The Hilton Brothers – Andy Dandy And Other Works

The Hilton Brothers, 2 Seven, 2007, from the Series Andy Dandy
© The Hilton Brothers

 

 

In der Galerie Hiltawski in Berlin-Mitte hat die Ausstellung The Hilton Brothers – Andy Dandy And Other Works eröffnet (noch bis 22. Dezember 2012). The Hilton Brothers sind die beiden New Yorker Photographen Christopher Makos und Paul Solberg.

Christopher Makos lernte als Mitglied der New Yorker Bohème und Photoszene 1975 Andy Warhol kennen. Es entwickelte sich eine 12-jährige intensive und befruchtende Freundschaft. So machte Makos Warhol auf Keith Haring und Jean-Michael Basquiat aufmerksam.

Christopher Makos und Paul Solberg lernten sich vor acht Jahren kennen und arbeiten seitdem unter dem Pseudonym zusammen, dass von den Hilton-Sisters, Varieté-Stars der 1930er Jahre, inspiriert ist.

Ausgangsbasis des Konzeptes der kleinen Ausstellung sind das Thema der Identität in all ihren Facetten und der fortwährende Einfluss von Andy Warhol auf zeitgenössische Künstler.

 

The Hilton Brothers, Heaven 2009
©
The Hilton Brothers

 

 

The Hilton Brothers, Show Off 2006
© The Hilton Brothers

 

The Hilton Brothers, Marbella, Spain 2008
© The Hilton Brothers

 

 

Galerie Hiltawski
Tucholskystraße 41
10117 Berlin
www.hiltawski.com
Mittwochs bis samstags 14 – 18 Uhr.

 

Schwarze Romantik – Das Begleitbuch

 

Schwarze Romantik:
Der schöne Begleitband aus dem Hatje Cantz Verlag
© Hatje Cantz






 

 

Schwarze Romantik. Von Goya bis Max Ernst.
Begleitband zur Ausstellung im Städel Museum Frankfurt am Main.
Hatje Cantz Verlag 2012, 304 Seiten, 360 Abbildungen, gebunden mit Schutzumschlag, 45 Euro.




Die Ausstellung  Schwarze Romantik – Von Goya bis Max Ernst im Frankfurter Städel Museum (noch bis zum 23. Januar 2013) versammelt über 200 Werke von 70 Künstlern: Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen, Photos und Filme. Die groß angelegte Schau und der begleitende Katalog aus dem Hatje Cantz Verlag wollen einen neuen Blick auf diese Strömung freigeben und sie eher als Geisteshaltung denn Epoche sehen. Ihr Fortleben im Symbolismus und Surrealismus zeigt, wie stark ihr Einfluss noch lange blieb.



Der Begriff »Schwarze Romantik« wurde von dem italienischen Literaturwissenschaftler Mario Praz verwandt. Sein Buch Liebe, Tod und Teufel. Die schwarze Romantik von 1930 erschien in Deutsch mit diesem Titel erst 34 Jahre später. Praz wollte die romantische Literatur unter dem Aspekt ihres erotischen Empfindens untersuchen. So sind es nicht zufällig Praz‘ wichtigste Künstler, die sich im Städel und dem Katalog wiederfinden: Lord Byron, der Marquis de Sade und John Milton sind direkt oder indirekt Impulsgeber und Vorbilder der jungen Künstler gewesen.



