Angeles 1992



Albert Watson, Kate Moss, Marakech, 1992




Hamiltons Gallery 13 Carlos Place, London W1K 2EU
Tel: +44 (0)20 74999493
Fax: +44 (0)20 76299919
art@hamiltonsgallery.com
www.hamiltonsgallery.com
Tues – Fri 10am – 6pm and Sat 11am – 4pm

Die Atmosphäre eines Photos

Ken Park. Das Kino-Plakat von Larry Clarks Film von 2003


Ilka Becker, Fotografische Atmosphären. Rhetoriken des Unbestimmten in der zeitgenössischen Kunst. Wilhelm Fink Verlag, München 2010, 215 Seiten, 29,90 Euro.



Als ‚Globalisierung‘ oder ‚Wirtschaftskrise‘ wird die derzeitige Veränderung der Welt von einfältigeren Gemütern wahrgenommen. Jedoch geht die Revolution viel tiefer. So ist in der Kunst eine Verwischung der Grenzen zwischen einer klassischen Kunst, Pop-Art und Werbung festzustellen. Das 21. Jahrhundert knallt in die Hirne mit der Auflösung medialer Unterscheidbarkeiten. Man betrachtet heute nicht mehr ein einzelnes Bild eines Künstlers – sondern sein Werk.

Es ist also an der Zeit, sich mit Fotografischen Atmosphären zu beschäftigen, wie es Ilka Becker in ihrer verdienstvollen Studie tut. Ihr Untertitel: »Rhetoriken des Unbestimmten in der zeitgenössischen Kunst«.

Doch was ist das überhaupt, die Atmosphäre? Ins Spiel zu bringen sind Begriffe wie Aura, Ambient, Stimmung, Glamour und Milieu. Zwanghaft denkt der Kulturmensch an Werke von Benjamin, Derrida, Michel Foucault und auch Peter Sloterdijk, die bereits solide Theorie-Arbeit geleistet haben. Ilka Becker bezeichnet die Fotografischen Atmosphären als »singuläre Effekte (…), die sich aus Lesarten und Bildkonventionen des Fotografischen speisen, ohne jedoch in diesen aufzugehen«. Die Autorin ist sich zugleich der Problematik bewusst, dass jedwede physikalische Versuchsanordnung ihren Versuch beeinflusst. So ist auch jedes Sprechen und Schreiben über die Fotografische Atmosphäre an der Konstruktion und/ oder Wahrnehmung ihrer Effekte beteiligt.

Um sich diesen Atmosphären im Einzelfall anzunähern, wählt die Autorin einige künstlerische Arbeiten, die nach ihrer Auffassung durch ihre individuelle Verknüpfung von Bekanntem und Unbekanntem atmosphärische Qualität beziehen. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht dabei nicht die Frage, was eine Atmosphäre ist, sondern die künstlerischen und diskursiven Verfahren ihrer Erzeugung.

Exemplarisch untersucht Ilka Becker die beiden frühen Photobücher von Larry Clark, Tulsa und Teenage Lust. Sie sind mittlerweile zu Klassikern der modernen realistischen Photographie geworden und haben hohe Sammlerpreise. Nach Auffassung der Wissenschaftlerin ist der bahnbrechende Erfolg der Bücher nicht darauf zurückzuführen, dass sie Tabubrüche enthielten: Minderjährige Prostituierte, Drogenkonsum. Wegweisend sei dagegen die Ästhetik gewesen: »Er [Clark] schuf in den 1960er Jahren eine Bildsprache für die Speedjunkie-Subkultur seiner Heimatstadt Tulsa, als deren Protagonist und Beobachter er seine fotografische Praxis entwickelte. Clark hat somit einer Schicht mittelständischer Konsumenten von Mode, Werbeimages und Kunst langfristig die Codes eines mythisch aufgeladenen Underground zur Verfügung gestellt, zu dem sie selbst in den meisten Fällen keinen Zugang haben.« Anders ausgedrückt: Die gelangweilten Mittelschicht-Kids der amerikanischen Vorstädte konnten sich mit Wissen brüsten, das sie nicht selbst erworben hatten. Sie fingen an, etwas nachzuahmen, das sie chick fanden. Dessen Aura sie angemacht hat. Die spezifische Atmosphäre der Bücher schafft Clark durch die strategische Hinzufügung von Texten oder vielleicht besser Textelementen. Dies sind abphotographierte Zeitungsartikel, die wiederum zum Teil in die Polaroid-Aufnahmen integriert sind und so einen atmosphärischen Grund schaffen, vielleicht sogar einen Zeitgeist integrieren oder einen gewissen intellektuellen Anspruch intendieren. Einen der photographierten Clique Jugendlicher – und einen des Photographen. Auf einer anderen Ebene verändern die Texte das Verhältnis zwischen Subjekt und Beobachter/ Dokumentaristen.

