Robert Lebeck – Hierzulande192 Seiten mit 170 großformatigen Schwarz-Weiß-AbbildungenGebunden, Steidl-Verlag 2023, 35 €. Robert Lebeck (1929 – 2014) war einer der bedeutendsten Photo-Reporter der Bundesrepublik Deutschland. Seine Aufnahmen von Willy Brandt, Konrad Adenauer oder Alfred …
Juergen Teller/Dovile Drizyte: Auguri288 Seiten, 274 Abbildungen in FarbeSteidl Verlag 2022, 38 €. »Ich gehe nicht zu Hochzeiten« antwortete Karl Lagerfeld einmal auf die Frage eines Reporters. Und weiter: »Ich komme zur Scheidung!« Damit machte …
The Rebel’s Wardrobe trägt den unschuldigen Untertitel The Untold Story of Menswears’s Renegade Past. Dabei ist der großformatige Bildband nichts weniger als ein Handbuch zu den ikonischen Essentials in des Mannes Kleiderschrank. Welcher Mann hat …
Simon Strauß: Zu zweit. NovelleTropen Verlag, 1. Auflage 2023, 160 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag, 22 €. Ich bin nie ehrgeizig gewesen, aber es war dennoch ein unerfreuliches Gefühl, nichts, aber auch gar nichts auf dem …
Der britische Schriftsteller und Journalist G. K. Chesterton ist in Deutschland – wenn überhaupt –bekannt als Autor der Kriminalromane mit dem Protagonisten Father Brown. Dabei verstand sich der streitbare Autor vor allem als Journalist und …
Secaucus ist ein gottverlassener Ort im US-Bundesstaat New Jersey. Im Jahr 1900 von Einwanderern gegründet, scheint dies unwirkliche Fleckchen Erde im Nordosten der USA, obwohl gar nicht so weit von der Metropole New York City …
Marcel Proust (1871-1922). Schöpfer der Recherche Aus Anlass des 100. Todestages von Marcel Proust hier zehn Gründe, warum jeder halbwegs intelligente Mensch Prousts Hauptwerk, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (À la recherche du …
Heute, am 18. November 2022 jährt sich der Tod von Maecel Proust zum 100. Mal. Proust gilt mit seinem etwa 4.200 Seiten umfassenden Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (À la recherche du …
Alexander Puschkin (Puškin), Rosemarie Tietze (Hg.):Puschkin in Quarantäne113 Seiten, Broschur mit Schutzumschlag.Friedenauer Presse 2022, 22 Euro. Das Jahr 1830 war für Alexander Puschkin ein außergewöhnliches: Seine Angebetete gibt ihm endlich das Jawort, die Cholera zwingt …
Stanley Greenberg (Photos): Olmsted Trees160 Seiten mit 100 zumeist großformatigen Photos in Schwarz-Weiß.Hirmer Verlag 2022, gebunden, 34,90 Euro. Frederick Law Olmsted war Pionier der Landschaftsarchitektur in den USA. Seine grandios-kompromisslosen Park-Gestaltungen geben noch heute Städten …
Hölderlins Orte Fotografien von Barbara Klemm Begleitband zur Wanderausstellung im Hölderlin-Jubiläumsjahr 2020 128 Seiten mit 43 Duplex-Abbildungen, Kerber Verlag 2020, 24 €.
Deutschland begeht das 250. Geburtsjahr von Friedrich Hölderlin mit 600 Veranstaltungen. Ein Höhepunkt ist die hochkarätige Wanderausstellung mit Photographien von Barbara Klemm, die auch in einem wohlfeilen Buch dokumentiert werden.
Einer der bedeutendsten Nationaldichter Deutschlands, Friedrich Hölderlin (1770–1843), hat im Jahr 2020 ein rundes Jubiläum: Er wurde am 20. März vor 250 Jahren geboren. Das Programm Hölderlin 2020 umfasst etwa 600 Veranstaltungen. Ein besonderes Highlight ist die Ausstellung Hölderlins Orte mit Photographien von Barbara Klemm. Nach der ersten Station in Nürtingen sollte die Schau Anfang April 2020 im Hölderlinturm in Tübingen eröffnen, wurde jedoch wegen des Corona-Virus abgesagt
Der Hölderlinturm in Tübingen Photo: Barbara Klemm. All rights reserved.
