DANDY-CLUB Relaunch

Ab dem 1. November 2010: Der DANDY-CLUB unter einem Dach



Anderthalb Jahre nach Gründung unseres weBLOGbuchS DANDY-CLUB wird am 1. November 2010 das Blog mit der Website fusionieren. Vorteil ist, dass auf einer einzigen Site, unter einer Adresse alles, was bislang auf zwei Adressen verteilt war, zu finden sein wird.
Wir bitten inständig um Nachsicht, dass die Site des DANDY-CLUB nicht in dem Umfang gepflegt werden konnte, den wir gern bertieben hätten. Das wird nun anders sein.
Die Adresse ab 1.11.2010:
http://dandy-club.com
.
Bitte bleiben Sie uns treu!
Herzlich
Matthias Pierre Lubinsky



Lord Savils Verbrechen in Berlin

Der Handleser prophezeit Lord Arthur, er werde in 25 Jahren einen Mord begehen.
Photos: © H.-J. Wuthenow/ Theater im Palais 
 
 
 
Die brillante Aufführung von Oscar Wildes Stück ‚Lord Savils Verbrechen‘ ist wieder im Theater im Palais in Berlins Mitte zu sehen. 
 
Hier noch einmal unsere Besprechung der Premiere:
Oscar Wilde gilt heute als der größte Dandy des 19. Jahrhunderts. Die Ironie seines Lebens war, dass er der scheinheiligen Moral des viktorianischen England brüllend die Levithen las. Dennoch war er sehr erfolgreich. Gerade der upper class hielt er in seinen Theaterstücken brutal den Spiegel vor. Sie war begeistert: Stürmte in die Vorstellungen, applaudierte frenetisch, – ging nach Haus in ihre Stadtpalais und lebte so weiter wie bisher.

Wildes Erzählung Lord Arthur Savile’s Crime. A Study in Duty (Lord Arthurs Verbrechen. Eine Studie über die Pflicht) wurde zuerst 1887 in der Zeitschrift The Court and Society Revicw veröffentlicht. Der irische Schriftsteller macht sich lustig über den Snobismus des englischen Adels des Fin de siècle, der in derselben Nonchalance plaudern konnte über Morde wie über Mode.

Das Theater im Palais Unter den Linden bringt nun die Fassung von Hans Jaray auf die Bühne. Bei der Komödienfassung des 1990 verstorbenen Österreichers stehen der Aberglaube und dessen mögliche Folgen im Fokus: Während eines gesellschaftlichen Anlasses lässt sich Lord Savile die Hand lesen. Der russische Wahrsager prophezeit ihm, er werde in 25 Jahren einen Mord begehen. Er sagt ihm überdies exakt den Tattag voraus. Der Adlige, ein harmloser Gemütsmensch, der eigentlich niemandem etwas antun könnte, weiht seine Frau ein. Beide suchen nun gemeinsam nach einem möglichen Opfer…

Unter der Regie von Herbert Olschok wird das Stück zu einer wunderbaren, leicht-prickelnden Komödie, die in jedem Moment spannend bleibt und von ihrem tiefen und süffisanten Humor getragen wird. Olschok gelingt damit eine schwierige Gleichzeitigkeit, die das Stück wieder an sein spirituelles Timbre zurückführt: Der ironische Dandy selbst hätte im Palais seine schalkhafte Freude.

Es ist die Leichtigkeit eines beschwingen Frühlingsnachmittages, die durch das kleine und liebevolle Theater im Palais weht. Die Vorstellung am Sonntagnachmittag macht diese Stimmung besonders möglich. Herausragend nicht nur Olschoks Regieleistung. Unter der können sich die vier Schauspieler geradezu freispielen. Alle hervorragend, die Figuren lebend. Das eher ältere Publikum war mehrmals zu heftigem Lachen hingerissen. Peter Rauch als Lord Arthur ist dessen Inkarnation. Da stimmt jede Nuance, jeder Blick, gar Augenaufschlag. Carl Martin Spengler schlüpft gleich in vier Rollen. Und er verkörpert jede einzelne derart, dass sich das Publikum jeweils für einen Moment fragt: War es das eben nicht auch?

DANDY-CLUB-Empfehlung!
 