Durch die Beiträge des bibliophilen Katalogbuches lässt sich nachvollziehen, aus welcher Situation die heute als Schwarze Romantik bezeichnete Bewegung entstand. Im 19. Jahrhundert sprach sich herum, wie blutig die Französische Revolution tatsächlich gewesen war. Willkürlich wurden Tausende geköpft, nur weil sie Adlige waren. Felix Krämer beschreibt die Zeit in seinem einführenden Text so:
»Wenngleich die junge Generation die Französische Revolution zunächst als Geburt eines neuen Zeitalters feierte, zeigten sich rasch die Schattenseiten dieser Epochenwende, in deren Folge das Licht der Aufklärung rapide an Strahlkraft verlor. Binnen weniger Jahre brach die alte Staatenordnung zusammen. Terror und Kriege brachten Leid und Zerfall gesellschaftlicher Ordnungen in weiten Teilen Europas.« So wetterte Charles Baudelaire gegen die Demokratie, die alles nivelliere, und der mit ihm befreundete Eugène Delacroix malte 1835 »Hamlet und Horatio auf dem Friedhof«. Trotz seiner als schwermütig bezeichneten Seelenmalerei ließ er sich nicht gern vom Kunstkritiker Baudelaire als Erster der Romantiker vereinnahmen: »Wenn man unter meiner Romantik den freien Ausdruck meiner persönlichen Eindrücke versteht, meine Abkehr von den immer wieder durchgepausten Typen in den Schulen und meine Abneigung gegenüber den akademischen Formeln, dann muss ich gestehen, dass ich Romantiker bin.«



Man merkt dem Katalog an, dass er von Hatje Cantz ist: Die Gestaltung ist höchst gelungen und harmoniert kongenial zur Ausstellung und den Werken. Der Einband in dunklem Fliederviolett mit geprägter Schrift lädt zu Beschäftigung mit der dunklen Seite der Kunst ein. Der großformatige Band präsentiert sämtliche in Frankfurt a. M. ausgestellten Werke. Sogar der Film Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens von Friedrich-Wilhelm Murnau aus dem Jahr 1922 ist mit mehreren ergreifenden Filmstills abgebildet.



Zuweilen hätte den Texten allerdings weniger Wertung gutgetan. Hubertus Kohle schreibt über Alfred Kubins Todessprung von 1901/02, der die Scham der Frau zwischen den gespreizten Beinen einem Gebirge gleich zeigt, in das ein winzig dargestellter Mann hineinspringt: »Das Geschlecht der Frau als Abgrund zu empfinden, in das hinein sich der abenteuerlustige Mann unglücksselig versenkt: Dazu bedurfte es der überhitzten Fantasie eines aus strengen familiären Verhältnissen stammenden Österreichers, der im München der Jahrhundertwende auf eine freiheitliche und zugleich schwülstige Kunstszene traf, in welcher der Geschlechterkampf eine zentrale Rolle spielte.« Hier will der Autor wohl Feministinnen gefallen und dem aktuellen Zeitgeist genügen.


Dennoch ist der Ausstellungs-Band aufgrund seiner Qualität und Quantität der gezeigten Werke und behandelten Themen eine Art Handbuch zur Schwarzen Romantik.

DANDY-CLUB Empfehlung!

 

Caspar David Friedrich, Kügelgens Grab 1821/22
Privatbesitz

 

 

 

Edgar Allan Poe im Theater im Palais

Das Geheimnis des Doktor Templeton: Die Amme (Ursula-Rosamaria Gottert) gibt Lord Usher (Carl Martin Spengler) eine Spritze. Im Hintergrund Napoleon Froissart (Jens-Uwe Bogadtke)
© Alexander Riedel

 

 

 

Das Geheimnis der Doktor Templeton.
Ein viktorianisches Psychodrama von Wolfram Moser.

Diabolisches passiert in einem Schloss in Schottland zu viktorianischer Zeit: Zwei Freunde werden zu Komplizen. Lord Usher scheint besessen und krank. Er selbst zweifelt an seinem Verstand. Er offenbart eine ungeheure Tat. Und er will sie teilen.

Im ersten Akt enthüllt Lord Usher in einem Selbstgespräch in minutiöser Detailverliebtheit, wie er seine Schwester im selben Haus kurz zuvor umgebracht hat. Der perfekte Mord. Auf den ist der Adlige zugleich stolz wie er ihn zu irritieren scheint. Als dann noch der eingeladene Besucher, sein alter Jugendfreund Napoleon Bonaparte Froissart ankommt, wird es immer bunter. Wahrheit und Fiktion vermischen sich im dichten schottischen Nebel.

