Photo: © Matthias Pierre Lubinsky. All rights reserved.
Apr. 14
Apr. 14
Der Ausnahmeregisseures Werner Schroeter ist kurz nach seinem 65. Geburtstag gestorben. Die Wiener Presse bezeichnet ihn in ihrem Nachruf „visionären Dandy“, :
http://diepresse.com/home/kultur/film/558110/index.do?_vl_backlink=/home/kultur/film/index.d
Apr. 09
Heute vor 189 Jahren wurde der Schriftsteller Charles-Pierre Baudelaire in Paris geboren: am 9. April 1821. Er starb dort am 31. August 1867. Er gilt heute als einer der großen Erneuerer der französischen Literatur im 19. Jahrhundert und bedeutender Theoretiker des Dandytums. Baudelaire selbst lebte materiell verschwenderisch und war sich seiner geistigen Überlegenheit bewusst.
Zur Erinnerung bringen wir einen Auszug aus dem Kapitel Der Dandy aus dem Aufsatz Der Maler des modernen Lebens über Constantin Guys, erstmalig erschienen im Figaro in drei Folgen Ende 1863.
DerMann des Reichtums und des Müßiggangs, der, bei aller Blasiertheit, keine andere Beschäftigung hat, als dem Glück nachzujagen; der Mann, der im Luxus aufgewachsen und seit seiner Jugend an den Gehorsam anderer Menschen gewöhnt ist; derjenige endlich, dessen einziger Beruf die Eleganz ist, wird sich stets, zu allen Zeiten, einer ausgeprägten, einer von allen anderen unterschiedenen Physiognomie erfreuen. Der Dandysmus ist eine schwer bestimmbare Einrichtung, ebenso absonderlich wie das Duell; eine sehr alte Einrichtung, denn schom Cäsar, Catilina, Alkibiades liefern uns auffällige Beispiele; sie ist allgemein verbreitet, denn Chateaubriand hat sie in den Wäldern und an dn Seegestaden der Neuen Welt entdeckt. Der Dandysmus, der als Einrichtung außerhalb der Gesetze steht, hat seine eigenen strengen Gesetze, denen all seine Untertanen unerbittlich unterworfen sind, ihr Charakter mag noch so ungestüm und auf Unabhängigkeit bedacht sein (…)
Der Dandysmus besteht nicht einmal, wie viele Personen von geringem Scharfsinn zu glauben scheinen, in einer maßlosen Vorliebe für gutes Aussehen und äußerliche Eleganz. Dergleichen ist dem vollkommenen Dandy lediglich ein symbolischer Ausdruck für die aristokratische Überlegenheit seines Geistes. Darum auch besteht, in seinen Augen, denen es vor allem um Distinktion geht, die Vollkommenheit des Anzugs in der absoluten Einfachheit, die in der Tat immer noch die beste Art ist, sich zu unterscheiden (…)
Der Dandysmus erscheint vor allem in Übergangszeiten, wenn die Demokratie noch nicht allmächtig, wenn die Aristokratie erst ins Wanken geraten ist und ihre Würde noch nicht gänzlich eingebüßt hat. In der Wirrnis dieser Zeiten können einige aus ihrer Bahn geratene, angewiderte, beschäftigungslose Männer, die doch alle reich sind an ursprünglicher Kraft, auf den Gedanken verfallen, eine neue Art von Adelsherrschaft zu gründen, die umso schwerer zu brechen ist, als sie auf den kostbarsten, den unzerstörbarsten Fähigkeiten ruht, und auf den Himmelsgaben, welche Arbeit und Geld nicht zu verleihen vermögen. Der Dandysmus ist das letzte heroische Sichaufbäumen in Zeiten des Verfalls (…)
Apr. 08
»Der schöne Mann« steht in großen Lettern auf dem Schutzumschlag. So heißt das Buch. Es lächelt uns ein – schöner – Rupert Everett an. Das wirkt recht plakativ. Dutzend Mal gesehen, denkt der nicht ganz anspruchslose Bücherkäufer. Und dann noch der Untertitel: »Playboys, Dandys, Lebenskünstler«. Erinnert sind wir unwillkürlich an den Untertitel von Günter Erbes Studie »Dandys«, der da lautet: »Virtuosen der Lebenskunst« und haben ein mulmiges Gefühl.