Umso wertvoller wird nun der die erst einmal ausfallende Wanderausstellung begleitende wohl gestaltete Bildband, der sämtliche Photos von Barbara Klemm Gedichten Hölderlins an die Seite stellt. Barbara Klemm, lange Jahre Photographien bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, suchte Orte aus des Dichters Biographie auf und suchte, sie mit der Kamera zu fassen. Dabei photographierte sie nicht die biographischen Orte, sondern ging einen indirekteren Weg. Statt des Wohnhauses von Hölderlin in Nürtingen hat sie den Neckar dokumentiert. Anstelle des Geburtshauses hat sie das Lauffener Hölderlin-Denkmal abgelichtet.
Hölderlins Leben teilt sich in zwei extreme Hälften. In den ersten 36 Jahren wohnte er an nicht weniger als dreizehn verschiedenen Orten. Er war unstetig und auf seinen vielen Reisen auf der Suche nach geistigen Anregungen und inspirierenden Orten. 1807 wurde er von der Familie Zimmer in deren Haus in Tübingen aufgenommen – dem heutigen Hölderlinturm. Hier lebte er bis zu seinem Tod im Jahr 1843. In zunehmender geistiger Umnachtung verfasste er hier Verse, die noch heute zum Größten in der deutschen Literatur zählen.
Das Hölderlin-Denkmal in Laffen Photo: Barbara Klemm. All rights reserved.
Friedrich Hölderlin war einer der bedeutendsten Lyriker nicht nur seiner Zeit. Er übte mit seinen Oden, Elegien und Hymnen großen Einfluss auf andere Dichter wie Stefan George, Georg Trakl, Ingeborg Bachmann und Paul Celan aus. Seine Gedichte wurden in mehr als 80 Sprachen übersetzt. Das schön gestaltete Buch mit den kongenialen Photographien von Barbara Klemm bietet Gelegenheit, sich mit diesem großen Nationaldichter zu beschäftigen.
Das Kunstmuseum Moritzburg in Halle (Saale) zeigt ab morgen unter dem Titel Karl Lagerfeld. Fotografie. Die Retrospektive die erste Werkschau von Karl Lagerfelds Photographie seit dessen Tod im vergangenen Jahr weltweit.
Präsentiert werden mehr als 300 Photographien, die noch zu Lebzeiten gemeinsam mit Karl Lagerfeld ausgewählt und eigens für die Präsentation im Landeskunstmuseum Sachsen-Anhalt produziert wurden. Kuratoren der außergewöhnlichen Schau sind Eric Pfrunder, Directeur de l’Image Chanel Fashion und Gerhard Steidl, der Lagerfelds Photobücher im Sinne des Künstlers produzierte.
Deutlich werden in der Ausstellung die verschiedenen Schaffensgebiete Karl Lagerfelds, der nicht nur Modemacher, Designer, Verleger, Photograph, Lektor und arbiter elegentiarum gewesen ist: vor allem Architektur, Landschaft, Abstraktion, Porträt, Selbstporträt und Modephotographie. Einige der ausgestellten Werke sind erstmals überhaupt öffentlich zu sehen.
Gezeigt werden auch zwei besondere Werke: ein 18 Meter langes hinterleuchtetes LED-Paneel zu Homers Odyssee sowie Lagerfelds große Inszenierung der Geschichte von Daphnis und Chloë, der Erzählung des antiken Dichters Longus.
KARL LAGERFELD. FOTOGRAFIE Die Retrospektive Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) 08.03.2020 – 23.08.2020
Harry Graf Kesslers erster Erinnerungsband ist nun wieder erschienen
Harry Graf Kessler – Erinnerungen eines Europäers 256 Seiten, gebunden in Leinen, mit Leseband L.S.D. Verlag 2019, 24 Euro.