Aus verschiedenen Texten Edgar Allan Poes hat Regisseur Herbert Olschok dieses Stück spannungsgeladenen Anspruchs-Theaters zusammengefügt. Eine Horror-Geschichte folgt der anderen. Der Zuschauer kommt nicht zur Ruhe. In seinem bequemen Theaterstuhl hört er seinen eigenen Atem und ist gefesselt von der gespenstischen Horror-Atmosphäre, in die das kleine Theater im Palais getaucht ist.

Und immer wieder Der Rabe, dieses berühmte pechschwarze Gedicht von Poe.

Mitternacht umgab mich schaurig, als ich einsam, trüb und traurig,
Sinnend saß und las von mancher längstverklung’nen Mähr’ und Lehr’ –
Als ich schon mit matten Blicken im Begriff, in Schlaf zu nicken,
Hörte plötzlich ich ein Ticken an die Zimmerthüre her;
„Ein Besuch wohl noch,“ so dacht’ ich, „den der Zufall führet her –
Ein Besuch und sonst Nichts mehr.“

Wieder einmal ist es ein Genuss, der großartigen Spielfreude von Carl Martin Spengler (Lord Usher) und Jens-Uwe Bogadtke (der Jugendfreund Froissart) zuzuschauen. Durch sie spricht Edgar Allan Poe in jeder Geste, in jedem Hauch. Gelungenes Grauen!

Regie: Herbert Olschok. Bühnenbild: Alexander Martynow
Kostüme: Ute Rathmann.
Mit Ursula-Rosamaria Gottert, Sibylla Rasmussen, Jens-Uwe Bogadtke und Carl Martin Spengler.

Nächste Termine:
12.10.2012
19.10.2012
21.10.2012
21.11.2012

Theater im Palais

 


100 Jahre Vogue-Photographie – Ausstellung verlängert

Edward Steichen. Amerikanische Vogue, Dezember 1923
© Condé Nast

 

 

 

Die Ausstellung von Mode-Photographien aus dem Condé Nast-Verlag in der C/O Berlin ist aufgrund des großen Erfolges verlängert worden. Nach Auskunft des Internationalen Forums für Fotografie haben innerhalb von 50 Tagen über 35.000 Besucher die Schau gesehen. Die Ausstellung, die viele Photos erstmals nach dem Abdruck im Magazin öffentlich präsentiert, ist damit eine der erfolgreichsten in der 12-jährigen Geschichte von C/O Berlin. Die etwa 150 Vintage-Photos aus etwa 100 Jahren Vogue und Vanity Fair sind nun noch bis zum 4. November 2012 zu sehen:

Zeitlos schön –
100 Jahre Modefotografie von Man Ray bis Mario Testino.

Die Bilder waren als Mode-Photos für die Zeitschriften des Verlags bestimmt und damit dazu, in großen Auflagen gedruckt zu werden. Die Ausstellung gibt einen Überblick über die gesamte Geschichte dieser Photogattung, hat doch der anspruchsvolle Verleger seit 1915 bedeutende Photographen wie Edward Steichen damit beauftragt, Mode ästhetisch in Szene zu setzen.

Die Ausstellung zeigt Photos von heute bedeutenden Photographen wie Man Ray, George Hoyningen-Huene, Erwin Blumenfeld, Irving Penn, Peter Lindbergh und Mario Testino. Nachvollziehbar wird der Genre-Wechsel innerhalb der Mode-Photographie. War sie bereits zu Anfang, während des Ersten Weltkrieges sehr experimentell und expressionistisch, so wurde sie später eher ein Mittel, um die Mode zu präsentieren. In den 1970er Jahren setzte durch Photographen wie Helmut Newton eine Sexualisierung ein. Die Photographie war so stets zugleich Dokumentation des Zeitgeistes wie deren Überwinderin.

 

 

Nickolas Muray, Vanity Fair, October 1929
© Condé Nast

 

 

Albert Watson, American Vogue, May 1977
© Condé Nast

 

 

Weitere Photos von der Ausstellung sind auf unserer Facebook-Seite.