 
Wahre Spielfreude: Peter Rauch, Ursula Rosamaria Gottert und Gabriele Streichhahn

 

 
Die aktuellen Termine:
28.10.2010
29.10.2010
12.11.2010
13.11.2010, jeweils 20.00 Uhr.
Theater im Palais
Am Festungsgraben 1
10117 Berlin

Telephon: (030) 20 10 693.



Sarah Bernhardt

Georges Clairin, Sarah Bernhardt, 1876



Heute ist der Geburtstag von Sarah Bernhardt (22. Oktober 1844 – 26. März 1923), der zu ihrer Zeit bedeutendsten Schauspielerin der Welt.  Ihre Familie ermöglichte ihr bereits mit 14 Jahren eine Schauspiel-Ausbildung an der Comédie-Française, – ein absolutes Privileg.
Nach zahlreichen Irrungen und Wirrungen ihres Lebensweges avancierte sie nach dem Krieg von 1870/ 71 zu einem Star. Aus heutiger Sicht gilt sie als einer der ersten Weltstars übehaupt.  Denn sie wurde in Europa wie in Amerika gleichermaßen verehrt. Sie führte das Leben einer Femme fatale, eines weiblichen Dandys: Sie galt als exzentrisch, launisch und oft unberechenbar. Sie hatte zahlreiche Liebhaber, was zu der damaligen Zeit absolut Tabu war. Zu ihnen gehörte Charles Haas, ein bekannter Dandy seiner Zeit, in dessen Person sich Geist, Esprit und Müßiggang verbanden. Marcel Proust hat Haas mit der Figur Charles Swann in Auf der Suche nach der verlorenen Zeit ein literarisches Denkmal gesetzt. Weitere Liebhaber waren den Schauspieler Mounet-Sully sowie der Maler und Illustrator Gustave Doré. 
Bernardt hatte früh die Mechanismen der Mediengesellschaft verstanden und wusste sich ihrer zu bedienen. Sie schuf sich ein öffentliches Image namens Exzentrik: So stieg sie in einer Montgolfière auf in den Himmel über Paris. Sie ließ Photos verkaufen, auf denen zu sehen ist, wie sie in einem Sarg liegt und ihre Rollen studiert oder schläft. In ihrer Wohnung beherbergte sie heimische und exotische Tiere.

Sarah Bernhardts Name ist mit dem von Oscar Wilde unverbrüchlich verbunden. Nachdem dessen Drama Salomé, dass Wilde 1891 geschrieben hatte und das inspiriert ist von zwei Kapiteln aus Joris-Karl Huysmans Dandy-Bibel À rebours (Gegen den Strich), in England verboten worden war, gab die Bernhardt das Buch 1894 in Frankreich heraus. 1896 spielte sie in Paris die Hauptrolle bei der Uraufführung.

Sarah Bernhardt leitete in ihrer Heimatstadt Paris gleich mehrere Theater, an denen sie auch selbst auftrat, unter anderen das Théatre des Nations, das sie in Théâtre Sarah Bernhardt umbenannte.
1906 bekam sie eine Professur am Pariser Konservatorium, 1914 wurde Sarah Bernhardt Mitglied der französischen Ehrenlegion.

Sarah Bernhardt starb am 26. März 1923 in Paris. Ihre letzte Ruhestätte fand sie auf dem Friedhof Père Lachaise im Osten von Paris. – In Nachbarschaft von Marcel Proust, Oscar Wilde, Eugène Delacriox und vielen anderen großen Franzosen und Künstlern.


Sarah Bernhardt, Portrait von Nadar, um 1860



Norah Lange – Kindheitshefte

Norah Lange (23. Oktober 1905 – 4. August 1972) 



