Massimo Listri – Grand Interiors

Massimo Listri, Armeria Reale
© GRAND INTERIORS published by teNeues, www.teneues.com.
Photo © 2012 Massimo Listri. All rights reserved.

 

 

 

DANDY-CLUB Geschenk-Tipp No. 3:

Massimo Listri, Grand Interiors. Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch. teNeues Verlag 2012, 240 Seiten, gebunden in rotes Samt, mit Schutzumschlag, 79,90 Euro.

 

Sie lieben alte Bibliotheken? Ein Refugium ist für Sie ein Sehnsuchtsort, wo Sie verweilen können und ewig bleiben möchten. Sie versinken in Aufnahmen vom Inneren der alten Burgen und Schlösser. Aus Zeiten, wo die Menschen noch wussten, dass ein Zuhause nicht der Außen-Darstellung dient, sondern nur – dem inneren Frieden.

Oder aber: Sie kennen jemanden, der Ihnen genau davon vorschwärmt. Der unendlich erzählen kann von seiner Besichtigung der Bibliothek einer alten Universität, eines Klosters oder einer öffentlichen Sammlung. Dann ist dies das Geschenk für diesen Menschen.

Massimo Listris opulenter Bildband genau solch altehrwürdiger Heiliger Hallen verweist andere Bücher ähnlichen Inhalts in ihre Grenzen: mit einem Format von sage und schreibe 38 mal 24 Zentimetern ermöglicht es, mit dem photographierten Eindruck auch tatsächlich ein Gefühl für den jeweiligen Raum zu vermitteln. Der Betrachter der vollseitigen Abbildungen des italienischen Photo-Künstlers ist beinahe körperlich anwesend. Ob in der Biblioteca del Convento de San Francisco in Lima, der Biblioteca Crociana in Neapel oder in der Biblioteca die Girolamini, um hier drei Beispiele aus Italien zu nennen, man blättert durch das riesige Buch und bleibt buchstäblich stehen. Man vermag nicht weiter zu schlagen, weil man erstarrt vor Ehrfurcht ob der architektonischen Perfektion, der Größe der Bücher-Sammlung oder der photographischen Kunstfertigkeit Massimo Listris.

Der etwa 2, 5 Kilogramm schwere Band enthält in vier Kapiteln Photographien von besonders schönen Räumen in Schlössern und Palästen, Villen, Museen und Galerien und Bibliotheken. Fast alle Bilder werden ganzseitig präsentiert, in den wenigsten Fällen durch einen Rand begrenzt. Kein Text trübt die reine Seh-Freude; kurze Beschreibungen in Englisch, Deutsch, Französisch und Italienisch finden sich am Ende des gewaltigen Buches. Wer wissen will, wo Oscar Wilde sich inspirieren ließ, kann mit dem Buch die Alte Bibliothek des Trinity College in Dublin besuchen, wo der junge Dandy sein Studium begann. »An der Alten Bibliothek des Trinity College in Dublin wurde ab 1712 20 Jahre lang gebaut«, erfahren wir in dem Erläuterungs-Text am Ende des Buches: »Der Long Room im Obergeschoss macht seinem Namen mit 64 m Länge alle Ehre (…) Inzwischen ist der Bestand auf etwa 4,5 Millionen Titel angewachsen, im Long Room sind die 200 000 ältesten ausgestellt. Büsten von Homer, Shakespeare und Newton wachen über diese Schätze der Wissenschaft.«

Beeindruckend sind die Photos auch deshalb, weil die Räume ohne Menschen sind. So können sie vollkommen in ihrer Komponiertheit und souveränen Stille bei sich sein – und für uns da. So fällt der ruhende Blick des Betrachters auf so manches Detail, das er sonst womöglich übersehen, überblättern würde: die breite Holzleiter auf Rollen in der Bibliothek des Palazzo Altieri, die Kanone mitten auf dem Flur des Indienarchivs in Sevilla oder die volle Pracht der Kutschen im Museu Nacional dos Coches in Lissabon.

Aber Massimo Listri belässt es nicht immer bei der Dokumentation der Räume, so wie er sie vorfindet, sieht. Bei seiner Aufnahme der Stiftsbibliothek Admont fing er zusätzlich den geometrischen Lichteinfall ein. Da erstrahlt der größte klösterliche Bibliothekssaal der Welt in beinahe surreal anmutenden, vibrierenden grün-bläulichen Meeresfarben. Die gediegene Aura dieser großzügigen Geistesstätte wird zu einem fluoreszierenden Ereignis.