Zeitlos schön
100 Jahre Modefotografie von Man Ray bis Mario Testino
Ausstellung bis 4. November 2012.

Öffnungszeiten täglich 11 bis 20 Uhr.
Eintritt 10 Euro, ermäßigt 5 Euro.

C/O Berlin im Postfuhramt
International Forum For Visual Dialogues
Oranienburger Straße 35/36
10117 Berlin

Steve Schapiro – Then and Now

Steve Schapiro, Paul Newman, Fort Lauderdale, Miami, 1983

 

Steve Schapiro, Then and Now.
Texte von Lonnie Ali, Matthias Harder, Steve Schapiro. Interview mit dem Künstler von Matthias Harder. Hatje Cantz Verlag 2012, Deutsch/Englisch, 240 Seiten, 171 Abbildungen, 125 davon in Duplex, Leinen mit Schutzumschlag, Euro 49,80.

 

Zuweilen drohen die Schöpfer ikonographischer Werke von diesen erdrückt zu werden.

Der US-amerikanische Photograph Steve Schapiro (geboren 1934 in New York) machte Photos an über 400 Sets von Hollywood. Seine Standbilder der drei Teile von »Der Pate« und von Scorseses »Taxi Driver« sind nicht nur weltweit bekannt. Sie sind zu Emblemen der US-amerikanischen Kultur geworden. Aber Steve Schapiro ist seit 1961 auch journalistischer und dokumentarischer Photograph. Er dokumentierte den Marsch von Selma mit Martin Luther King, die Factory Andy Warhols und hunderte von Prominenten. Viele große Hollywood-Schauspieler werden vor allem mit dem Bild verbunden, das er von ihnen gemacht hat.

Eine große Werk-Monographie rückt nun das schiefe Bild zurecht und führt uns in Erinnerung, dass der leidenschaftliche Dokumentator, der Schapiro ist, zu den wichtigsten Photojournalisten der 1960er Jahre gehörte. Steve Schapiro – Then and now ist die erste biographische Monographie über den bedeutenden Photographen, die einen Bogen über sein Gesamtwerk spannt. In den 1960ern regten sich die Menschen noch auf. Um Aufträge von Zeitschriften zu bekommen, zog der junge Photograph anfänglich auf eigene  Faust los, wie er im Interview mit Matthias Harder in dem gelungenen Photobuch aus dem Hatje Cantz Verlag erzählt.  Er produzierte Beiträge über Wanderarbeiter in Arkansas und über Drogenabhängigkeit in East Harlem. Und dann kamen die Aufträge von den einflussreichen Zeitschriften. Life, Time, Rolling Stone, Vanity Fair, Sports Illustrated, Paris Match und Stern heißen die Magazine, die noch heute gern auf seine Photo-Sprache zurückgreifen.  Doch die Wirkung seiner Standbilder von den großen Hollywood-Produktionen wurde von Jahr zu Jahr größer und drohte, das übrige Werk, das Schapiro selbst als sein Hauptwerk sieht, in Vergessenheit geraten zu lassen. Dabei besitzt seine Portrait-Kunst einen weltweiten Ruf.

Noch einmal »Taxi-Driver«. Martin Scorsese, der Regisseur des Films, sitzt in einem Sessel. In der rechten Hand hält er einen großkalibrigen Revolver – in der linken eine Staude Weintrauben. Sein Blick ist auf die Mündung der Waffe gerichtet. Sein Blick lässt nicht zweifelsfrei erkennen, was er denkt, was seine Motivation sein könnte. Die Weintraube gilt seit der Antike als Symbol der unvergänglichen Lebenskraft. Der Revolver repräsentiert pure Machtentfaltung durch Gewalt und Tötung. – Wollte Scorsese sich so in Szene setzten? Ist er vom Photographen animiert worden?  Schapiro sucht in seinen Portraits, die komplexe Lebenswirklichkeit eines Menschen in einem Bild festzuhalten. Er selbst sagt im Interview: »Als Fotograf sucht man immer nach der gleichen Art Emotion, Form und Information, die ein Foto erfolgreich machen. Man sucht nach diesem ikonischen Moment, in dem sich das Besondere eines Menschen oder eines spezifischen Moments offenbart.«