Norah Lange gilt als Muse des Ultraismo. Der Ultraismus war eine Literaturbewegung, die zuerst 1918 von spanischen Avantgardisten gegründet wurde, um dem vorherrschenden Modernismus eine neue Bewegung entgegenzustellen. Zu den Begründern gehörte Jorge Luis Borges, der damals in Madrid lebte. Die Anhänger des Ultraismo waren inspiriert von den italienischen und russischen Futuristen, dem Dadaismus und dem französischen Surrealismus. Das Ziel dieser revolutionären Strömung war ein ästhetischer Umbruch: Die Bürger sollten sie endlich der Realität der Moderne mit all ihren Umwälzungen stellen.
Kaum war Jorge Luis Borges zurück in Argentinien, gehörte Norah Lange zu seinem Kreis. Mit ihm zusammen machte sie vielfältige literarische Aktionen und brachte mit ihm Literaturzeitschriften heraus. Sie war eine Meisterin der Verkleidung und des Feierns. Als Erwachsene eroberte sich die argentinische Schriftstellerin das Spielen zurück. In den Avantgarde-Kreisen des Buenos Aires der 1920er und frühen 1930er Jahre hüpften und sprangen, sangen und tanzten die vom Dada verzauberten jungen Künstler wie kleine Kinder.
So war es kein Zufall, dass die 1905 geborene Norah Lange 1937 ihre Kindheitshefte (Cuadernos de infancia) veröffentlichte. Sie bestehen aus einer Reihe von kürzeren Anekdoten. Anekdoten, die man als Kind erlebt und die sich für immer unvergesslich ins Hirn einbrennen. Es sind die Begebenheiten, die beim Erwachsenwerden helfen; sei es auch für das Kind in dem Moment noch so schmerzhaft oder verletzend. Norah Lange berichtet in einer Geschichte davon, wie sie von ihrem Vater auf den Tisch gestellt wird und ihr dann einen Hosenanzug angezogen wird. Als man ihr auch die Hosenträger hochgezogen hat, sagt die Mutter: »Jetzt sieht sie wirklich wie ein kleiner Junge aus!«
 
Der spezielle Reiz der Erzählungen von Norah Lange liegt in deren ehrlicher Kindheit. Das Wort naiv wäre unpassend. Die Autorin hat sich ihre Kindheit in einem Maße bewahrt, das sie in die Lage versetzt, zu schreiben, wie sie als kleines Mädchen fühlte, dachte. Wie sie die Situationen, in die uns die Erwachsenen oft ohne Nachzudenken, hineinzwangen. Der Leser hat das Gefühl: Das hat ein Mädchen aufgeschrieben. So beschreibt sie ihre Empfindungen, als sie vor der gesamten Familie mit dem dunkelblauen Hosenanzug auf dem Tisch steht:
»Meine Augen fingen an zu brennen, und plötzlich fühlte ich mich verlassen und lächerlich. Ich dachte, daß sie mich mit Absicht bloßstellen wollten, und langsam stieg der erste Schluchzer in mir auf, wütend und trotzig. Ich wollte nicht weinen. Es schien mir absurd, als Mann gekleidet zu weinen, und ich stieß einen Schrei aus.«
Als Norah fünf Jahre alt ist, zieht die Familie in die Provinz Mendoza. Mit der Bahnfahrt dorthin setzten die Erinnerungen ein. Die Familie ist wohlhabend. Norah hat sieben Geschwister. Sie beziehen ein großes Haus, haben eine ganze Reihe Bediensteter. Das Schicksal beginnt sich zu wenden, als 1915 der Vater stirbt. Jetzt muss die Familie von den knappen Erträgen der ungepflegten Weinstöcke leben. In einer der kurzen Episoden erzählt die in Argentinien vielfach ausgezeichnete Autorin, wie das Klavier, auf dem sie, alle Schwestern und die Mutter spielten, abgeholt wird. Die Mutter hatte es aus Geldnot verkaufen müssen.
Bereits mit 14 Jahren fing Norah Lange  an, Gedichte zu schreiben. Anfang der 1920er Jahre lernt sie Jorges Luis Borges kennen. 1921 und 1922 sind beide an Wandzeitungen beteiligt, die an die Mauern der Stadt geklebt werden. 1924 erscheint ihr erster Gedichtband – mit einem Vorwort von Borges. Später wurde sie und ihr Mann, der Dichter Oliverio Girondo, zum berühmten und glanzvollen Paar der argentinischen Avantgarde. Norah Lange starb 1972.
Die deutsche Erstveröffentlichung erscheint mit einer Einführung zur Autorin von der Übersetzerin Inka Marter und einem Nachwort der argentinischen, in Berlin lebenden Autorin María Cecilia Barbetta. Die Reihe »Lilienfeldiana« verbürgt bibliophile Gestaltung: Den Band schmückt ein Gemälde von Andrea Lehmann; schwarzes Halbleinen, Fadenheftung und Lesebändchen tun ihr übriges.