Als würde der Connaisseur nicht genug verwöhnt, ist der kompromisslose Photoband auch noch adäquat eingeschlagen: gebunden in rotes Dandy-Samt mit goldgeprägter Schrift. Voilà!

 

 

Massimo Listri, Château de Versailles
© GRAND INTERIORS published by teNeues, www.teneues.com.
Photo © 2012 Massimo Listri. All rights reserved.

 

 

 

 

Massimo Listri, Reggia di Caserta
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Photo © 2012 Massimo Listri. All rights reserved.






Ellen von Unwerth – The Story of Olga

© Ellen von Unwerth, Olga, 2011

 

 

 

»The Story of Olga« der Photographin Ellen von Unwerth präsentiert die Berliner CWC Gallery noch bis zum 16. Februar 2013. Weltweit zum ersten Mal werden 30 Photos aus der 2011 entstandenen Serie gezeigt.

In der photographischen Erzählung erlebt das Topmodel Olga die Welt der Erotik neu. Nach dem Tod ihres Mannes gibt sie einem ungestümen sexuellen Verlangen nach, dem sie wissbegierig in den verschiedenen Spielformen folgt. Ellen von Unwerth setzt ein erotisches  Märchen ästhetisch um. Subtile Atmosphären, Laszivität in aristokratophiler Umgebung – berauschende Leidenschaft.

 

 

© Ellen von Unwerth, Olga, 2011

 

 

© Ellen von Unwerth, Olga, 2011

 

 

© Ellen von Unwerth, Olga, 2011

 

 

 

 

Ellen von Unwerth – The Story of Olga
Noch bis 16. Februar 2013
CWC GALLERY ⋅ Auguststraße 11–13 ⋅ 10117 Berlin
Öffnungszeiten: Dienstag – Samstag ⋅ 11–19 Uhr

The Little Black Jacket

Die Ausstellung The Little Black Jacket in einem ungenutzten U-Bahn-Tunnel unter dem Potsdamer Platz in Berlin
© Photo: DANDY-CLUB 2012

 

 

Die Ausstellung The Little Black Jacket mit Photographien von Karl Lagerfeld läuft nur noch eine Woche in Berlin. Unter dem Potsdamer Platz in einem ungenutzten U-Bahntunnel finden sich noch bis 14. Dezember 2012 die Photographien von Prominenten im kleinen Schwarzen von Chanel. Ergänzt wird die ästhetische Schau durch farbige Glasdrucke. Eingang Leipziger Platz. Das opulente Buch ist im Steidl Verlag erschienen.

 

Die gediegene Ausstellung von Karl Lagerfeld und Carine Roitfeld ist ein Highlight während des Europäischen Monats der Photographie in Berlin
© Photo: DANDY-CLUB 2012

 

 

Portraits von Karl Lagerfeld auf farbigem Glas
© Photo: DANDY-CLUB 2012

 

 

 





Johan Huinzinga – vor 140 Jahren geboren

Der niederländische Kulturhistoriker Johan Huinzinga (1872-1945)

 


Heute jährt sich der Geburtstag des niederländischen Kultur-Historikers Johan Huinzinga (7. Dezember 1872 – 1. Februar 1945) zum 140. Mal. Aus diesem Anlass stellen wir die Amerika-Studie des Kultur-Dandys noch einmal vor.
Johan Huinzinga, Amerika. Wilhelm Fink Verlag, München 2011, 380 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 49,90 Euro.


Als der niederländische Kulturhistoriker Johan Huinzinga im Frühjahr 1926 für drei Monate die USA bereiste, war er in seiner Heimat bereits ein anerkannter Wissenschaftler. Dabei war sein Weg in die wissenschaftliche Karriere nicht gerade leicht. Zu sehr widersprach er dem üblichen – und vom Betrieb erwarteten – Vorgehen und methodischen Ansätzen. Huizingas Geschichtsverständnis war eher eine intuitive Mentalitäts- und Kulturgeschichte. Diese Herangehensweise mag noch verstärkt worden sein durch sein Studium der Sprachwissenschaften. Zu sehr war der 1872 in Groningen Geborene an Kunst und Malerei interessiert, als dass er ganze Lebensbereiche aus der Geschichtsforschung hätte ausblenden wollen.