Szenenbild aus Ken Park



Noch einmal gesteigert wird dieses Verhältnis in den späteren Filmen von Larry Clark wie Ken Park von 2003. Hier sind die Protagonisten tatsächlich ein wenig älter. Sie bleiben aber Jugendliche, – und indem der Filmemacher sich als Teil von ihnen suggeriert, gibt er dem nun gereiften Zuschauer die Möglichkeit, nach wie vor in einer jugendlich-subkulturellen Protesthaltung den Film zu sehen.

Vielleicht wären Larry Clarks Bilder ohne den traumatic realism und capitalist nihilism (Hal Foster) der Death in America-Bilder eines Andy Warhol nicht möglich gewesen.

Was nun die Fotografische Atmosphäre tatsächlich ausmacht, ist mit einem Satz kaum zu sagen. Ilka Becker konzediert in ihrer Doktorarbeit: »Insofern Atmosphäre Aussagen zulässt über ein spezifisches Verhältnis des Subjekts zur ihn umgebenden Welt, könnte sie als ein Modus des Fotografischen verstanden werden, der das Subjekt mit Objekten und Räumen in Beziehung setzt und diese Beziehung medial sichtbar macht.«

Ilka Beckers kluge Studie macht Lust, sich mit der Konditionierung unserer Sehgewohnheiten auseinander zu setzen.

Excurs über Droguen – Originalbriefe Ernst Jüngers

Briefe und Postkarten Ernst Jüngers an Albert Hofmann werden in Wien angeboten
© Antiquariat Inlibris, Gilhofer Nfg



Das Wiener Antiquariat Inlibris, Gilhofer Nfg. GmbH, A-1010 Wien, ÖSTERREICH bietet ein außergewöhnliches Konvolut von Briefen und Postkarten Ernst Jüngers an den Entdecker von LSD, den späteren Freund, Albert Hofmann, an.

Aus der Originalbeschreibung des Antiquariats:

Meersburg a. B., Kirchhorst über Hannover und Ravensburg, 1948 und 1949.

Zusammen 20½ SS. auf 14 Bll. Verschiedene Formate. Mit 2 Kuverts. Beiliegend 14 Gegenbriefe (meist ms. Durchschläge, tls. mit U. bzw. Initialen) mit zusammen 16½ SS. auf 19 Bll. Bottmingen bei Basel, 1947-1949. Verschiedene Formate.

An den Chemiker Albert Hofmann (1906-2008): „[…] Was mich betrifft, so habe ich die praktischen Studien seit langem hinter mir. Es sind dies Experimente, bei denen man früher oder später in recht gefährliche Kammern tritt und sich freuen darf, wenn man mit einem blauen Auge davongekommen ist […]“ (a. d. Br. v. 3. III. 1948). – Der Brief v. 22. VI. 1948 mit Dank für ihm zugesandte Knickerbocker „und Ihre reiche Kaffee-Spende, die uns in mehr als einer Beziehung dienlich war. Kaffee ist hierzulande fast die einzige Währung, für die auch Butter einzutauschen ist. Vor allem aber diente mir die Sendung für die Fortführung an Heliopolis, das nun den letzten Kapiteln sich nähert […] Ich werde froh sein, wenn die Wanderung durch diese Gefilde hinter mir liegt. Das Buch wird unter anderem auch ein Kapitel über Droguen [!] enthalten, das Ihnen vielleicht zusagen wird. Ich führe da einen Stoff vor, der kollektive Anschauungen erzeugt, und der im Reiche der Exzitantien ähnlich wirkt wie in den Künsten die Musik. Übrigens fühle ich während der Arbeit an gewissen Kapiteln ein starkes Gelüste in die alten Bereiche zurückzukehren […]“. – „[…] Es freut mich, daß Sie den Steg von Masirah gut erhalten haben […] Diese Novelle wurde durch die Nachricht vom Tode meines Sohnes unterbrochen, der auch an dem Plane teilgenommen hatte. Ich mochte sie nicht fortsetzen, doch habe ich das Thema in Heliopolis ausgeführt – in Form einer taktischen Besprechung der dortigen Kriegsschule. In dem Excurs über Droguen habe ich mir auch den Spaß erlaubt, Ihre Arbeit über das Mutterkorn unter den Schriften der alten Chemiker anzuführen, vorausgesetzt, daß Ihnen das nicht unangenehm ist […]“ (Br. v. 23. IX. 1948).