Norah Lange, Kindheitshefte. 240 Seiten, Halbleinen, Fadenheftung, Lesebändchen. Lilienfeld Verlag, Düsseldorf 2010, Euro 19,90.





Klaus Kinski – Gesindel

Klaus Kinski (18. Oktober 1926 – 23. November 1991)




Zum heutigen Geburtstag erinnert der DANDY-CLUB an Klaus Kinski (18. Oktober 1926 – 23. November 1991) mit diesem kurzen Ausschnitt aus Kinskis Jesus-Erlöser-Tour (vom ersten von insgesamt zwei Auftritten, hier in Berlin, am 20.11.1971).

Ursprünglich waren 100 Veranstaltungen in ganz Deutschland geplant. Nach den ersten zwei machte der Veranstalter jedoch Pleite.


Hans-Hasso von Veltheims 125. Geburtstag – Tagung und Konzert auf Schloss Ostrau

Hans-Hasso von Veltheim (15. Oktober 1885 – 13. August 1956)



Wir erinnern an Hans-Hasso von Veltheim, der heute seinen 125. Geburtstag begehen würde. – Und damit auch noch einmal an die Tagung und das Konzert auf Schloss Ostrau, veranstaltet von der Ostrau-Gesellschaft e.V. in Kooperation mit dem Ostrauer Kulturverein.

Einzelheiten:
http://dandy-club.blogspot.com/2010/10/hans-hasso-von-veltheims-125-geburtstag.html

Das Programm beginnt am morgigen Sonnabend, 16. Oktober 2010, mit einem Vortrag aus Anlass der Aufnahme des Ostrauer Schlossparks in das Landesprojekt „Gartenträume“: Heike Mortell, Referentin am Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege, spricht um 17.20 Uhr über die Geschichte des Schlossparks Ostrau.
Der morgige Abend wird ausklingen mit einem Liederabend (19.30 Uhr): Gabriele Schmidt, Sängerin am Opernhaus Halle, wird mit ihrem Klavierpartner Allan Duarte Manhas Werke von Robert Schumann und Richard Strauß zu Gehör bringen. Ort: Der Bibliothekssaal des Ostrauer Schlosses.

Die Vorträge finden statt am Samstag zwischen 14 und 18 Uhr und am Sonntag zwischen 10.30 und 15 Uhr.
 
Kontakt:
John Palatini, Vorstand der Ostrau-Gesellschaft und Leiter der Tagung
Telephon: (0345) 171 49 66
oder 0177 / 672 82 00
john.palatini@germanistik.uni-halle.de



Dom Pérignon – Tribute to Andy Warhol

Die limitierten Dom Pérignon-Flaschen – inspiriert durch Andy Warhol



Am kommenden Samstag, 16. Oktober 2010 sollen sie nun in den Handel kommen: Die im Juni angekündigten limitierten Dom Pérignon-Flaschen, die inspiriert sind durch Andy Warhol.

Beide haben ein Stück ihres Lebensweges gemeinsam verbracht: Der King der Pop-Art soll dem berühmten Champagner aus dem Hause Moet & Chandon gern zugesprochen haben. Andy Warhols Gefallen an Dom Pérignon belegt sogar ein Tagebucheintrag aus dem Jahr 1981.

Die traditionsreiche Champagnermarke revanchiert sich nun mit einer außergewöhnlichen Edition: Inspiriert von Warhols ikonischer Farbgestaltung bat Dom Pérignon das Design Laboratory der Londoner Central Saint Martins School, die bekannte Flasche im Geist von Andy Warhol zu gestalten.

So entstand die Kollektion aus drei Flaschen – zum ersten Mal in der Geschichte von Dom Pérignon, die immerhin ins 17. Jahrhundert zurück reicht, mit verändertem Etikett.

http://www.domperignon.com/



  Eine ästhetische Verpackung für einen Inhalt für Connaisseurs
© Bilder: Moet & Chandon, Paris/ France




Ein französischer Roman

Frédéric Beigbeder
© Denis Rouvre. All rights reserved.