Huinzinga nutzte seine begrenzte Zeit in Amerika zu intensiven Studien. Insbesondere interessierte ihn der kulturelle Gegensatz zu Europa. Die Rationalisierung der Kultur, der allgemeine Utilitarismus, den er vor allem an den Universitäten beobachtete.

»Der Fortschritt der Technik zwingt den ökonomischen Prozess, seine Richtung auf Konzentration und allgemeine Gleichmachung in immer schnellerem Tempo zu durchlaufen. Je mehr menschliche Geschäftsklugheit und exakte Wissenschaft in der Automation der Betriebe festgelegt wird, desto mehr scheint der handelnde Mensch als deren Träger und Beherrscher zu verschwinden.«

In seinen brillanten Essays, deren erste unter dem Dach-Titel »Mensch und Masse in Amerika« erschienen und nun zum ersten Mal in Deutsch veröffentlicht werden, geht der überzeugte Kultur-Europäer ausführlich auf die Geschichte der USA ein. Er transzendiert quasi die essenziellen Begriffe wie Individualität durch eine Ableitung aus ihrer historischen Bedingtheit und verdeutlicht zugleich, dass diese für das Verständnis der Vereinigten Staaten so zentralen Begriffe dort meist eine andere Bedeutung haben.

Huinzinga abstrahiert und schildert das Substanzielle der amerikanischen Kultur, der Gesellschaft und der Menschen aus der fortschritts-skeptischen Sicht eines Kultur-Europäers, – ohne in Klischees zu verfallen. Selbst wenn der Analyst zu einem vernichtenden Urteil gelangt, spricht er dies nonchalant aus. So schreibt er über das politische System der USA:

»So ging der Parteiengegensatz schließlich in der faktischen Kommerzialisierung der Parteien verloren. Die Großunternehmen haben das politische Leben geschluckt. Eine Streitfrage wie die Protektion, die in Amerika übrigens nie nur einen rein prinzipiellen Charakter hatte, löste sich im Gewirr der mit den unterschiedlichen Industrieartikeln verquickten Sonderinteressen in Luft auf. Jede Industrie, jedes ‚special interest‘, wie der Amerikaner sie so unmissverständlich nennt, ist eine Macht, die sich in der Politik selbständig verwirklicht.«

Trotz anfänglicher Skepsis begegnet der niederländische Gast der Neuen Welt voller Respekt und Neugier. Und er warnt seine Leser in der Heimat sogar vor voreiligen Urteilen. Akribisch beschreibt der Professor die Mentalitätsunterschiede:

»Die Amerikaner glauben wie alle großen Völker an eine Mission. Seit der Geburt ihres Staates lebt die Idee, dass sie zum Demokratiemodell für die Welt berufen sind, weise, mächtig und prosperierend. Auf der politischen Plattform und von der Kanzel herab wird diese Vorstellung immer wieder mit sichtbarer Aufrichtigkeit proklamiert.«

Die brillanten Essays Johan Huinzingas über die USA sind intellektuell-analytische Flanierstücke. Ergänzt wird diese überfällige deutsche Erstveröffentlichung durch das zweite Buch – ebenfalls erstmalig auf Deutsch – »Amerika – Leben und Denken«. Huizingas Beobachtungen sind im Detail genau und lassen so Abstrahierungen zu. Diese vollzieht der Autor in einer Weise, die für den Leser nachvollziehbar wird und ihm dabei einen eigenen Beurteilungsspielraum belässt. Ergänzt wird der bedeutende Band durch Huinzingas Tagebuch-Aufzeichnungen der Zeit der Reise. Sie zeugen nicht nur von dem strammen Programm, das sich der Reisende selbst auferlegt, sondern auch von seinen Gedanken, Reflexionen und Verarbeitungen. Huinzinga notiert am 4. Mai 1926:

»Ich muss mein Urteil jeden Tag berichtigen.«

DANDY-CLUB Empfehlung!





Bugatti Grand Sport Venet

Bugatti Grand Sport Venet, Künstler: Bernar Venet
© 2012 Copyright Bugatti
Credit: Dominic Fraser

 

Parallel zur Art Basel Miami Beach vom 5. Bis 9. Dezember 2012 präsentieren Bugatti und die Rubell Family Collection Bernar Venets künstlerische Interpretation des Grand Sport.