Antiquariat Inlibris, Gilhofer Nfg. GmbH


Ernst Jünger – Ausstellung in Marbach und Briefband

Der Sonnenschirm, mir dem Ernst Jünger auf Käferfang ging
© Deutsches Literaturarchiv Marbach



Ernst Jünger hatte zur Korrespondenz das gegenteilige Verhältnis wie Marcel Proust (vgl. http://www.dandy-club.com/?p=1497) . Sah der französische Autor im Schreiben von Briefen vor allem eine notwendige Pflicht, so betrachtete der deutsche Diarist des 20. Jahrhunderts Briefe, Postkarten und Telegramme früh als Teil seines literarischen Werks.


Als Jünger wenige Jahre vor seinem Tod 1997 seinen Nachlass nach Marbach verkaufte, verkaufte er damit auch 270 Archivkästen. Sie enthalten die von ihm archivierte Korrespondenz. Was lag also näher, als die Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs Marbach Ernst Jünger – Arbeiter am Abgrund (noch bis zum 27. März 2011) mit einem kleinen Band zu begleiten, der Korrespondenz an Ernst Jünger enthält. Das Buch dokumentiert insgesamt 52 Briefe von Schriftstellern, Wissenschaftlern und Intellektuellen. Enthalten sind auch Briefe, die bereits in publizierten Briefwechseln abgedruckt sind. Detlev Schöttker schätzt in seinem Nachwort, dass jeder der Archivkästen durchschnittlich etwa 100 Briefe, Postkarten oder (seltener) Telegramme enthält. Legt man diese Größenordnung zugrunde, so wäre das Literaturarchiv in Marbach nun im Besitz von etwa 30.000 Autographen und Dokumenten.


War die Veröffentlichung von Korrespondenzen zu Lebzeiten Jüngers die Ausnahme, so erschien posthum eine ganze Reihe solcher – zum Teil umfangreicher Dokumentationen. 1975 setzte Jünger einem von ihm sehr geschätzten Künstler ein Denkmal und stimmte der Veröffentlichung der Korrespondenz zu: Es war der Maler Alfred Kubin, von dessen dämonisch-dunklen Zeichnungen Jünger ein Leben lang fasziniert blieb. Über die Bilder Kubins als Gesprächsthema hinaus entspannte sich dann eine jahrzehntelange Freundschaft. Jünger bewunderte auch Kubins Roman Die andere Seite. Dieser kleine und heute sehr gesuchte Briefwechsel ist auch ein Indiz für die Stellung, die Jünger der Korrespondenz innerhalb des Werkes zumaß.


Folgende Briefwechsel sind posthum bisher erschienen:
1997 Rudolf Schlichter
1999 Carl Schmitt
2003 Gerhard Nebel
2005 Friedrich Hielscher
2006 Gottfried Benn
2007 Stefan Andres
2008 Martin Heidegger, alle Klett-Cotta.
2008 Margret Boveri, Landt Verlag.
2009 Gershom Scholem, Sinn und Form.
2010 Albert Renger-Patzsch, Wilhelm Fink.


Mit Spannung erwartet wird der Briefwechsel mit seinem Bruder Friedrich-Georg, der bereits von Klett-Cotta angekündigt ist, denn zu ihm hatte der Autor der Stahlgewitter wohl die engste Bindung überhaupt.