Harry Graf Kesslers erster Erinnerungsband erscheint neu beim L.S.D. Verlag. Die einzigartige Schilderung der aristokratisch-mondänen Gesellschaft zu Ende des 19. Jahrhunderts gemahnt unsere aktuelle Kultur an europäische Ideale.
Harry Graf Kessler (1868-1937) war eine absolute Ausnahmepersönlichkeit. Wir haben im DANDY-CLUB bereits mehrere Bände seines opulenten Tagebuches vorgestellt.
Kessler wurde in Paris geboren und wuchs in Frankreich und England auf. Seine Mutter Alice Harriet Gräfin Kessler war die Tochter von Henry Blosse-Lynch, einem Offizier der Royal Navy, der es bis zum Befehlshaber der anglo-indischen Flotte in Bombay gebracht hatte. Sein Vater, Adolf Wilhelm Kessler war ein Nachfahre des Theologen und Reformators Johannes Kessler (1502–1574) aus St. Gallen. Er war als Banker zu erheblichem Vermögen gekommen.
Seine Ausbildung in mehreren Ländern, seine mehrsprachige Erziehung und das soziale Umfeld prädestinierten Kessler schon früh zu einer außerordentlichen Karriere. Ursprünglich wollte er dem Diplomatischen Dienst beitreten, wo er jedoch abgelehnt worden ist. Das war vielleicht auch gut so, denn so konnte Kessler später konsequent seinen Leidenschaften frönen. Kessler war dabei stets von einem allumfassenden Blick begleitet. Wenn er Bücher konzipierte, dann ließ er zum Text eine passende Schrift entwerfen, einen adäquaten Einband und Grafiken. Er engagierte sich für Kunst-Zeitschriften und war ein bekannter und großzügiger Mäzen. Später versuchte er sich ohne Auftrag in diplomatischer Mission, verkennend, dass es dabei weniger um ehrlichen Ausgleich von Mächten und Nationen geht als meist um blindes Machtkalkül.
Der nun wieder publizierte Band Erinnerungen eines Europäers hieß bei seiner Erstveröffentlichung 1935 Gesichter und Zeiten. Er erzählt die Schul- und Studienjahre. Besonders aufschlussreich sind die Schilderungen seiner Mutter, die eine berühmte Gesellschaftsdame war und bereits in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts einen Salon in Paris führte, wo sie die Mitglieder der höchsten Kreise empfing.
Umso tiefer man in das Leben von HGK – wie er von Verehrern liebevoll genannt wird – eindringt, desto mehr drängt sich die Parallele eines anderen großen deutschen Dandys auf: Karl Lagerfeld. Beide hatten eine sehr gebildete Mutter, die sie zu Leistungen in Sprachen und Kunst animierte. Die Väter verdienten viel Geld, sodass es den Söhnen möglich wurde, ihren gewünschten Weg ohne Kompromisse einzuschlagen. Kessler verhöhnte die Bankgeschäfte seines Erzeugers, so wie Karl Lagerfeld die Dosenmilch seines Vaters.
Kein Wunder also, dass der vor einem Jahr verstorbene arbiter elegentiarum als Programm-Verantwortlicher für den L.S.D. Verlag, dieses besondere Buch auswählte. Es vermittelt einen einzigartigen Einblick in die Welt der mondänen High Society aus Wirtschaft, Politik und Kunst des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts. Es sollte dem Leser Anlass sein, sich mit HGK weiter zu beschäftigen.
IconiCars Porsche 911 Mit Photos von René Staud Text: Elmar Brümmer 160 Seiten, gebunden. teNeues 2019, 24,95 €.
Der Porsche 911 ist im Laufe der Jahrzehnte vom Auto zur Ikone mutiert. Kein Wunder also, dass teNeues diesem Sportwagen den ersten Band seiner neuen Reihe IconiCars widmet.