Für Frankreichs Kritiker, für die Öffentlichkeit und die Neider war es ein gefundenes Fressen, als man Frédéric Beigbeder am 28. Januar 2008 dabei erwischte, wie er sich an der Spur Koks auf einer Motorhaube zu schaffen machte. 
Der schwarze Chrysler LeBaron stand in einer Seitenstraße von Paris. Beigbeder und sein Freund, den er in seinem autobiographischen Ein französischer Roman nur den Dichter nennt, brauchten ein wenig Stimulation bei einer Party, die war wie jede Party. »Ich zerbröselte die weißen Krümel sorgfältig mit meiner vergoldeten Plastikkarte, während mein Schriftstellerkollege sich über eine Geliebte beklagte, die noch eifersüchtiger war als seine Frau«.



Die anschließenden zwei Tage Untersuchungshaft verändern Frédéric Beigbeders Sicht auf die Welt, auf das Leben. In der engen, stickigen und verdreckten Zelle ist er gezwungen nachzudenken. Ablenkung geht nicht. Er versucht seine Vergangenheit zu rekonstruieren. Sein Problem ist, dass er sich nicht erinnern kann, wie er in seinem neuen Roman, einer Mischung aus Autobiographie und Fiktion, schreibt: »Es ist nicht leicht, als Kind im Körper eines Erwachsenen ohne Gedächtnis gefangen zu sein.« Der kurze aber intensive Gefängnisaufenthalt dient nicht nur der Erinnerung, – sondern auch dem Erwachsenwerden des 43jährigen. 



Im Buch wechseln sich Kapitel über seine Kindheit und Jugend mit denen über die U-Haft ab. Von Stunde zu Stunde wächst dort seine Verzweiflung. Es ist eine existenzielle, eine abgrundtiefe Verzweiflung, die Beigbeder ungefiltert schildert. Überhaupt ist es diese grundtiefe Ehrlichkeit, die das Buch zu einem literarischen Ereignis werden lässt. Sie mag ermöglicht, respektive erleichtert worden sein, durch Beigbeders Erfolg. Er ist der meistübersetzte französische Autor der Gegenwart, hat ein halbes Dutzend erfolgreicher Bücher hingelegt und ist mittlerweile gar zum Fernseh-Star avanciert. Ein Autor und Literaturkritiker, wie ihn das 21. Jahrhundert fordert. Geld macht bekanntlich unabhängig. Dennoch ist es berührend zu lesen, wie einfühlsam und liebevoll Beigbeder über seine Eltern schreibt. Wie wenig er verurteilt, sondern lieber dankbar ist. Der französische Meiden-Star offenbart sich in diesem Buch rückhaltlos.



So ist es nur ein Teil der Geschichte, wenn Kritiker schreiben, Frédéric Beigbeder und sein Bruder Charles kämen »aus gutem Hause«. Das tun sie zweifelsohne. Das tun aber auch viele andere, die aus ihrem Leben nichts machen. Das Aufwachsen der Beiden war bestimmt durch eine aufopferungsvolle Mutter, der es nie gelang einen Mann an sich langfristig zu binden. Nach einiger Zeit endete jede ihrer Beziehungen. So konzentrierte sie sich auf ihre beiden Söhne, denen sie ihre ganze Aufmerksamkeit und – wie ihr Sohn es beschreibt – erdrückende Liebe schenkte. 



Das Buch ist ein Spiel, – so wie Beigbeder das Leben spielt. Der Autor kokettiert mit seinem angeblich nicht vorhandenen Gedächtnis: »In mir ist nichts von mir übrig.«   
Von Kapitel zu Kapitel kann sich Beigbeder dann doch an immer mehr erinnern. Dieses Stilmittel führt dazu, dass der Leser den sensiblen Leidenden förmlich in der winzigen Zelle schmoren sieht. Und geschickt versteht Beigbeder die Kunst des Selbstmitleids und der Reminiszenz an die Literaturgeschichte. Schließlich waren es ja nicht die schlechtesten Schriftsteller, die im Gefängnis landeten, für wie lange auch immer. So verweist er nicht ganz ohne Stolz auf seine Vorfahren Dostojewski, Oscar Wilde, Paul Verlaine, François Villon, Clément Marot, Cervantes, Voltaire, – um vom Marquis de Sade nicht zu schweigen. Doch ist Beigbeder weise genug, sich mit ihnen nicht zu messen.