Für den Dokumentaristen Schapiro hatte sich ein solcher Moment ergeben, als er am 4. April 1968 abends vom Life-Magazin angerufen wurde. Martin Luther King war erschossen worden. Schapiro machte sich sofort auf den Weg nach Memphis. Frühmorgens am nächsten Tag eingetroffen, ging er in das Badezimmer in der Pension, von dem aus der tödliche Schuss abgefeuert worden war. »Mir fiel ein dunkler, unheilvoller Handabdruck an der Wand über der Badewanne auf, in der der Attentäter gestanden hatte, als er seine Waffe auf das Fenstersims gestützt hatte«, erzählt Steve Schapiro. Eine Woche später wurde dieser Handabdruck ganzseitig in Life gedruckt.

38 Jahre später kehrt der Photograph an den Ort des Geschehens zurück. Die Pension, in die der Attentäter sich eingenistet hatte, existiert nun nicht mehr. Alle Wände waren eingerissen worden; nur die berühmt gewordene Badewanne stand noch da. Man hatte aus der Pension ein massentaugliches Museum gemacht: Die Zuschauer dürfen jetzt durch eine Plastikplane das mörderische Badezimmer bestaunen.

 

 

Steve Schapiro, David Bowie, Los Angeles, 1974



Steve Schapiro, Andy Warhol at The Factory, New York, 1963

Alle abgebildeten Photos sind aus dem Buch.

 

 

 

 


Hackett Spring/Summer 2013

Hackett Frühjahr/Sommer 2013: Die Präsentation

 

 

Zugegeben: Die Präsentation der Sommer-Kollektion 2013 des Londoner Labels Hackett war schon vor einigen Wochen. Wir wollen den ur-britischen Stil aber dennoch bei uns zeigen.

 

 




Hackett London

Karl Friedrich Schinkel – Geschichte und Poesie

Karl Friedrich Schinkel, Die Kirche Santa Maria del Popolo in Cittaducale, 1803
© Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett

 

 

 

Karl Friedrich Schinkel – Geswchichte und Poesie.
Ausstellung im Kupferstichkabinett Berlin noch bis 6. Januar 2013.
Katalogbuch herausgegeben von Hein-Th. Schulze Altcappenberg, Rolf H. Johannsen und Christiane Lange.
Hirmer Verlag, 2012. 360 Seiten, 300 Abbildungen, gebunden, Euro 39,90.

Wer war Karl Friedrich Schinkel? Die Frage mag merkwürdig erscheinen, kennen doch die meisten das Alte Museum, das Schauspielhaus, die Neue Wache, die Friedrichswerdersche Kirche und die Bauakademie. Zweifellos: Schinkel gilt heute zu Recht als einer der bedeutendsten Architekten des 19. Jahrhunderts. Doch war er viel mehr.

Im 21. Jahrhundert lösen sich die alten Ordnungen auf. Gewissheiten und wissenschaftliche Erkenntnisse verabschieden sich über Nacht. Was für die rationalen Bereiche Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft gilt, gilt auch für die Kunst: Im Zentrum aktueller Debatten stehen Fragen wie: Was darf die Kunst? Was ist Original und was Fälschung? Wo liegen die Grenzen legitimer Zitierweisen? Da kommt die große und tiefgründig vorbereitete Ausstellung Karl Friedrich Schinkel. Geschichte und Poesie gerade recht. Der große Baumeister Preußens war eben nicht nur Architekt, wie in der Schau eindrücklich zu erfahren ist. Ihm schwebte der große historische Wurf vor. Vom Mittelalter mit seiner kulturellen Offenheit zur Moderne am Anfang des 19. Jahrhunderts, wo es ihm ein Anliegen war, an abendländische Wurzeln zu erinnern.