Der französische Künstler schuf ein Objekt, das ein malerisches Oberflächendesign mit einer an die Haute Couture angelehnten Innengestaltung verbindet.

Bernar Venet: »Ein Bugatti an sich ist schon ein Kunstwerk, das Betrachter wie Fahrer in eine andere Dimension von Realität versetzt. Meine Arbeiten sind in der Regel auto référentielles, das heißt sie beziehen sich nur auf sich selbst. Daher gefiel mir die Idee, technische Formeln zur Errechnung der Leistungskraft des Bugatti Motors auf die Karosserie des Autos anzubringen und diese auch in der Gestaltung des Innenraums aufzugreifen.«

Bernar Venet lebt und arbeitet in New York. Er zählt zu den bedeutendsten zeitgenössischen Bildhauern. Im Sommer 2011 zeigte er seine monumentalen Skulpturen im Schloss Versailles in einer Einzelausstellung und ist damit einer von weltweit fünf zeitgenössischen Künstlern, denen diese Ehre zuteil wurde.

Der Bugatti Grand Sport Venet wird in der Rubell Family Collection ausgestellt:
95 NW 29
th Street, Miami, FL, 33127, USA.
Noch bis Sonntag, 9. Dezember 2012 während der Art Basel Miami Beach, täglich 9:00 – 18:00 Uhr.

Roger Willemsen – Momentum

Ein Buch zum Innehalten: Roger Willemsen setzt ein Leben aus Momenten zusammen, die bleiben

 

 

DANDY-CLUB Geschenkempfehlung No. 1:

Roger Willemsen, Momentum. S. Fischer Verlag 2012, 319 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 21,99 Euro.

 

Was bleibt? Was bleibt von uns, wenn wir gehen? In uns und in der Welt.

Erwachen im Werden. Während die Wimpern den ersten Lidschlag tun, die Trägheit des Auges kein Bild, ein Muster bloß produziert, während das alte ‚Es träumte mir‘ in ein ‚Ich träumte‘ und das ‚Es denkt mich‘ in ein ‚Ich denke‘ übergeht, entsteht mit dem beginnenden Tag die erste Frage: Wo stieß mir dies Ich zu, das gerade denkt, als habe es nie gedacht? Was wollte das Bewusstsein, als es wurde?

Roger Willemsen schrieb ein Buch über die bedeutenden Momente im Leben (Roger Willemsen, Momentum, S. Fischer Verlag, 2012). Der Mensch hat die Eigenschaft, das wirklich Wichtige erst zu erkennen, wenn es zu spät ist. Ist ein naher Angehöriger oder enger Freund gestorben, fangen wir an zu bereuen: Warum habe ich ihm nie verziehen? Warum haben wir uns nicht ausgesprochen? Manchmal scheint es, als würde eine Liebe noch intensiver, wenn sie unwiederbringlich zerstört ist.

Roger Willemsen knüpft all diese Momente in seinem bisherigen Leben zu einer erinnernden Perlenschnur zusammen. Manch eine Situation geht da nur über eine halbe Seite. Anderes kehrt immer wieder. Will nicht so schnell vorüberziehen. Es sind besondere Augenblicke im Leben von Roger Willemsen. Augenblicke, die nie wiederkehren werden, weil sie Einmaliges in sich tragen.

Als ich zum ersten Mal in voller Vergegenwärtigung vor dem Meer stand, ertrank ich im Augenschein. Was wird aus den Dingen, die sich im Spiegel des Meeres reflektieren? Sind sie nicht alle noch da, die gesunkenen Schiffe, die Silhouetten der Frachter, die Flaschen sogar, die auf den Wellen tanzten? Ist das Schillern der Wellen also eigentlich der Tanz der winzigen, in ihnen gespiegelten Bilder? Nie wieder war die Brandung wie damals, als sie in jeder Welle eine Bilderflut war.