Als  Frédéric Beigbeder in die Zelle verbracht wird, »einen zwei Quadratmeter großen Käfig mit Wänden voller Graffiti, getrocknetem Blut und Rotz« ahnt er noch nicht, dass er wenige Tage darauf bereits im Élysée-Palast sein wird:  Sein Bruder wird von Präsident Sarkozy  für seine Dienste zur Entwicklung der französischen Wirtschaft zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. Charles hatte seine Firma gerade erst verkauft und war zum Milliardär geworden. 
Die Qualität des Buches liegt in dessen Wahrhaftigkeit. Es ist eine Art französischer Wahrhaftigkeit. Sie ist ebenso in Camus Der Fremde zu finden wie in den Texten von Roland Barthes. Nicht zufällig beruft sich Beigbeder auf den Semiologen Barthes: Das Schreiben vollendet eine Arbeit, deren Ursprung nicht erkennbar ist, zitiert er zu Beginn des Romans. 
Die zweite ungeheure Qualität des Romans liegt in dessen Sprache. Sie ist lakonisch, selbstironisch, voller Humor und Selbstzweifel. Es ist diese intelligente Leichtigkeit, die eine Geschichte, SEINE Geschichte transportiert, die so gar nicht leicht im Sinne von inhaltsleer ist. Den Titel wählte Frédéric Beigbeder so bescheiden, um nicht der Anmaßung bezichtigt zu werden, die gesamte Welt müsse sich für seine Familiensaga interessieren. Dahinter verbirgt sich vielleicht der französische Roman des Jahrzehnts.



Frédéric Beigbeder, Ein französischer Roman. Roman. Aus dem Französischen von Brigitte Große. Piper Verlag. München, Zürich 2010. 253 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 19,95 Euro.

Frédéric Beigbeder ist gerade auf Lesereise durch Dutschland:

FRANKFURT
Donnerstag und Freitag, 7./8. Oktober 2010
Buchmesse

GÖTTINGER Literaturherbst
Samstag, 9. Oktober 2010, 21.00 Uhr
Altes Rathaus

BERLIN
Montag, 11. Oktober 2010, 20.30 Uhr
Lehmanns Fachbuchhandlung, Hardenbergstraße 5

HAMBURG
Dienstag, 12. Oktober 2010, 20.00 Uhr
Literaturhaus Hamburg


Thomas Bernhard – Erstausgabe

20 Jahre nach dem Tod noch eine Erstausgabe: Bei Thomas Bernhard ist alles möglich
© Suhrkamp Verlag



Nachdem sich der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard und sein Verleger, Suhrkamp-Chef Siegfried Unseld am 17. Januar 1985 in Wien getroffen hatten, notierte Unseld, es sei »blendende Stimmung« gewesen. Bernhard war nicht nur begnadeter Provokateur, sondern im Persönlichen nicht ganz unproblematisch. Manche nennen solche Menschen Choleriker, was Unselds zufriedenen Stoßseufzer verständlich macht.


Bernhard arbeitete gerade an seinem Roman Alte Meister, den er in wenigen Wochen abschließen wollte. Der Verleger hielt einen Publikations-Wunsch seines Star-Autoren fest: »Dann läge ihm doch sehr an einem Band ‚Goethe schtirbt‘ . Er enthielte die Texte ‚Goethe schtirbt‘. – ‚Wiedersehen‘. – ‚Montaigne‘. – Und zwei Stücke, die noch keinen Titel haben.«

Zu Lebzeiten ist es nichts geworden mit der Publikation dieses Buches. Viel zu sehr war Bernhard eingespannt. Das lag auch an dem öffentlichen Skandal, zu dem sich sein Theaterstück Heldenplatz bereits vor dessen Uraufführung 1988 entwickelt hatte. Insbesondere sogenannte konservative Kreise wollten massiv die Aufführung verhindern, weil das Stück das Ansehen Österreichs beschmutze. Etwa vier Wochen vor der Uraufführung  veröffentlichten die Neue Kronen Zeitung und die Wochenpresse  unautorisierte Auszüge aus dem Stück. Doch damit nicht genug. Es war wohl eine Kampagne gegen Bernhards Stück. Denn die Zeitungen druckten Dialoge der Protagonisten ab, ohne dies kenntlich zu machen. So wurden die Zitate Bernhard selbst zugeschrieben. In einer riesigen Protestwelle wurde die Absetzung des Stückes verlangt; unter anderen von Wiens Bürgermeister Helmut Zilk, dem ehemaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky und dem Vizekanzler Alois Mock.  