Schinkel, der in Berlin durch seine Bauwerke allenthalben präsent ist, wird nun darüber hinaus präsentiert als Maler, Zeichner, Bühnenbildner und Visionär. Mit etwa 300 Exponaten auf 1.200 Quadratmetern zeigt die Ausstellung den preußischen Stararchitekten als Universalkünstler. Er fuhr an die Stätten des Mittelmeeres, um sich inspirieren zu lassen für seine Entwürfe von preußischen Auftragsbauten und Denkmalen. Er zeichnete zugleich für sich romantische Villen am Meer. Im Garten die gut gekleidete Dame des Hauses; die Kinder spielen ausgelassen. Der Besucher erhält durch die Auswahl der Exponate ein Gespür für die Arbeitsweise Schinkels. Architektur-Entwürfe wurden mit Dutzenden von Zeichnungen vorbereitet. Schinkel war ein Freund der Perspektive – und von Details. So kann der Betrachter vor mancher Skizze lange verweilen und wird immer wieder weitere Details erfassen. Gefördert wird das durch die dezente Beleuchtung im Kupferstichkabinett im Berliner Kulturforum.

 

 

Karl Friedrich Schinkel,
Entwurf zum Salon der Wohnung Friedrich Wilhelms IV. im Berliner Schloss, 1824/1825
© Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett

 

 

Schinkel als Poet. Er verband in sich substanziell-ästhetisch Tradition und Moderne und konnte dies auf seine Bauwerke übertragen. Als Schinkel mit seinem Freund und Weggefährten Christian Peter Wilhelm Beuth 1826 nach England reist, ist er von der Industrie-Architektur entsetzt. Für ihn ist sie nur an Nützlichkeit ausgerichtet, ohne jedwedem ästhetischen Anspruch zu genügen, wie er in Briefen in die Heimat mitteilt. Dennoch orientiert er sich danach grundsätzlich an der englischen Funktionalität. Als er von 1832 bis 1836 die Bauakademie errichtet, setzt er jedoch darüber hinaus das komplexe städtebauliche Bedeutungssystems der Preußischen Hauptstadt ein: Es entsteht ein Kubus ohne eigentliche Hauptfassade. Stützenrasterbauweise und unverputzte Sichtziegeloptik waren revolutionär – und sorgten für barsche Kritik. Häufig übersehen wird die Poesie des Gebäudes: Die Geschosse sind differenziert, und durch die allegorische Bauplastik der Fensterbrüstungen wie der Hauptportale erhält das wichtige Haus seinen Bezug zum technischen, kulturellen und ethischen Stand der Architektur.

Unbedingt empfehlenswert ist das begleitende Katalogbuch aus dem Münchner Hirmer Verlag, in dem sämtliche Ausstellungsstücke reproduziert sind. Auf etwa 360 Seiten wird die Ausstellung vertieft. Der  Besucher erhält so die Möglichkeit, sich die Bilder und Zeichnungen zu Hause noch einmal in Ruhe anzuschauen. Denn durch Umfang und Intensität der Schau ist es kaum möglich, alles aufzunehmen und zu behalten. Zu einem Handbuch wird der Begleitband, weil alle Exponate durch einen kurzen Text erläutert werden.

Ausstellung und Katalog basieren auf dem umfassenden Forschungsvorhaben »Das Erbe Schinkels«, das zwischen 2009 und 2012 durchgeführt wurde. Wesentliche Ziele waren die konservatorische Sicherung der 5.500 Werke des Schinkel-Nachlasses, über die das Berliner Kupferstichkabinett verfügt. Dafür wurden neuartige Forschungsmethoden nötig, weil man nicht wusste, woher der strenge Geruch vieler Zeichnungen herrührte, die beim Öffnen der Archive zutage traten. Darüber hinaus wurde ein wissenschaftlicher Online-Katalog aller Werke erstellt. Für jeden an Architektur, Baugeschichte und Zitierweisen in der Kunst Interessierten sind Ausstellung und Begleitband ein großer Gewinn. Wer es in die gelungene Ausstellung am Berliner Potsdamer Platz nicht schafft, erhält mit dem umfangreichen Katalog einen echten Trost.