Wir alle haben Ähnliches erlebt: Zum erstenmal am Meer, die ersten bewussten Wahrnehmungen als Baby. Roger Willemsen kann diese Momente in Worte fassen. Er kann den tief im Gedächtnis abgespeicherten Erfahrungen und Gefühlen Worte verleihen. So setzt er in seinem neuesten Buch ein Leben ganz aus Momenten zusammen. Mancher Moment ist einfach nur stille Beobachtung. Zwei unterhalten sich. Reden aneinander vorbei. Führen wie so häufig einen Doppel-Monolog, den sie für ein Gespräch halten. Der Autor ist dabei, ist zwangsweiser Zeuge und hält ihn fest. Andere Momente sind von dramatischer Intensität. Verdichtet. Sie scheinen über das weitere Schicksal entscheiden zu wollen. Eine Qualität dieses besonderen Buches ist dabei das Nebeneinander von Augenblicken von ungeheurer Komik mit solchen stiller Naturbeobachtung und Kunstbetrachtung. Frühe Kindheitserinnerungen finden sich neben offenen Liebes-Schilderungen. Und hinzu  kommt, dass sich besonderen Menschen, wie der Autor einer ist, andere ungefragt in intimster Weise öffnen:

Eine Stewardess gesteht mir in 11000 Meter Höhe verschwörerisch, auf Langstreckenflügen höre sie Stimmen in den Wolken.
‚Es sind die Toten, die da reden‘, sagt sie, ‚aber sie tun es nur über Meeren und Wüsten‘.

Vielleicht sind es diese Momente, die Roger Willemsen in seinem Buch aufsammelt, aufpickt, denen er Gehör verschafft, die bleiben. Die wir im letzten Film vom Leben präsentiert bekommen, wenn wir gehen. Ein grandioses Buch, ein Geschenk!

Matthias Pierre Lubinsky

 




Bryan Ferry – The Jazz Age

Still aus Bryan Ferrys Teaser zum Album  The Jazz Age

 

 

Bryan Ferry hat etwas sehr Interessantes gemacht: Er hat eigene alte Songs in einer Art und Weise aufgenommen, die klingt wie früher. Seine großen Hits hören sich nun an, als wären sie in den 1930er Jahren eingespielt. Passend dazu schauen selbst die Bilder des Teasers aus, als wären sie auf noch nicht ganz hoch entwickeltem Filmmaterial gespeichert. Es flimmert und flackert wie vor 80 Jahren. Vivre dandysme!

 

 

Hier der Teaser zur Schallplatte:





Harry Graf Kessler – 75. Todestag

Harry Graf Kessler 1917
© DLA Marbach

 

 

 

 

Zum 75. Todestag von Harry Graf Kessler rezensiert der DANDY-CLUB den sechsten Band seines Tagebuchs. Kessler wurde 1868 in Paris geboren und starb am 30. November 1937 in Lyon.

 

 

 

Harry Graf Kessler. Das Tagebuch 1880-1937,
sechster Band 1916-1918.
Hrsg. von Günter Riederer, Cotta 2006, 962 Seiten, gebunden in rotes Leinen, Schuber, 58 Euro.

 

 

 

Der Weltbürger und Mäzen Harry Graf Kessler wird 1916 – Mitten im Ersten Weltkrieg – von der Front weg- und abkommandiert: Er soll in der Schweiz die deutsche Kulturpropaganda aufbauen. Dies gibt seinem ausführlichen Tagebuch einen fulminanten Dreh; endlich kann der Homme de lettres wieder seiner eigentlichen Berufung frönen. Denn das diplomatische Parkett und die auf Vollständigkeit ausgerichtete Berichterstattung in seinem Tagebuch liegen dem Adligen mehr als der Fronteinsatz.

 

 

 

Der sechste Band des auf insgesamt neun Bände angelegten Tagebuch-Gesamtwerkes, das bei Cotta erscheint, umfasst mit den Jahren 1916 bis 1918 die zweite Hälfte des Ersten Weltkrieges und die unmittelbare Nachkriegszeit. Kurz nach Abberufung von der Front ist Kessler wieder mitten drin. Mitte September 1916 berichtet Kessler von einem süffisanten Abendessen:

 

Abends im Bellevue mit de Vaux und Schubert gegessen. Der Schützengraben läuft im Bellevue quer durch den Esssaal; Entente rechts, Vierbund links, die ‚table austro-boche‘ in der linken Saalecke, die der Entente-Diplomaten in der rechten. Drum herum gruppiert an kleinen Tischen die Angehörigen der beiden feindlichen Mächtegruppen mit verstreuten Amerikanerinnen und Schweizern. Die Kellner bewegen sich zwischen den Mächtegruppen und spionieren.