Dieses von Bernhard gewünschte Buch ist jetzt erschienen und beendet den Zustand der schweren Zugänglichkeit dieser Stücke. Goethe schtirbt und Montaigne waren 1982 in der deutschen Wochenzeitung Die Zeit erschienen. Wiedersehen schrieb Bernhard für den Katalog zur Internationalen Kunstausstellung Berlin 1982, und In Flammen aufgegangen. Reisebericht an einen einstigen Freund wurde vom Schauspielhaus Bochum publiziert.


Bernhard zeigt sich in diesen Texten in seiner ganzen sprachlichen Spielfreude. Die Anfangssätze der Texte brauchen meist eine ganze Seite. Der Leser wird hineingerissen in das atemberaubende, – ja atemraubende Stakkatotempo von Bernhards fulminanten Hasstiraden. Goethe schtirbt beginnt mit folgendem ersten Satz:

 »Am Vormittag des Zweiundzwanzigsten ermahnte mich Riemer, bei meinem für halbzwei angesetzten Besuch Goethes einerseits leise, andererseits doch nicht zu leise mit dem Manne zu sprechen, von welchem jetzt nunmehr noch gesagt wurde, daß er der Größte der Nation und gleichzeitig auch der allergrößte unter allen Deutschen bis heute sei, denn einerseits höre er jetzt das eine geradezu erschreckend deutlich, das andere aber beinahe überhaupt nicht mehr und man wisse nicht, was er höre und was nicht und obwohl es das Schwierigste sei in der Unterhaltung mit dem auf seinem Sterbebett liegenden, die ganze Zeit mehr oder weniger bewegungslos in die Richtung auf das Fenster schauenden Genius, die angemessene Lautstärke in der eigenen Rede zu finden, sei es doch möglich, vor allem durch die allerhöchste Aufmerksamkeit der Sinne, in dieser nun tatsächlich nurmehr noch traurig machenden Unterhaltung genau jene Mitte zu finden, die dem jetzt für alle sichtbar an seinen Endpunkt angekommenen Geist entspreche.«



Natürlich geht es in dem Text auch um das Verhältnis Goethes zu Wittgenstein. Hat doch Bernhard mit dem Neffen des Philosophen, Paul Wittgenstein, stundenlange Gespräche auf der Terrasse des Hotels Sacher geführt. Hans Veigl weiß in seinem Buch Einzelgänger & Exzentriker zu berichten, beide hätten »von ihren versteckten Sitzen aus stundenlang ahnungslose Passanten zu beleidigen« gewusst.
Bernhard entlässt seinen Leser auch in diesem posthumen Werk nicht ohne eine gehörige Österreich-Beschimpfung: 
»Ich träumte von Österreich mit solcher Intensität, weil ich daraus geflohen bin, von Österreich als von dem häßlichsten und lächerlichsten Land der Welt. Alles, das die Menschen in diesem Land immer als schön und bewundernswert empfunden haben, war nur mehr noch häßlich und lächerlich, ja immer nur abstoßend und ich fand nicht einen einzigen Punkt in diesem Österreich, der überhaupt akzeptabel gewesen wäre (…) Nur grauenhaft verstümmelte Städte, eine nichts als abschreckende Landschaft und in diesen verstümmelten Städten und in dieser abschreckenden Landschaft gemeine und verlogene und niederträchtige Menschen.«


Thomas Bernhard, Goethe schtirbt. Erzählungen. Suhrkamp Verlag Berlin 2010, 103 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Euro 19,90.

http://www.thomasbernhard.at/




Casa Museo Torrents Lladó, Mallorca

 

Das Museum gewährt intimste Einblicke: Die Sitzecke des Meisters
© DANDY-CLUB



Zum heutigen Todestag des Malers Torrents Lladó (1946-1993) empfiehlt der DANDY-CLUB ein Besuch im Casa Museo Torrents Lladó in Palma de Mallorca. Lladó war nicht nur ein herausragender Maler, bei dem die Kennedys und andere Familien von Rang Schlange standen, um portraitiert zu werden. Er hat sich niemals vom Erfolg korrumpieren lassen. So lehrte er die Malerei in Opposition zur herrschenden Lehre – mit anderem Blick und wahrhaftigerer Motivation.