 

 

Franz Krüger, Bildnis Karl Friedrich Schinkel, 1836
© bpk/Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett/Jörg P. Anders

 

 

Karl Friedrich Schinkel – Geschichte und Poesie





Marc Chagall im Schloss Britz

Die Marc Chagall-Ausstellung in Berlin-Britz läuft noch bis zum 6. Januar 2013

 

 

 

Das Schloss Britz im Süden des Bezirks Berlin-Neukölln gilt als das ästhetische Refugium im Süd-Osten der westlichen Hälfte der  Hauptstadt. Noch bis zum 6. Januar 2013 ist hier eine in Umfang und Präsentattion gelungene Ausstellung zu sehen:

»Marc Chagall – Originalgraphiken aus sieben Jahrzehnten« bietet einen repräsentativen Überblick über das Gesamt-Schaffen des im heutigen Weißrussland geborenen jüdisch-französischen Künstler. Gezeigt werden etwa 100 Werke aus den großen Serien: Die verschiedenen Bibel–Illustrationen aus den 1950er und 1960er Jahren, Illustrationen zu Nicolai Gogols Roman Die toten Seelen und zu den berühmten Fabeln La Fontaines.

Vervollständigt wird die Schau durch Illustrationen Chagalls zu den Märchen aus 1001 Nacht, seinen eindrücklichen Zirkus-Bildern und den Paris-Lithographien, die nach Chagalls Rückkehr 1948 entstanden.

Alle ausgestellten Werke sind zu kaufen. Zur Erinnerung an die Ausstellung kann der Besucher einen kleinen Katalog mit kurzen Erläuterungen für nur 3 Euro erstehen.

 

Marc Chagall – Originalgraphiken aus sieben Jahrzehnten
Schloss Britz
Alt-Britz 73
12359 Berlin
Telephon (030) 609 79 23-0
geöffnet dienstags bis sonntags 11.00 bis 18.00 Uhr.

 

 

Thomas Rudolph

Die morbiden Räume in der Berliner Yorkstraße dienen als Galerie für die Ausstellung von Thomas Rudolph

 

 

Der junge Berliner Maler Thomas Rudolph stellt noch bis zum Ende dieser Woche Bilder und Zeichnungen aus den vergangenen Jahren in der Berliner Yorkstraße 65 aus.


Thomas Rudolph
Malerei und Grafik
Yorkstraße 65
10965 Berlin
geöffnet noch bis zum 5. Oktober 2012, 13.00 – 19.00 Uhr.
Finissage Samstag, 6. Oktober 2012, ab 19.00 Uhr.


Jörg Magenau – Brüder unterm Sternenzelt

Jörg Magenaus Biographie von Friedrich Georg und Ernst Jünger ist eine Imagination – und eröffnet die Jünger-Rezeption im 21. Jahrhundert bar jeglicher ideologischer Vorurteile

 

 

Jörg Magenau, Brüder unterm Sternenzelt – Friedrich Georg und Ernst Jünger. Eine Biographie. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2012, 320 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag Euro 22,95.

 

Darf man das? Eine Art von Biographie über Friedrich Georg und Ernst Jünger schreiben, die eine Imagination ist?

 

Der Berliner Literaturkritiker Jörg Magenau tat es. Er verfasste ein über 300 Seiten starkes Buch, das sich dem bedeutenden Bruder-Paar annähert über eine bildlich-anschauliche Vorstellung: So könnten sie gedacht haben, das könnten sie gefühlt haben. Das Unterfangen dieses biographischen Versuchs ist heikel – fürwahr. Jörg Magenau imaginiert allerdings nicht aus luftleerem Raum. Vielmehr hat er die beiden Schriftsteller studiert. Nicht nur ihre Bücher, also die Primärquellen ihres Schaffens, sondern auch ihren bis dato unveröffentlichten Briefwechsel, der äußerst umfangreich ist. Auch die Korrespondenzen mit gemeinsamen Bekannten liegen dem Buch zugrunde »Brüder unterm Sternenzelt – Friedrich Georg und Ernst Jünger. Eine Biographie«. Autor Magenau war an den Orten, die die Brüder prägten, so in Rehburg am Steinhuder Meer, wo sie aufwuchsen und intensive Naturerfahrungen sammelten.