 

 

 

Liest man diese detaillierte Berichterstattung, so versteht man, was Fritz J. Raddatz meint, wenn er von Kesslers Tagebuch als einem »veritablen Kultur-Krimi« spricht. Ende Juli 1914 hatte sich der 1868 in Paris geborene Kessler als Hauptmann der Reserve bei seinem Regiment gemeldet. Als Kommandeur einer Munitionseinheit war er zunächst mit in das neutrale Belgien einmarschiert. Bereits im September wurde seine Kolonne nach Ostpreußen verlegt. Im Dezember 1914 erhielt er den Befehl, sich als Ordonanzoffizier bei einem Reserve-Korps zu melden, das nach dem Jahreswechsel an die Front in den ungarischen Karpaten verlegt wurde. Nach der Einnahme Galiziens erreichte das Korps im September 1915 den Nordwesten der heutigen Ukraine, wo Kessler den Winter im Stellungskampf gegen die russischen Einheiten verbrachte. Im April 1916 wurde die Einheit an die Westfront bei Verdun verlegt, um an der Frühjahrsoffensive teilzunehmen. Es kann also nicht behauptet werden, Kessler, der Schöngeist und Kunstliebhaber, wäre sich zum Krieg zu schade gewesen.

 

 

 

Lesenswert ist das ungeheure Tagebuch auch – aber bei Weitem nicht nur – aufgrund der Sichtweise und Einstellung des Barons, der zwar patriotisch ist, dabei jedoch auch Fehlentscheidungen sieht und deutlich kommentiert. So ist im Verlaufe dieses sechsten Tagebuchbandes die Wandlung Kesslers vom eher Rechten zum auf Ausgleich Bedachten, vom Nationalisten zum »roten Graf«, wie ihn der Biograph Laird. M. Easton bezeichnet, zu er-lesen. Entsetzt ist Kessler über die Tatsache und Form des Friedensersuchens Deutschlands:

 

Furchtbarer Abend bei Romberg. Er vertraute mir, vor dem offenen Holzfeuer in seinem Arbeitszimmer, dass unsere Regierung offiziell den Präsidenten Wilson um Einleitung von Friedensverhandlungen auf Grund seiner Bedingungen ersucht habe. Mit anderen Worten, wir haben kapituliert; ohne Vorbereitungen, ohne Tastversuche, plötzlich, ‚de but en blanc‘ und ‚en bloc‘. Wilson wird entweder ablehnen oder erniedrigende Bedingungen stellen.

 

 

 

Kessler, international aufgewachsen, mehrsprachig und auf dem internationalen Parkett zu Hause, wusste, was auf Deutschland zukommen sollte. Das vollständige Versagen seiner eigenen Regierung erschütterte ihn zutiefst. Dennoch ließ er sich die Hoffnung nicht nehmen. Das Tagebuch wird zu Literatur durch Stellen wie diese am selben 4. Oktober 1918:

 

Die Stimmung zwischen Romberg und mir war die einer großen Niederlage; wir schwiegen abwechselnd lange und verfolgten unsere trüben Gedanken im Herdfeuer; ich war einem Schwindel Anfall nah: mir sauste das Blut durch Kopf und Ohren. Romberg sagte beim Abschied: ‚Sie haben Glück, Sie haben keine Kinder.‘ Ich meine ‚Im Gegenteil, jetzt muss man für Enkelkinder sorgen.‘

 

 

 

Wie ein Tagebuch wahrhaft zum Krimi werden kann, erfährt der Leser bei Kesslers Schilderung seines 9. November 1918, als die Revolution den Kaiser zum Abdanken gezwungen hatte.

 

 

 

Vormittags von zuhause fortgehend sehe ich einen Soldaten im Hofe des Potsdamer Bahnhofes neben der aufgefahrenen M.G. Kompagnie eine Menschenmenge haranguieren. Auf den Straßen (Friedrichstr. Linden) ist um diese Zeit (10 ½ bis 11) Alles still. Ich gehe in Uniform unbehelligt bis zur Disconto Gesellschaft gegenüber von der Bibliothek. Von da zu Pilsudski ins Continental. Der Diener, dem ich den Auftrag gegeben hatte, mir für Pilsudski einen Degen zu besorgen, wartete am Continental, um mir zu sagen, dass alle Waffen in den Geschäften beschlagnahmt, ein Degen deshalb nicht zu bekommen sei. Ich ging zu Pilsudski, sagte es ihm, schallte mein altes Feldzugs Seitengewehr ab und gab es ihm als Erinnerung an unsere frühere Waffenbrüderschaft