Ein Einblick ins Refugium von Torrents Lladó
© DANDY-CLUB



Lladó wurde 1946 in Barcelona geboren. 1968 reiste er für einige Wochen nach Mallorca. Er war von der Insel und ihrem Licht so angetan, dass er blieb. Fortan studierte er an der Escola de Belles Arts de Sant Jordi. Er schloss sich einer Künstlergruppe in Valldemossa an und stellte 1972 erstmalig in Palma aus.



 
Selbstportrait




Das Stadthaus in Palma kaufte er 1970. Lladó musste es umfangreich renovieren lassen. Außerdem ließ er es umgestalten. Kurz nach der Fertigstellung seines Refugiums starb der Maler überraschend überraschend am 6.10. 1993.
Seine Erben gründeten im Jahr 2000 eine Stiftung mit dem Zweck, in dem Stadtpalais ein Museum zur dauerhaften Erinnerung zu errichten. Dazu wurden Lladós Privaträume des im 2. Stock zu Ausstellungsräumen umgebaut. Das 1. Stockwerk blieb vollständig in dem Zustand, in dem es J.Torrens Llado bewohnte. Die Nachkommen waren bemüht, so geringe Eingriffe wie möglich vorzunehmen, um die persönliche Atmoshäre zu erhalten. Das Casa Museu wurde am 26.3. 2002 für die Öffentlichkeit geöffnet. Es wird von der Tochter des Malers geleitet.

Zum Maler Torrents Lladó

Lladó ließ sich nur wenige Jahre von der revolutionären Malerei der späten 1960er und frühen 1970er Jahre beeinflussen. Vielmehr wendet er sich rasch figurativen Darstellungen zu, was damals als reaktionär verpönt wurde. An der Akademie führt das zu heftigen Kontroversen zwischen Bewunderern und Gegnern. Lladó zieht es zu anderem: Er nimmt Unterricht bei einem berühmten Aquarellisten und Freskenmaler, lernt Farben und Pigmente nach mittelalterlichen und Renaissance-Rezepten herzustellen und verfeinert permanent seine Technik.

Torrents Lladó erweitert seine Palette um Farben und Nuancen, um Leuchtkraft und Glanz. Es sind Farben, die man nicht kaufen kann. Ihre Anwendung wird nicht mehr gelehrt. 1969 gründet Lladó zusammen mit einer Studienfreundin in Palma de Mallorca eine private Kunstschule, die das Handwerk der Malerei gründlicher und präziser als die Akademien der Zeit vermitteln soll.

Berühmt wird Lladó für seine Portraits. Ein Bildnis des Prinzen Juan Carlos vollendet er in den 1970er Jahren. Mitglieder der mallorquinischen Bankiersfamilie March und der Rothschilds geben Portraits in Auftrag. Anfang der 1990er Jahre malt er ein Doppelportrait von König Juan Carlos und Königin Sofia, das heute in der Kapelle des Consolat del Mar hängt.


Seine Portraits werden bewundert und geschätzt wegen ihrer Prägnanz, Sinnlichkeit und renaissancehaften Anwesenhaftigkeit.

DANDY-CLUB-Tipp!



Selbstpotrait als junger Mann



Casa Museu J. Torrents Lladó


carrer de la Portella, 9
Öffnungszeiten:
15.06.-15.09., Dienstag bis Freitag: 11.00 – 19.00 Uhr
Sonnabend: 10.00 bis 14.00 Uhr.
16.09.-14.06, Dienstag bis Freitag: 10.00 – 18.00 Uhr
Sonnabend: 10.00 bis 14.00 Uhr.
Am Sonntag und Montag geschlossen. Nach Voranmeldung geführte Tour
(nicht mehr als 25 Personen) Eintrittspreis:
3 Euro  (Kinder bis 10 Jahre kostenlos, Senioren ab 65 Jahre 1,80 Euro).