Der Band Im Haus der Briefe – Autoren schreiben Ernst Jünger 1945-1991 enthält für die Kenner von Jüngers Werk keine Überraschungen. Er vermittelt dagegen einen guten und sozusagen repräsentativen Einblick in das Geschehen um den Autoren, den seine gesamte, acht Jahrzehnte währende Schaffenszeit die Vokabel des Umstrittenseins begleitete. So mag manch Interessierter staunen, wer nicht alles etwas von dem schon früh berühmten Autoren wollte. Von Helmuth Heißenbüttel ist die erste Kontaktaufnahme dokumentiert, der als junger Mann 1946 in Jüngers Büchern »eine fast unbegreifliche Bestätigung« fand, »eine Beruhigung, einen geheimen Sinn, einen Trost oder wie man es nennen will«. 1968 distanzierte sich der nun gereifte Heißenbüttel davon und schrieb in der Streitzeitschrift ein über die folgenden Jahrzehnte viel zitiertes Traktat gegen den einst Bewunderten.


Enthalten sind unter anderen Briefe von Ernst Niekisch, Erich Kuby, Friedrich Sieburg, Max Bense. Der 24jährige Sigfried Unseld, der später einflussreicher Suhrkamp-Verleger werden sollte, bedankt sich bei Jünger dafür, »dass Sie meinen Besuch, der ja einem Überfall gleichkam, so freundlich aufgenommen haben«. Weitere Briefe von Paul Celan, Heimito von Doderer, Golo Mann, Werner Heisenberg, Karl Jaspers, Dolf Sternberger und Hans Meyer und anderen.


Im Haus der Briefe. Autoren schreiben Ernst Jünger 1945-1991. Herausgegeben von Detlev Schöttker. Wallstein Verag, Göttingen 2010, 151 Seiten, 16,90 Euro.


Zum Museum des Deutschen Literaturarchivs Marbach:
http://www.dla-marbach.de/dla/museum/wechselausstellungen/ausstellungen_2010/index.html

Sanssouci

Der bibliophile Schwarz-Weiß-Bildband macht Lust auf einen Besuch in Sanssouci



Schon mal ein Tipp für Weihnachten: Der bibliophile Schwarz-Weiß-Bildband in Duplexton ist das Resultat der langen Liebe eines Kunsthistorikers und eines Photographen zu Schloss und Park in Potsdam:
Helfried Strauß, Heinz Schönemann, Sanssouci – Skulptur im Park. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2010, 168 Seiten mit zahlreichen großformatigen Duplexton-Photographien, 36 Euro.


Die berühmte Gartenansicht von Schloss Sanssouci mit ihren Weinhängen gehört heute zu den häufigsten Emblemen von Potsdam und  der Umgebung Berlins. Unzählige Touristen lassen sich davor täglich photographieren. Früher waren es Postkarten, die man mit diesem Bild verschickte; heute werden mit dem Mobiltelephon unendlich digitale Abbildungen geschossen.

Diese inzwischen fast unwirtlich häufig reproduzierte Gartenansicht wurde aufgrund einer Anordnung Friedrichs des Großen von 1744 angelegt: Am Südhang des Bornstedter Höhenzugs sollte ein terrassierter Weinberg entstehen. Zuvor standen auf dem Hügel Eichen. Die wurden zu Zeiten seines Vaters, des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I., gefällt. Man benötigte sie beim Ausbau der Stadt Potsdam für die Befestigung des sumpfigen Bodens.

In dem schönen Schwarz-Weiß-Bildband von Helfried Strauß und Heinz Schönemann ‚Sanssouci – Skulptur im Park‘ erfahren wir, dass die heutige Gestaltung von Schloss und weiträumiger Parkanlage auf viele Veränderungen zurückgeht, die der Alte Fritz nie zu Gesicht bekommen hat. Vor allem der Aus- und Umbau durch Friedrich Wilhelm IV. schuf eine Neugestaltung.

Aus der Bekanntschaft und späteren Freundschaft zwischen dem Kunsthistoriker Heinz Schönemann und dem Photographen Helfried Strauß entstand eine Symbiose – ein gegenseitiges Befruchten, Anreichern und Anregen. Das sichtbare Resultat ihrer Beziehung ist dieser Bildband, der tatsächlich etwas Besonderes ist. Mehrere Dutzend Schwarz-Weiß-Tafeln präsentieren großzügig Details, Skulpturen und Ansichten von Sanssouci, die vom geübten Blick des IN SANSSOUCI SEHENDEN zeugen.