 

Die neue Biographie ist nicht rein chronologisch aufgebaut. Zwar zieht sich ein zeitlicher Faden durch, der von der frühen Kindheit der beiden bis zum Tode von Ernst Jünger reicht. Dennoch wird dieser immer wieder durchschnitten durch das Jahr 1996, das im Leben des da bereits über 100-jährigen Ernst Jünger vielfältige Ereignisse brachte. In diesem Jahr, zwei Jahre vor seinem Tod, schloss Ernst Jünger endgültig seinen Füllfederhalter und legte ihn auf den Tisch. Das Werk war vollbracht. Magenau imaginiert einfühlsam und stimmig ein Rückblicken Ernst Jüngers auf sein Leben. Der Leser gewinnt beinahe den Eindruck, hier schriebe ein guter Freund, der die Jünger-Brüder über viele Jahrzehnte begleitet hat. Erstaunlich.

 

 

Die Jünger-Villa in Rehburg am Steinhuder Meer
© DANDY-CLUB 2006

 

Jörg Magenaus stilistischer Versuch ist so gewagt – wie gelungen. Dem Text ist die intensive und intime Beschäftigung des Autoren mit seinem biographischen Subjekt anzumerken. Es ist dem Biographen tatsächlich gelungen, eine Nähe zu den Jünger-Brüdern zu erhalten und an den Leser weiter zu geben, die man bisher nirgendwo lesen konnte. Die Stärke der großen Biographie über Ernst Jünger von Heimo Schwilk ist, dass diese sich in Jünger hineindenkt und sein Leben schildert – über das geschriebene Werk hinaus. Daran mangelt es der anderen großen Biographie von Helmuth Kiesel; sie ist eher eine Werkbiographie und vermag die Person dahinter nicht eindringlich zu charakterisieren.

 

Das intensivste Kapitel des Buches ist der Prolog. »Er wartete nicht auf den Tod. Der Tod war immer schon da, war ein Bruder, ein guter Freund. Irgendwann würde er ihm die Hand reichen und hinübertreten auf die andere Seite der Dinge. Das wäre ein einfacher Vorgang, leichter noch als der Weg die Treppe hinab und hinaus in den Garten, wo unter der Blutbuche der Winterling blühte und die Krokusse ihre ersten Spitzen zeigten. Vielleicht ließ dieser Augenblick nur deshalb so lange auf sich warten, weil er ihn nicht fürchtete – seit jenem Tag vor bald achtzig Jahren nicht mehr, als beim Sturm auf Favreuil ein Geschoss seine Lunge durchschlug und er in den Graben und für einen Moment auch aus dem Leben und aus der Zeit stürzte.«


Letztlich ist die Qualität der ersten Biographie aus dem Verlag von Ernst und Friedrich Georg Jünger einem Paradoxon zu verdanken. Jörg Magenau will nicht werten; er will seinen Lesern nicht die Entscheidung abnehmen. Sie sollen selbst noch Bilder in ihren Köpfen entstehen lassen können – ohne dass der Biograph bereits alles entschieden hat. Da der 1961 geborene Autor kaum urteilt, hat er die Möglichkeit, tief in die Gefühlswelt der Jünger-Brüder einzudringen. Dadurch gelingen ihm Sätze wie der: »In seinem Arbeitszimmer duldete er keine mechanischen Uhren. Ihr Ticken hätte ihn in den Takt der Unruhe hineingezwungen, ihn umstellt, eingehegt, niedergehalten. Doch seine Gedanken und Träume sollten ausschweifen. Schreiben hieß, die Zeit aufzuheben.«


Woher weiß Jörg Magenau das? Er weiß es, das genügt.

 

DANDY-CLUB Empfehlung!