Zum Porsche 911 muss man nicht mehr viele Worte verlieren: Seit den 1960er Jahren ein Traum vieler Jungs, ein Kunststück deutscher Ingenieurs-Leistung, bei dem über 50 Jahre und über ein halbes Dutzend verschiedener Baureihen fast alles stimmt. Vom kultigen Design, über die Verarbeitung bis zum Motorsound – ein unverwechselbarer Sportwagen, der auf der ganzen Welt eine ungeheuer treue Fan-Gemeinde hat.
Robert Redford redet mit einer Frau in einem Porshe in einer Szene im Film ‚The Downhill Racer‘, 1969. (Photo by Paramount/Getty Images)
Der Photo- und Textband IconiCars Porsche 911 bringt auch in der großen Menge von Büchern über dieses Auto noch viel überraschend Neues. Selbst eingeschworene Fans des Elfers – wie er von ihnen respektvoll genannt wird – sehen eine Vielzahl von Photos, die noch nicht veröffentlicht worden sind. Hier hatte der Photograph René Staud anscheinend die Freiheit, andere als die bekannten Aufnahmen auszuwählen. So überraschen viele Photos, die den 911 in ungewohnte Umgebung stellen. Über die Ästhetik der jeweiligen Jahrzehnte geben die Reproduktionen alter Werbemotive Auskunft, die die Staud-Photos wunderbar ergänzen.
Die Baureihen werden mit technischen Daten und Photos vorgestellt. Last but not least lesenswert sind die diversen Anekdoten. So hat sich der berühmte Dirigent Herbert von Karajan 1974 einen speziellen Porsche Turbo anfertigen lassen. Der wog rund 200 Kilogramm weniger als das Serienmodell, hatte aber aufgrund eines größeren Turboladers noch einmal 100 PS mehr. Am Heck stand in Karajans üblichem Selbstbewußtsein statt turbo in derselben Schrift vonKarajan.
Eine pusthum erschienene Liebeserklärung an seine Katze von Karl Lagerfeld
Choupette by Karl Lagerfeld 112 Seiten mit 53 Photographien von Karl Lagerfeld Gebunden in Leinen, mit Leseband L.S.D./Steidl Verlag 2018, 24 €.
Choupette by Karl Lagerfeld ist eine bibliophile Liebeserklärung des am 19. Februar 2019 verstorbenen Modemachers an seine Katze. Die weiße Birma wurde unter der Ägide von Lagerfeld zu einem der bestbezahlten Werbe-Models der Welt und zum internationalen Medienstar. Das stilvolle Photobuch enthält etwa 50 Aufnahmen, gemacht und ausgewählt von Herrchen.
Choupette gehörte ursprünglich Karl Lagerfelds Model und Muse Baptiste Giabiconi. Der bat seinen Mentor eines Tages, das Tier für einige Zeit in Obhut zu nehmen. Daraus entwickelte sich schnell einige innige Bindung – und Lagerfeld übernahm die weiße Birma-Katze.
Kalt Lagerfeld, der im Februar des vergangenen Jahres starb, war nicht nur der wohl berühmteste und einflussreichste Modeschöpfer der Nachkriegszeit, Photograph, Designer, Büchermacher und –sammler &C. &C. Der aus Hamburg stammende Deutsche war auch einer der brillantesten Marketing-Profis.
So konnte es nicht verwundern, dass er seine Katze für sein Marken-Konsortium einspannte und ihr eine adäquate Beschäftigung besorgte. Choupette bekam einen eigenen Facebook-Auftritt, einen Instagram- und natürlich einen Twitter-Kanal.
Karl Lagerfeld spitze die Vermarktung seiner Birma-Katze dandyesk zu, indem er sich im Jahr 2012 darüber beschwerte, die Katze sei berühmter als er. Der weiteren kollaborativen Medien-Karriere schadete dies nicht. Choupette posierte für den neuen Opel Corsa wie für japanische Kosmetika. Noch heute sind ganze Serien von Lagerfelds eigenen Marken mit dem Antlitz der Katze geschmückt.