Anspruchsvoll und intelligent beschreibt Heinz Schönemann in seinem einführenden kulturhistorischen Essay die Vorstellungen Friedrich des Großen – und die Veränderungen über die Jahrhunderte. Besonders gefällt an seinem Text das Einfühlungsvermögen des Bewusst-Wahrnehmenden: Der langjährige Mitarbeiter der Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci vermag sich in die Besucher hineinzuversetzen. Sein Freund, der kongeniale Photograph formuliert es prologest so:

»(…) die Parkbesucher der Gegenwart kommen in ihrer Mehrheit in die Gärten, um spazieren zu gehen. Flanierend auf Wegen, deren lenkende Absicht ihnen häufig unbewusst bleibt, bewegen sie sich angeregt durch eine Welt gestalteter Gartenräume zwischen Standbildern, Figuren und Gruppen, auch wenn deren Zusammenhänge ihnen fremd geworden sind. Erfüllt von den Erlebnissen ihres eigenen Alltags richtet sich ihr Verlangen nicht an erster Stelle auf den Erwerb historischer Kenntnisse. Oft sind ihnen jedoch Erinnerungen geblieben von früheren Ausflügen mit Eltern und Lehrern oder kunsthistorischen Exkursionen.«

Friedrich II. hatte bei der Anlage seines Parks auf die Verbindung von Zier- und Nutzgarten allergrößten Wert gelegt. Er war der Auffassung, Kunst und Natur seien eine Einheit; ihre Trennung lediglich von Menschen gemacht. So ist es die Harmonie zwischen Mensch und Natur, die überhaupt das zentrale geistige Motiv Friedrichs für die Gestaltung seines ‚Weinberghäuschens‘ war. Hier wollte er in den Sommermonaten leben. Mit weitem Blick in die Landschaft – sans souci, also ohne Sorgen – die Schönheit des Lebens trotz der gleichzeitigen Regierungsgeschäfte zulassen.

Am 17. August 1786 starb Friedrich der Große im Sessel seines Arbeitszimmers im Schloss Sanssouci. Laut seiner Verfügung wollte er in einer Gruft neben seinen Lieblingshunden beigesetzt werden.

Der 1943 geborene Helfried Strauß hat über zehn Jahre in Sanssouci photographiert. Das bibliophile Resultat lebt aus der Substanz des Angeeigneten. Der in Deutschland  gedruckte Bildband besticht durch die schlafwandlerische Kenntnis des Ensembles: Hier haben zwei Kulturbürger ihre Heimat gefunden und lassen den Buch-Betrachter ganz unprätentiös teilhaben.

Marcel Proust und die Korrespondenz

Marcel Proust (10. Juli 1871 – 18. November 1922)




Marcel Proust (10. Juli 1871 – 18. November 1922), der genialische Autor von Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, ist heute vor 88 Jahren gestorben.


Aus diesem Anlass rezensiert der DANDY-CLUB die neueste Publikation der Marcel Proust Gesellschaft, Köln, die sich um den französischen Dandy große Verdinste erworben hat:

Marcel Proust und die Korrespondenz, herausgegeben von Karin Westerwelle. Insel Verlag Berlin 2010, 237 Seiten, 27 Euro.

»Ich bin äußerst krank, ich bin mit 800 Briefen im Rückstand«, schrieb Marcel Proust im Januar 1920 an Louis-Martin Chauffier. Diese Zahl mag ungeheuer klingen, – aber sie ist glaubwürdig.

Der US-amerikanische Forscher Philip Kolb gab zwischen 1970 und 1993 im Pariser Verlagshaus Plon die 21 Bände umfassende Correspondance générale von Marcel Proust heraus. Diese stattliche Sammlung umfasst etwa 5.000 Briefe von dem Autoren der La recherche du temps perdu (Auf der Suche nach der verlorenen Zeit). Nach Schätzung von Kolb, der inzwischen gestorben ist, enthält die von ihm mühevoll recherchierte Sammlung nur etwa ein Zwanzigstel aller von Proust geschriebenen Briefe. Das bedeutet, Proust hat sage und schreibe 100.000 Briefe geschrieben.