Doch halt! Dieser kombinierte Bild- und Textband bringt wesentlich mehr als er verspricht. Bereits der erste Abschnitt macht klar, dass sich Autor Joachim Kurz mit seinem Thema gründlich beschäftigt hat. Es bildet quasi die Klammer für als das Kommende: Beau Brummell und Karl Lagerfeld werden hier vorgestellt. Das ist klug und intelligent. Denn diese beiden bilden soetwas wie den Rahmen, schaut man heute auf das Dandytum. Brummell gilt als der Ur-Dandy, als der erste, der diese Lebensform konsequent zelebriert und sein gesamtes Sein darunter gestellt hat. Lagerfeld kann als der bedeutendste aktuelle Vertreter dieser seltenen Spezies gelten. Nicht zufällig beschäftigt sich dieses Blog ausführlich mit beiden.
Man freut sich, gleich in der Einleitung die Korrektur eines allgeneinen Missverständnisses zu finden, der Dandy wolle auffallen und sei ein Snob. Joachim Kurz schreibt: »Der Dandy aber war anders. Er verabscheute das Laute, das Grelle und die allzu auffälligen Extravaganzen der anderen eleganten Herren, sondern bevorzugte schlichte Eleganz (die freilich genauso viel Mühe kostet wie auffällige Kostümierungen), vollendete Manieren und einen rasiermesserscharfen Geist.« Danke für diese Klarstellung. Der Autor, Geschäftsführer des Internetportals www. kino-zeit.de fährt fort: »Zugleich kultivierte er die perfekte äußere Fassade auch als innere Haltung: Sein Ennui und seine Distanz zur Gesellschaft wurde zur geistigen Opposition, die sich von der aufkommenden Massengesellschaft und der krämerhaften Geschäftigkeit der industriellen Revolution abzugrenzen versuchte.« Richtig!
Weitere jeweils kurz porträtierte Dandys sind Oscar Wilde, Sebastian Horsley, der selbsernannte Dandy in der Unterwelt, Andy Warhol, Cary Grant, Rupert Everett, David Bowie und Morrissey. Jede Kurzbiographie ist pointiert, treffend und schält das Dandyistische heraus. So schreibt Kurz über den Maler Markus Lüpertz: »Der renitente Kunststudent sucht zunächst das Abenteuer und verpflichtet sich bei der französischen Fremdenlegion (wie Ernst Jünger, ist man geneigt hinzuzufügen) in Algerien, aus der er aber schon bald wieder flieht (wie Ernst Jünger) und nach Berlin zieht«. So sind es die Parallelen in den Lebensläufen der Dandys, die häufig erstaunlich sind. In diesem Buch hätten sie jedoch den Rahmen gesprengt.
Last but not least kann auch Kurz‘ Ausblick auf die Zukunft des Dandytums überzeugen. Auf den Spuren Baudelaires resümiert der Autor, die Chancen stünden nicht schlecht »für eine neue, nonkonformistische Dandy-Bewegung«.
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Apr. 07
Das kann ja noch spannend werden: „Der Zeit ihre Kunst“ droht der deutsche Kunst-Dionysos Markus Lüpertz und stellt unter diesem Motto bei der Krankenversicherung Deutscher Ring in Hamburg eine Auswahl seiner Werke aus. Wir denken unwillkürlich an Charles Baudelaires Diktum von den „Übergangszeiten“, in denen das Dandytum reüssiere… Vielleicht lässt sich so die letzte Gebührenerhöhung verschmerzen. Das Geld scheint diesmal jedenfalls sinnvoll investiert:
Zu sehen sind noch bis zum 2. Juli 2010 Skulpturen, Holz- und Linolschnitte, Radierungen und Lithografien. Während sich Lüpertz (68) anfänglich in expressiver Form mit der deutschen Geschichte auseinandersetzte, folgten abstrakte Stilbilder, Skulpturen und graphische Sequenzen. In den vergangenen Jahrzehnten widmete er sich einer neuen Gegenständlichkeit. Der Eintritt ist ganz massendemokratisch: frei.
Der Zeit ihre Kunst
Geöffnet: Montags bis freitags, 10 bis 18 Uhr
Die Ausstellung ist kostenlos.
Deutscher Ring
Dialoge mit Kunst
Ludwig-Erhard-Straße 22 (Eingang Neanderstraße)
20459 Hamburg
Apr. 06
Es heißt schlicht und einfach L’Hotel. Früher hieß es Hotel d’Alsace. Es ist in Paris, 13, rue des Beaux-Arts. Heute ist es eine kleine, intime Luxus-Herberge. Ende des 19. Jahrhunderts war es eine billige Absteige für Verarmte. Einer von ihnen hieß Oscar Wilde. Er war Bewohner von Zimmer 16, wo er am 30. November 1900 starb.
Ist das Zimmer mal nicht vermietet, kann man es sogar besichtigen. Allerdings ist es „rekonstruiert“, in wieweit es also dem damaligen Zustand entspricht, ist fraglich.