Choupette by Karl Lagerfeld ist eine sehr persönliche Liebeserklärung. Das Photobuch enthält 53 Portraits der Katze, die von gegenseitiger Zuneigung zeugen.
Philipp Tinglers neuer Roman ist ein Bravourstück von Beobachtungsgabe
Philipp Tingler: Rate, wer zum essen bleibt Roman. 208 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag und Leseband. Kein & Aber 2019, 20 Euro.
Stellen Sie sich vor, Sie hätten wichtige Gäste eingeladen. Ihre Karriere stockt und heute kommt quasi Ihr Chef zum Essen. Kurz vorher klingelt es an der Tür – und jemand anderes hagelt herein. Und dieser Mensch soll alles durcheinander wirbeln.
Philipp Tinglers neuer Roman lässt sich kaum aus der Hand legen. Zu spannend, zu überdreht ist die Handlung. Franziska arbeitet an der Uni. Doch die Karriere stockt. Da eine für sie interessante Stelle frei geworden ist, denkt sie strategisch – und lädt den Dekan des Fachbereichs zu sich nach Hause ein. Leider kommt zuvor noch eine alte Schulfreundin ihres Mannes Felix vorbeigerauscht.
Und Conni Gold ist alles andere als pflegeleicht. Vor allem erschüttert sie in der Folge alle Anwesenden dadurch, dass sie stets ungefiltert ihre Meinung sagt. Ob dies jemand hören will oder nicht… Philipp Tingler erspinnt in seinem neuen Roman eine so haarsträubende wie realistische Geschichte, die man sich selbst nicht wünscht. Franziska hat alles für den Abend perfekt geplant. Doch dass noch jemand Uneingeladenes kommt, war nicht vorherzusehen.
Rate, wer zum Essen bleibt ist ein Dialog-Roman, der seine eigentliche Wirkung erst nach dem Lesen entfaltet. Denn die so voll unmögliche Conni Gold ist ja weder dumm noch hat sie einen schlechten Charakter. Sie ist halt ehrlich. Damit kommen wir zu Fragen des gesellschaftlichen Umgangs im Allgemeinen: Sind denn die übliche Oberflächlichkeit und Unehrlichkeit wirklich notwendig und angebracht?
Philipp Tingler wurde in Berlin-(West) geboren und lebt inzwischen in der Schweiz. Er ist Schriftsteller und Kritiker im Literaturclub des Schweizer Fernsehsenders SRF und beim SRF-Format Steiner & Tingler.
Rate, wer zum Essen bleibt ist ein schneller, frivoler Dialog-Roman, der vor Beobachtungsgabe und Menschenkenntnis sprüht und dabei noch richtig Spaß macht.
„Hannes Kilian war“, schreibt Ralf Hanselle, „das Auge eines langen Jahrhunderts – eines, das oft so verrückt und atemberaubend war, wie die Zeichen, die es hinterlassen hat. Manchmal, da ist es Kilian gelungen, diese Verrücktheit auf einem einzigen Foto festzuhalten – mal wissentlich und wohl überlegt, mal eher zufällig und en passant. So ist es auch 1977 gewesen, als der 1909 in Ludwigshafen geborene Photograph im Schatten der zwei großen Türme des damals jungen World Trade Centers die geheimnisvolle Silhouette einer kleinen Kirche erblickte.
Auf einem aus Untersicht photographierten Schwarzweißbild fügt Kilian die drei Gebäude zu einer strukturbetonten Komposition zusammen: Neoromanische Rundbögen werfen ihre Schatten vor die damals höchsten Tempel der Postmoderne. Was im Entstehungsjahr 1977 noch ausgesehen haben mag, wie eine beiläufige Pointe der vielschichtigen Architekturgeschichte Manhattans, das entpuppte sich ein Vierteljahrhundert später als mulmiges Vorgefühl für 9/11: Die Insignien der alten Götter treffen auf die neuen Symbole eines religiös gewordenen Kapitalismus: Turm gegen Türmchen, Gott gegen Götze – wie ein erstes Prélude auf das längst lauernde nächste Jahrtausend …“
Hannes Kilian – Photographien 1937-1977 Eröffnung: Samstag, 9. November, 12-15 Uhr in Anwesenheit von Gundel Kilian
Johanna Breede PHOTOKUNST
Fasanenstr. 69, 10719 Berlin T +49 (0)30-889 13 590 photokunst@breede.de www.johanna-breede.com www.facebook.com/Johanna-Breede Di-Fr 11-18 Uhr + n.V.