 

 

 

Der Tagebucheintrag erstreckt sich in dem beinahe tausend Seiten starken Buch über fünf Seiten. Im Fortgang schildert Kessler ausführlich sein Gespräch mit dem Polen und seine Einschätzung, dass eine Abtretung Westpreußens eher eine Revanche denn einen dauerhaften Frieden provozieren würde. Kesslers Schilderungen sind von äußerster Anschaulichkeit. Er beschreibt seine gefährlichen Wege durch das revolutionäre Berlin:

 

Ich zog mir zuhause Zivil an, weil Offizieren die Achselstücke und Kokarden abgerissen wurden…

 

 

Diese Gänge sind lediglich Verbindungswege von einem spannenden Gespräch zum nächsten:

Pilsudski war ernst und bedrückt, weil er den ungeheuren Eindruck der deutschen Vorgänge in Polen fürchtet; die russische Revolution habe wenig gewirkt; weil die Polen die Russen für Asiaten halten; dagegen wenn die Deutschen, Westler, Zivilisierte Revolution machen, das werde unabsehbare Wirkungen haben.

 

 

 

Und dann wieder die Straße:

Erst um fünf gingen wir hinaus. Die Linden waren dunkel und ziemlich leer. Aber fortwährend fegten tutende, ratternde, rotbeflaggte Last Autos dicht mit Bewaffneten besetzt vorüber; ziellos, wie es schien, aus blasser Freude an der Bewegung hin und her-rasend. Die Kerls darauf, Soldaten, auch bewaffnete Zivilisten und einzelne Frauen, schrieen, und die Leute auf der Straße schrieen wieder.

 

 

 

Auch der sechste Band des Tagebuchwerkes von Harry Graf Kessler ist ein Kultur-Krimi vom Feinsten. Wer Zeit und Interesse hat, kann aufgrund der fulminanten Sprache und der minutiösen Ausführlichkeit in eine Zeit eintauchen, die heute so weit entfernt ist.

 

Matthias Pierre Lubinsky

Jeffrey Yang – Ein Aquarium – Gedichte auf Lesereise

Jeffrey Yangs außergewöhnliche Gedichte sind auf die ‚Hotlist‘ unabhängiger Verlage 2012 gesetzt worden

 

 

Jeffrey Yang, Ein Aquarium. Gedichte. Aus dem Englischen von Beatrice Faßbender, mit einem Vorwort von Eliot Weinberger. Berenberg Verlag, Berlin 2012, 96 Seiten, Broschur mit Fadenheftung, 19 Euro.

 

Dies Büchlein selbst ist ein gewaltiger Ozean. Der schmale Band mit den Übersetzungen der Gedichte von Jeffrey Yang ins Deutsche (auch die englischen Originale sind enthalten) hat nicht einmal hundert Seiten. Dennoch umfassen die Gedichte des US-Amerikaners alles, was im Meer lebt, mit dem Meer zu tun hat. Oder was man damit verbinden könnte.

Ein Wörterbuch des Ozeans. Die Gedichte sind alphabetisch sortiert. Auch der deutsche Band hält – nachvollziehbar – die Titel des englischen Originals bei. Das Buch beginnt mit »Abalone« und endet mi »Zooxanthelle«. Der Leser lernt Tiere und andere Lebewesen des Wassers kennen, von denen er zum Teil noch nie etwas zuvor gehört hatte. Über die, die er kannte, erfährt er, er dachte, er hätte sie gekannt. Jeffrey Yang holt Wissen aus der Tiefe des Ozeans, er lehrt uns ohne zu belehren. So erfahren wie über den Schwamm:

»Das Rätsel des Schwamms
bleibt noch zu ergründen. Sich selbst
ein Phylum, sind fossile
Schwämme, gefunden
im Phosphorit von Doushantuo,
die allerältesten der
multizellularen Tiere (…)
«

Eine Sprache, die singt. Jeffrey Yang schreibt nicht einfach nur Gedichte. Er komponiert in einer Sprachmelodie, die an Wellenbewegungen erinnert. An das leichte und so meditative Rauschen der Wellen am Sommerstrand. – Auch der Übersetzerin Beatrice Faßbender ist großes Lob zu zollen. Sie hat es verstanden, die Sprachfarbe, dieses sensible Meeresrauschen in den Kompositionen des englischen Originals, ins Deutsche hinüber zu transferieren. Eine Leistung.