Viele der Briefe haben jedoch nicht überlebt. Die meisten sind wohl von den Erben der Empfänger vernichtet worden oder durch andere Umstände verloren gegangen. Die 14. Publikation der Marcel Proust Gesellschaft widmet sich dem Thema Marcel Proust und die Korrespondenz. Sie enthält die Beiträge des Symposions der Marcel Proust Gesellschaft in Münster im Juni 2007.

Karin Westerwelle erläutert in ihrer Einleitung, dass der Künstler Proust strikt zwischen seinem eigentlichen Werk und der Korrespondenz getrennt wissen wollte. Essays, Erzählungen und vor allem die Romane waren für die Öffentlichkeit bestimmt. Sie sollten die Leser erreichen. Waren geschrieben für sein Ansehen und seinen Nachruhm. Ganz im Gegenteil zu seinen Briefen. Sie sah Proust als lästiges Übel an. Er maß ihnen keinerlei literarische Bedeutung zu. Proust betonte die Flüchtigkeit des Brieflichen durch das Weglassen des Datums, was die Forschung massiv erschwert. Proust beschränkte sich auf Wochentag und Uhrzeit.

Der Veröffentlichung gelingt es zu verdeutlichen, dass Proust seinen Briefen keine Wahrhaftigkeit aufbürdete. Er sah die Korrespondenz als ein gesellschaftliches Spiel an und war der Auffassung, wahrhaftig müssten seine Romane sein. So trennte er strikt zwischen zwei eigenen Personen, – oder besser: Erscheinungen. Die private habe gesellschaftliche Gepflogenheiten einzuhalten und die öffentliche – der Schriftsteller – müsse wahrhaftig sein. Bettina Full bringt in ihrem Beitrag mehrere Beispiele dazu. Proust wendet sich Anfang 1914 brieflich an André Gide, damals beherrschende Figur der NRF (La Nouvelle Revue Française), einer bedeutenden und später maßgeblichen Literaturzeitschrift. Darin war zuvor ein vollständiger Verriss eines Romans von Proust erschienen. Bereits mit seiner Anrede nimmt Proust ein Vexierspiel auf und lässt Aufrichtigkeit und Motivation ineinander verschwimmen:

»Lieber Freund (Sie erlauben mir doch, nicht wahr, Ihnen gegenüber diesen Ausdruck zu verwenden, der für mich wirklich unerlässlich ist, diesen porösen Ausdruck, der für gewöhnlich dahinsiecht, von uns jeder Bedeutung entleert, der sich jedoch auf wundersame Weise aufbläht, wenn ich ihn an Sie richte, angefüllt mit allem, was mein Herz so lebhaft fühlt).«

Proust macht seinem Adressaten eine Schmeichelei, erklärt sie zugleich für gesellschaftlich üblich und damit verkommen, – und entschuldigt sich für sie.

Rainer Warning stellt in seinem Aufsatz die These auf, Proust habe so immens viel Korrespondenz verfasst – die er eigentlich hasste – um gesellschaftlich zu überleben. »Es geht bei diesen Briefen primär nicht um ihre Inhalte, sondern um die mit ihnen verfolgten pragmatischen Zwecke«, schreibt der Münchner Literaturwissenschaftler.

Vincent Kaufmann befasst sich in seinem Beitrag mit der Bedeutung  von Prousts Schmerz in dessen Korrespondenz und meint, das Teilen dessen sei eine essentielle Funktion der Briefe gewesen.

Last but not least sei auf einen besonderen Beitrag hingewiesen, ohne dass die hier nicht erwähnten Vorträge in irgendeiner Weise weniger interessant wären. Jocelyne Kolb, Tochter von Philip Kolb, dem detektivischen Aufspürer der veröffentlichten Briefe, gibt einen Einblick in die Arbeit ihres Vaters, die man sich so nicht unbedingt vorgestellt hätte. So haben die Kolbs sich viele Jahre regelmäßig über Monate in Paris aufgehalten, um über Kontakte und Gespräche an weitere Briefe Prousts zu gelangen. Jocelyne Kolb erzählt, dass nicht der Schreibtisch der Arbeitsort ihres Vaters gewesen ist. Es war der Esstisch, »denn meine Eltern wurden nicht selten an einem Tag bis zu dreimal eingeladen und luden selber Freunde und Bekannte ein«, um so etwas zu erfahren.