Neo Classics sind Sportwagen, die besonders edel und hochwertig sind, und zum Zeitpunkt ihres Erscheinens den Stand des technisch Machbaren präsentieren. Hergestellt werden sie meist nur in kleinen Stückzahlen. Damit soll einerseits das Angebot bewusst klein gehalten werden, um die weltweite Begehrlichkeit auf dieses Produkt so hoch wie möglich zu halten. Andererseits gibt es eh nur eine sehr begrenzte Anzahl von Sammlern für solch extrem exklusive und teure Autos.
Die Neo Classics haben sich seit einigen Jahrzehnten für die Autohersteller zu einem probaten Mittel gemausert, ihr verwässertes Image aufzupolieren. Die Markenhersteller wie BMW, Mercedes oder Audi sehen sich gezwungen, wollen sie auf dem globalisierten Weltmarkt weiter erfolgreich sein, sämtliche Sparten von Autos anzubieten. Parallel müssen sie jedoch das genaue Gegenteil ihren Kunden suggerieren: Dass ihre Autos »premium« sind, also besonders hochwertig und exklusiv.
Zum Beleg von Exklusivität und Individualität eignet sich kaum ein Auto-Typ besser als die Neo Classics. Sie sind nur für eine winzige Zahl von Kunden erschwinglich, durch ihre Limitierung sieht man sie kaum oder gar nicht im Straßenbild. Von den Fans der Marke werden sie dagegen umso mehr bestaunt und dienen ihnen zur Identifikation mit der Marke.
Der bekannte Automobil-Photograph René Staud hat für sein Buch Neo Classics (Texte Jürgen Lewandowski) knapp drei Dutzend dieser Ausnahme-Sportwagen abgelichtet, die in ihrem Design an berühmte Vorbilder des Herstellers erinnern. Ferrari 288 GTO, Porsche 959, BMW Z 8 oder Ford GT 2017 sind vertreten sowie viele weitere moderne Klassiker dieser und anderer Marken.
In einem Interview mit Christian Messina Hembry, der mit seiner Firma Interessenten berät, die sich ein solches streng limitiertes Investmentfahrzeug anschaffen wollen, wird jedoch auch die Krux deutlich, die ein solches Traumauto mit sich bringt: Soll ich es nur stehen lassen und auf die Wertsteigerung warten oder will ich es auch fahren? Schließlich ist es ja zum Nutzen gebaut worden.
Das Buch versammelt bedeutende Interviews mit Ernst Jünger
Ernst Jünger: Gespräche im Weltstaat Interviews und Dialoge 1929-1997 Hrsg. von Rainer Barbey und Thomas Petraschka 575 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag Klett-Cotta 2019, 45 €.
Der deutsche Jahrhundertautor Ernst Jünger (1895-1998) wollte eher durch seine veröffentlichten Erzählungen, Tagebücher und Essays wirken als durch Auftritte oder Interviews. Ein nun veröffentlichter Band faßt beinahe die Hälfte aller jemals gedruckten Gespräche mit dem großen Doyen der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts zusammen. Ein Ereignis nicht nur für bisherige Jünger-Leser!