L’Hotel
13 Rue des Beaux-Arts
75006 Paris
Telephon: 33 (0) 1 44 41 99 00
Telefax: 33 (0) 1 43 25 64 81
Apr. 01
Exklusivmeldung des DANDY-CLUBs!
Karl Lagerfeld wird Bundespräsident
Wie der DANDY-CLUB soeben aus gut informierten Kreisen erfährt, hat das politische Berlin einen absoluten Überraschungs-Coup gelandet: Die Spitzen aller im Bundestag vertretenen Parteien haben sich heute Nacht in einer Geheimsitzung auf den neuen Bundespräsidenten geeinigt. Es soll der weltweit hohes Ansehen genießende Modeschöpfer, Photograph und Allround-Kreative Karl Lagerfeld werden.
Hintergrund ist wohl die Krisensituation. Ein Mitglied der größten Bundestagsfraktion, das nicht namentlich genannt werden wollte, sagte unserem Blog: „Wir wollten ein Zeichen setzen, dass es eben noch ein anderes Deutschland gibt. Ein kreatives, ästhetisches.“ Lagerfeld hätte sein Leben lang Deutschland in best-denkbarer Manier repräsentiert. Also könne er auch das höchste Staatsamt adäquat ausüben.
Politische Beobachter analysierten sogleich, Kanzlerin Merkel sei über sich hinausgewachsen. Erstaunlich ist vor allem, dass es nach einem Vorstoß aus dem Kanzleramt von keiner einzigen politischen Seite Widerstand gegeben hat. Selbst die Linkspartei hält „diese allgemeine Einigung für stilbildend in Zeiten einer nicht nur ökonomischen Krise“, wie es in einer Erklärung heißt.
Die Wahl des Nachfolgers von Horst Köhler, der im Mai 2009 für weitere fünf Jahre gewählt wurde, steht erst im Jahr 2014 an. Umso mehr überraschte dieser Vorstoß.
Abdruck unter Nennung der Quelle.
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März 31
Der stattliche Tagungsband setzt einen Meilenstein in der Jünger-Perzeption
Zwischen dem 10. und dem 14. Juni 2009 fand in Polen ein internationales Symposium über Ernst Jünger statt. Über 50 Wissenschaftler und Kenner des Werkes des 1998 im Alter von 102 Jahren verstorbenen Ausnahmeschriftstellers kamen an der Universität von Breslau zusammen. Nun ist der über 500 Seiten starke Tagungsband erschienen.
Als am 20. Januar 1998 der Sarg von Ernst Jünger ins Grab gelassen wird, ist der kirchliche Friedhof von Wilflingen von beinahe enthusiastischer Stimmung erfüllt. In den Tagen zuvor war des Wetter der Jahreszeit entsprechend: Es war kalt und nass. Nun, in diesem denkwürdigen Moment im Leben der meisten Anwesenden, schien die Sonne. Es waren Frühlingstemperaturen, der Himmel strahlendblau – und das Erstaunlichste: Symbolhaft gaben sich über dem Grab die Insekten ein Stelldichein.
Kein Wunder. Schließlich war es doch einer ihrer intensivsten Erforscher, dessen Leichnam hier herabgesenkt wurde.
So könnte man das gesamte Leben des deutschen Jahrhundert-Diaristen beschreiben. Es war ein einziger Grenzgang. Stets auf der Suche nach dem Rand des körperlich und geistig Erfahrbaren. Eine außergewöhnliche Konferenz im polnischen Wroclaw/ Breslau im Juni 2009 machte sich auf die Suche nach einer Art Bilanz: Was könnte heute, ein gutes Jahrzehnt nach dem Tod des Ausnahmeschriftstellers »eine repräsentative Zusammenschau zu dessen Platz und Gewicht« sein?
Die Tagung war ursprünglich auf zwei Tage angelegt, wurde wegen des großen Interesses von Wissenschaftlern und anderen Kennern des Werkes jedoch auf vier Tage ausgeweitet. Entstanden ist ein erstaunliches Panorama an Forschungsstand und internationaler Perzeption Jüngers. Zusammengefasst lässt sich vielleicht sagen, dass der Terminus des ‚Umstrittenseins‘ Jüngers, den die Herausgeber des über 500-seitigen Tagungsbandes noch bescheiden-vorsichtig im Editorial führen, spätestens mit diesem Band auch erledigt ist.