Der anspruchsvolle Band macht deutlich, warum Proust ein Dandy war: Das lag nicht an seiner Herkunft, dem Vermögen der Familie oder seinem Umgang mit altem Adel und reicher Bourgeoisie.  Er beherrschte das Gesellschaftsspiel auf der ganzen Klaviatur der Ironie, Schmeichelei und erwarteten Gepflogenheiten, ohne seine spirituelle Wahrhaftigkeit aufzugeben.

Chanel Soho 2010 – by Karl Lagerfeld

Chanel Soho 2010 by Karl Lagerfeld



Who  is the arbiter elegantiarum?




© Chanel/ Karl Lagerfeld 2010

http://soho-2010.chanel.com/


Luisa Casati von Adolphe de Meyer




Dieses Portrait-Photo der Marchesa Luisa Casati von Adolphe de Meyer (1868 – 1946) aus dem Jahr 1912 kommt ab dem 2. Dezember 2010 in London zur Versteigerung. Online-Gebote sind möglich:

http://www.liveauctioneers.com/item/8218206

Mehr zu Luisa Casati:
http://www.dandy-club.com/?p=175


Alain Delon ist 75.

Das Original-Filmplakat für Le samurai mit Alain Delon



Der DANDY-CLUB gratuliert Alain Delon zum 75. Geburtstag. Leider mit etwas Verspätung, da wir in der vergangenen Woche nicht immer online sein konnten. Delon wurde am 7. November 1935 in Sceaux, Ile-de-france, geboren.

Er drehte Dutzende Filme, – nicht alle sind gut. Delon lebte mehrere Jahre in Genf und nahm die Schweizerische Staatsbürgerschaft an. Mittlerweile lebt er zurückgezogen in einem kleinen Dorf im französischen Douchy im Départment Loiret.

Der Film Le samurai von Jean-Pierre Melville von 1967 gehört sicher zu seinen besten Rollen. Hier verkörpert er einen Auftragskiller, der völlig zurückgezogen lebt und außer seinem Vogel kaum Umgang hat. Der Film nach einem Roman von Goan McLeod wurde zu einem riesigen Erfolg und gilt heute als Meisterwerk des neuen französischen Kinos. Die Zeit lobte damals die „Kühle der Parabel“.



Selbst die vorgehaltene Pistole des Kommissars entlockt Jeff Costello keine Regung



Jeff wird gleich einen Citroen DS stehlen, um einen Mord begehen zu können

Steve McQueen privat

Barbara und Steve McQueen 1978
© Ankerherz




Wer Steve McQueen ein Drehbuch schickte, um ihn als Schauspieler zu gewinnen, musste einen Scheck über 50.000 $ beilegen. Den durfte The King of cool in jedem Fall einlösen. – Auch wenn er die Rolle ablehnte.

Steve McQueen (1930-1980) hatte sich in Hollywood über Jahre den Status des bestbezahlten Schauspielers der Welt erarbeitet. Hart erarbeitet. Er kam quasi aus der Gosse: Total kaputtes Elternhaus. Als Steves Vater, Bill McQueen, Ende 20 war, war er bereits fertig. Er verdingte sich als Tagelöhner – und noch nicht einmal das erfolgreich. Bill the looser wohnte mit seiner Freundin Julian Crawford in einem Sozialheim, war auf Morphium und Alkohol. Als Steve am 24. März 1930 geboren wird, beantragen die Eltern Armenhilfe. Ein halbes Jahr später haut der Vater ab. Für immer.

Steves letzte Frau, Barbara McQueen, hat zusammen mit dem Autoren Marshall Terrill in den USA 2007 das Buch ‚The Last Mile‘ herausgebracht. Darin schildert sie, was sie in den vergangenen fast 30 Jahren seit Steves Tod am 7. November 1980 für sich behalten hatte. Nun ist zum ersten Mal in Deutsch das Buch erschienen ‚Mein McQueen – Barbara McQueen über den Mann hinter dem Mythos‘. Es ist ein beeindruckendes, ja ein zutiefst berührendes Buch. Neben Auszügen aus der amerikanischen Veröffentlichung und dem Text von Christian Krug enthält es zahlreiche intime Photos, die Barbara von ihrem Ehemann machte.