Ernst Jünger schrieb in einem Zeitraum von etwa 75 Jahren etwa 80 Bücher. Er suchte nach den großen Zusammenhängen in der Geschichte und hoffte, Leser jenseits der flüchtigen Tagesereignisse zu erreichen. Stilistisch lag ihm eher das Tagebuch als der Roman. Die Strahlungen gelten heute als ein Standardwerk zum Zweiten Weltkrieg und als Lehrstück des aufrechten Ganges in düsteren Zeiten. Jünger flankierte sein umfangreiches Diarium und seine nicht immer leicht konsumierbaren Erzählungen mit einer großen Anzahl von schmaleren Essay-Bänden, die insbesondere nach dem Krieg zu einzelnen Fassetten der planetarischen Ordnung Stellung bezogen (Über die Linie, Der Waldgang, Der gordische Knoten).
Nach schlechten Erfahrungen mit entstellten und negativ gedrehten Interviews zog er sich zunehmend zurück und empfing nur noch einzelne, ausgewählte Besucher. Dennoch führte Jünger immer wieder im Anschluß veröffentlichte Gespräche. Diese hatten häufig in den Medien keinen großen Wiederhall, fanden dagegen bei intellektuell Interessierten über alle Jahrzehnte erhebliche Resonanz. Antworten von Gegnern und Befürwortern fanden weniger in den Massenmedien statt als in abgelegenen Zeitschriften.
Der Band Ernst Jünger – Gespräche im Weltstaat versammelt stattliche 43 solcher zuvor gedruckten Interviews. Die Herausgeber Rainer Barbey und Thomas Petraschka recherchierten insgesamt 105 mit dem Schriftsteller geführte und gedruckte Gespräche. Sie fanden zwischen 1929 und 1997 statt. Das 575 Seiten umfassende Buch sortiert sie chronologisch nach ihrem Veröffentlichungszeitpunkt. Ein großer Gewinn ist, daß das Buch bedeutende Interviews enthält, die bislang nicht in Deutsch publiziert worden sind. Dies ist umso erstaunlicher, als alle Gespräche in deutscher Sprache geführt worden sind.
Der Sammelband bringt auch Dialoge, die schon publiziert sind, was aber seinen Wert nicht mindert. So kann sich der Leser ein tiefgreifendes Bild vom Autoren machen und einen Überblick über seine Ansichten verschaffen. Die Herausgeber versuchten, wie sie in der Einführung mitteilen, mit ihrer Auswahl Redundanzen zu verhindern, da Jünger naturgemäß häufig dieselben Fragen gestellt worden sind. Süffisant ist, daß Jünger sich manchmal völlig widersprach. Die Herausgeber gehen darauf genauer ein und nennen als Beispiel, daß Jünger 1956 auf die Frage nach Autoren, die er sehr schätze, Rilke, Hofmannsthal und George nennt. Dreizehn Jahre später sagt er. »Weder Stefan George, noch Hofmannsthal, noch Rilke haben mich begeistert.« Ein dandyesker Streich?
Das stattliche Buch ist sowohl für Jünger-Kenner zu empfehlen, wie für Leser, die vom Autoren von In Stahlgewittern noch nicht eine Zeile gelesen haben. Denn erstaunlich ist, wie Jünger, der sonst bei politischen Stellungnahmen oder direkten Aussagen eher zurückhaltend war, in einigen Gesprächen recht deutlich wird. So eignet sich Gespräche im Weltstaat als Einstieg in das geistige und literarische Universum Jüngers ebenso wie für echte Jüngerianer, die sich schon durch ein Gros des Werkes gelesen haben. Auch sie werden durchaus noch Interessantes entdecken.
Dankenswerterweise haben die Herausgeber in einer Bibliographie sämtliche Interviews und Gespräche chronologisch gelistet. Eine ungeheure Fundgrube für jeden, der weiterforschen will. Der Lesbarkeit förderlich wäre es jedoch gewesen, wenn vor jedem Gespräch in einer kurzen Einleitung Person, Medium und eventuell Kontext erläutert worden wären. So ist man gezwungen, ständig in die Bibliographie zu blättern, will man das erfahren.
Dies ist aber nur ein kleiner Wehrmutstropfen eines ansonsten bedeutsamen Buches, bei dem ein umfangreicher Kommentar und ein Namensregister nicht fehlen. Es macht Lust, Ernst Jünger wieder zu lesen!