Jüngers Werk ist zu tief, zu umfang- und facettenreich, um es derart abfrühstücken zu können. Pars pro toto sei der äußerst lesenswerte Beitrag des Engelforschers Uwe Wolff herbeizitiert. Wolff unternimmt eine »theologische Deutung« von Jüngers Erzählung Auf den Marmorklippen, die zu einem beeindruckenden Sub-Kommentar der kaum verständlichen Schrift wird: »Der berühmte Schutzengelpsalm spricht von der Wirkung des Glaubens. Wer mit Engeln geht, der wird ohne Furcht durch die Zone der Todesgefahr schreiten. Ernst Jünger zitiert diese ‚Kraft auf Skorpione zu treten‘ nach dem lateinischen Text der Vulgata.« Wolffs Ausführungen machen deutlich, dass sich die spirituelle Dimension von Jünger wenig dazu eignet, politisch ausgeschlachtet zu werden.
Die beeindruckende Tagung brachte diesen beeindruckenden Band hervor, der sämtliche Beiträge dokumentiert. Zurückzuführen ist er auf eine Initiative des 1955 geborenen polnischen Germanisten Wojciech Kunicki. Er stattete 1989 den Hamburger Wissenschaftlern Harro Segeberg, Ulrich Baron und Hans-Harald Müller einen Besuch ab, um, wie es Müller beschreibt, mit ihnen »über Ernst Jünger zu diskutieren«. Alle haben mittlerweile über Jünger publiziert.
Alle anderthalb Dutzend Beiträge können hier nicht vorgestellt, noch nicht einmal erwähnt werden. Bedeutend aufgrund seiner Aktualität scheint Segebergs Einbettung des Jüngerschen Werkes in die Mediengeschichte des 20. Jahrhunderts. Ob Leni Riefenstahl oder George W. Bush. Jünger erkannte früh, dass in der Moderne als technischem Zeitalter die mediale Manipulation der Massen dem Handeln vorausgeht. Interessant auch, dass Jüngers zentrales Werk Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt (1932) zu einem immer größeren Forschungsgegenstand zu werden scheint. Vorbei die Zeiten, als dieses Theoriebuch als Ausweis von Jüngers Faschismus diente. Michael Jaeger (Berlin) sieht als zentrale Aussage des Arbeiters, dessen Übersetzung ins Italienische Jünger durch Julius Evola ablehnte, die Opposition einer technisch-industriellen zweiten Schöpfung gegen die überlieferte Kultur. Aber Jünger war eben nicht nur Nationalist, Soldat, Krieger. Er sah und suchte tiefer: »Als ästhetisierender Flaneur nämlich, als Spaziergänger den rasenden deutschen Kampfverbänden in zweiter Reihe nachfolgend und mithin isoliert von der Arbeits- und Kriegsbewegung, studiert Jünger auf dem verlassenen Kampfplatz die surreale Szenerie der verletzten und zerstörten bürgerlichen Kultur«, resümiert Jaeger.
Die persönliche Einsamkeit Ernst Jüngers wird greifbar in Silvia Peuckerts Schilderung einer Ägyptenreise. Gekonnt konfrontiert die Autorin Schilderungen der Initiatorin der Fahrt, Emma Brunner-Traut, mit Jüngers Veröffentlichungen. So wird deutlich, dass der Schriftsteller mit seiner Suche, Neugierde und Wahrnehmung ein Leben lang Außenstehender blieb. Jünger war auf seiner eigenen Suche, – nach einer universellen Ordnung – und hatte wenig Sinn für bürgerliche Gespräche mit den Reisenden über ihre Sichtweise des alten Ägypten. In seinen Reisenotizen hält der Solitär fest: »Gedanken über diese Exkursion. Eigentlich von Anfang an das Gefühl, Fremdling hier zu sein: in der Schule, beim Heere, den Wissenschaften, der gesellschaftlichen Welt. Ich kam und komme von außen; das entsetzliche Gefühl der Heimatlosigkeit.«
Weitere Beiträge von Vincent Blok, Natalia Zarska, Ralph-Rainer Wuthenow, Jan Robert Weber, Jörg Sader, Helmuth Kiesel und vielen anderen. Ein außerordentlicher Tagungsband, für dessen Publikation man durchaus dankbar sein kann. Empfohlen sei er all denjenigen, die tiefer blicken möchten. Die neben dem Alltagsgeschäft kontemplativ in andere intellektuelle Schichten vordringen wollen.
© 2010 Matthias Pierre Lubinsky. All rights reserved.
Natalia Zarska, Gerald Diesener, Wojciech Kunicki (Hg.): Ernst Jünger – eine Bilanz. Leipziger Universitätsverlag 2010, 544 Seiten, Halbleinen, 99 Euro.
Hier geht es zum Programm der Tagung:
http://www.ifg.uni.wroc.pl/konf/junger/programKonfErnstJuenger.pdf