Als Barbara ihren späteren Mann kennenlernte, war sie gerade 24. Er 47. Steve war mit vielen Wassern gewaschen. Er kannte nicht nur die Straße, wusste sich durchzubeißen, sondern hatte das auch noch auf den sumpfigen Filmbetrieb von Hollywood übertragen können. Der Mann ließ sich nicht verarschen. Barbara dagegen war zwar gut gebuchtes Top-Model mit gutem Einkommen, – wusste vom Leben aber sonst nicht so wirklich viel.

Steve McQueen sah das bildhübsche Model auf dem Cover einer Zeitschrift – und beschloss sie kennenzulernen. Als Trick erfand er die Lüge, er wolle sie als Häuptlingstochter in seinem neuen Film besetzen.  Barbara McQueen erzählt, wie der bekannte Frauenheld sie beim zweiten Treffen nach wenigen Minuten vor die Männersauna des Hotels führte. Steve drückte dem Pool Boy ein paar Dollar in die Hand, damit der niemanden hinein lässt.

»Ich war schockiert. Dieser Mann schien mir zu allem fähig. Als wir in der Sauna hockten, fing Steve an, mir sehr private Fragen zu stellen, er wollte mehr über mich wissen. Bestimmt habe ich auf ihn erstmal ein wenig naiv gewirkt: Ich war weder Teil der Hollywood-Szene, noch interessierte ich mich für eine Rolex oder einen Porsche. Doch was immer ich damals auch zu ihm sagte – ich muss irgendwie den Test bestanden haben, denn er lud mich zum Abendessen ein«, berichtet Barbara.

Entstanden ist ein Erinnerungsbuch voller Anekdoten und kleiner Geschichten. Sie zeigen das wahre Gesicht dieses Mannes. Er war ein grundehrlicher, selbst verbindlicher Mensch, der auch auf die Verbindlichkeit und Berechenbarkeit seiner Bekannten großen Wert legte. Wurde er betrogen, so saß seine Enttäuschung tief. Der bibliophil gestaltete Band in Leinen, mit Lesebändchen und Fadenheftung, enthält auch die Geschichte von Steve McQueens Lieblingsauto. Als er eines Tages die Landstraße entlangfährt, kommt ihm ein Farmer entgegen mit einem alten, weißen Ford Pick up. Der Schauspieler reißt das Steuer herum. Er kehrt um und überholt den Bauern, dem er ein Angebot macht. Der ist zwar verdutzt, willigt aber ein und händigt McQueen Papiere und Schlüssel aus. (Wohl wird das Angebot so schlecht nicht gewesen sein.) Es soll nicht das einzige Gefährt bleiben, dass der Hollywoodstar auf diese Weise erwirbt.

Anrührend zu lesen ist, wie Steve McQueen stets bemüht war, mit einfachen Leuten zu verkehren. Inkognito. Er war glücklich, wenn er unterwegs sein konnte und nicht erkannt wurde. Der Leser erfährt von seinen Verkleidungstricks: Basecap und Sonnenbrille, und wenn es ein musste, stieg der Mann, der mit einem einzigen Film Millionen verdiente, auch unter falschem Namen im Motel ab. Er hatte kein Interesse an teuren Restaurants, wollte nicht angeben oder mit seinem Besitz protzen. Er sammelte Autos, Motorräder und zum Schluss sogar Flugzeuge. Weil er diese Maschinen liebte. Er konnte sich stundenlang mit ihnen beschäftigen. Seine Art der Meditation.

Das Buch zeugt von der Verletzlichkeit dieses scheinbar so unerschütterlichen Machos. Es zeugt von der unerschütterlichen Liebe seiner Frau Barbara, die bis heute sein Andenken in ihrem Herzen bewahrt. Privat und intim.


Christian Krug (Hg.) mit Marshall Terrill, Mein McQueen. Barbara McQueen über den Mann hinter dem Mythos. Ankerherz Verlag, Appel 2010, 192 Seiten, Euro 29,90.

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