Puschkin in Quarantäne

Das wohl gestaltete Bändchen der Friedenauer Presse






Alexander Puschkin (Puškin), Rosemarie Tietze (Hg.):
Puschkin in Quarantäne
113 Seiten, Broschur mit Schutzumschlag.
Friedenauer Presse 2022, 22 Euro.




Das Jahr 1830 war für Alexander Puschkin ein außergewöhnliches: Seine Angebetete gibt ihm endlich das Jawort, die Cholera zwingt ihn zu langer Isolation auf dem Lande. Und aus all dem entspringt die produktivste Phase des Schriftstellers. Rosemarie Tietze hat ein Büchlein zusammengestellt, das uns Heutigen diese Periode anschaulich macht.



Alexander Puschkin befand sich im Jahr 1830 in einer besonders bewegten Phase seines sowieso nicht gerade langweiligen Lebens. Im Jahr zuvor hatte der Dichter, der nun schon Berühmtheit erlangt hatte, seiner Auserwählten einen Heiratsantrag gemacht. Natalja Nikolajewna Gontscharowa soll eine gefeierte Moskauer Schönheit gewesen sein. Sie war zwar erst 16 Jahre alt. Aber das galt damals nicht unbedingt als unschicklich. Viel schwieriger war für Puschkin von Anfang an das Verhältnis zu seiner (künftigen) Schwiegermutter. Sie hielt den Salonlöwen und Dandy für nicht ganz ehrenwert und ihre Tochter für zu jung. Aber letztlich lockte die Aussicht auf eine bessere finanzielle Stellung für die gesamte Familie. Denn die Puschkins besaßen Land und gehörten immerhin zum Adel.


Das Jahr 1830, in dem Puschkin seiner Verehrten näherkommen wollte, hielt aber für den Werbenden, aufstrebenden Dichter, eine große Schwierigkeit parat. In Russland wütete die Cholera. Rosemarie Tietze gibt dem Leser in dem von ihr zusammengestellten Büchlein der Friedenauer Presse ein Bild von der Summe der immer wieder aufs Neue entstehenden Probleme und Unwägbarkeiten, denen sich der tatendurstige Puschkin ausgesetzt sah.


Meine teure, meine liebe Natalja Nikolajewna – ich liege vor Ihnen auf den Knien, um Ihnen zu danken und Sie um Verzeihung zu bitten für die Unruhe, in die ich Sie versetz habe.
Ihr Brief ist reizend und hat mich vollkommen beruhigt. Mein Aufenthalt hier könnte sich eines ganz unvorhergesehenen Umstands wegen hinziehen: Ich dachte, das Land, das mein Vater mir gegeben hat, sei ein separates Gut, aber es ist Teil eines Dorfes mit 500 Seelen, da muss noch eine Teilung vollzogen werden […].

Brief vom 9. September 1830


Im Spätsommer 1830 reist Puschkin nach Boldino, zu dem Land, das sein Vater ihm übereignet hatte. Die beschwerliche Kutschfahrt dauert drei Tage. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Dichter noch nicht ahnen, dass sich die Cholera der Gegend nähert – und dort letztlich für geschlagene drei Monate festhalten sollte. Es sollte die schriftstellerisch produktivste Zeit Puschkins überhaupt werden.


Rosemarie Tietze verknüpft Briefe Puschkins an seine Verlobte und Freunde in chronologischer Folge mit kurzen erläuternden, biographischen Texten. Sie tragen zum Verständnis der Korrespondenz wesentlich bei. Abgerundet wird das in Wollfs Broschur gestaltete wohlfeile Bändchen durch Puschkins fröhlich-anarchistischen Einakter Das Festmahl zur Zeit der Pest.

© Matthias Pierre Lubinsky 2022