Nicht ohne Ironie. Was die Sprachkunst des 1974 in Kalifornien geborenen Dichters weiter trüffelt, ist die leichte Prise Ironie, gepaart mit einer gewissen Überraschung. Der Leser fragt sich nach der Lektüre der ersten Gedichte, wo geht die Reise hin? Aktuelles wird nicht ausgespart:

»Die USA sind ein kleiner Fisch
mit falschem Kopf; oder ein großer Fisch
mit falschen Schuppen; oder ein Traum
vom perfekten Fisch,
der zum Alptraum wird (…)
«

Eliot Weinberger schreibt in seinem Vorwort der deutschen Ausgabe: »Yang führt (…) die Dichtung wieder auf ihre epischen und lyrischen Funktionen zurück. Episch: als ein Warenlager voller Information, gefüllt mit all dem, was eine Kultur von sich und der Natur, von den Göttern und anderen Menschen weiß. Lyrisch: als Feier und vernichtende Kritik zugleich, als Bewunderung der Welt und Empörung darüber, wie sie häufig ist.«

Ein lyrischer Hochgenuss!

Matthias Pierre Lubinsky


Die Termine der Lesereise durch Deutschland:

Montag, 26. November, 20 Uhr | Leipzig
Black Box im Café Neubau / KAFIC in der GfZK
Karl-Tauchnitz-Str.9-11, 04107 Leipzig
Eine Veranstaltung der Literaturzeitschrift Edit

Dienstag, 27. November, 20 Uhr | Berlin
Literaturwerkstatt Berlin
Knaackstraße 97, 10435 Berlin
www.literaturwerkstatt.org

Mittwoch, 28. November, 20 Uhr | Köln
Buchhandlung Klaus Bittner
Albertusstraße 6, 50667 Köln
www.bittner-buch.de

Donnerstag, 29. November, 19.30 Uhr | Frankfurt am Main
Literaturhaus Frankfurt
Schöne Aussicht 2, 60311 Frankfurt am Main
www.literaturhaus-frankfurt.de

 

 

Museum The Kennedys wiedereröffnet

Steve Schapiro, John and Jaqueline Kennedy, Washington D.C., 1963



Seit dem 25. November 2012 hat das Museum The Kennedys in Berlin wieder eröffnet: In einer erheblich vergrößerten Ausstellungsfläche von 500 qm werden 350 hochkarätige Exponate präsentiert. Der Eintritt ist frei. In der ehemaligen Jüdischen Mädschenschule in der Augusstraße befindet sich die einmalige Sammlung in adäquater Nachbarschaft. Hunderte von herausragenden Photographien lassen den damaligen Mythos um John F. Kennedy wieder aufleben. Die spezielle Beziehung des jemals jüngsten US-Präsidenten zur eingemauerten Stadt wird nahezu greifbar. Highlight der Schau sind persönliche Gegenstände des demokratischen Präsidenten, wie seine Aktentasche oder ein weißes Oberhemd mit Krawatte, die eine besondere Nähe entstehen lassen.

 

John F. Kennedy’s Items, John F. Kennedy’s Hermès Briefcase from the late 1940s

 

 

Der DANDY-CLUB hatte Gelegenheit, mit dem US-Photographen Steve Schapiro über die Neueröffnung zu sprechen. Er habe eine besondere Beziehung zu Berlin, sagte er, seitdem er vor einigen Jahren zur Konzeption seines ‚Godfather‘-Buches zum ersten Mal in Berlin gewesen sei. Steve Schapiro, der die Kennedy-Familie über viele Jahre photographisch begleitete, sieht die Bedeutung Berlins als Kunst-Metropole heute ähnlich der von New York City in den 1960er Jahren. Dass das Kennedy-Museum nun in den Räumen der Ehemaligen Jüdischen Mädchenschule seine Heimat gefunden hat, bezeichnete der berühmte Photograph als ‚großartig‘. Glücklich äußete er sich über die jüngste Publikation seiner großen Photo-Monographie Then and Now im deutschen Verlag Hatje Cantz.

 

 

Will Mcbride, Kennedy, Adenauer und Brandt verlassen das Brandenburger Tor, Berlin, 26. Juni 1963



Museum The Kennedys