Durch die Nacht mit… Dirk von Lowtzow und René Pollesch

Dirk von Lowtzow und René Pollesch in der Kantine der Volksbühne
© ZDF 2011

 

Kultur-Fernsehen – leider unter Ausschluss der Öffentlichkeit.  Die intelligente Reihe »Duch die Nacht mit…« bringt heute Tocotronic-Frontmann Dirk von Lowtzow und den Theaterregisseur René Pollesch zusammen. Sie gehen in einer Winternacht durch Berlin und suchen vor allem Orte auf, wo sie rauchen können. Gleich zu Beginn outet sich Lowtzow als Fan von Pollesch. Dabei ist die Sympathie gegenseitig. Pollesch kennt die Texte von Tocotronic und hat sogar schon Lieder der Band in seine Stücke eingebaut.

Die beiden besuchen verschiedene Stationen, die in ihrem Leben und Schaffen eine Rolle spielten und spielen. Und wie in dieser Sendereihe üblich, gibt es ein Paar wie zufällig wirkende Begegnungen…

Nach zehn Stunden und diversen Zigaretten mit dem Regisseur resümiert Lowtzow ermüdet:  »So hart hab ich schon lange nicht mehr gearbeitet.«

Sendetermine auf Arte:

Heute, Dienstag, 5. April 2011, 1.30 Uhr und
Donnerstag, 7.  April 2011, 5.00 Uhr.

Nach der Erstsendung eine Woche lang als Stream im Internet.

 

Russell James – V2

Russell James, Emanuela, Necker Island, 2010
© Russell James



Russell James wurde von Victoria’s Secret beauftragt, auf der Karibikinsel Necker Island die neue Kollektion ins passende Bild zu setzen. Er nutzte den Aufenthalt mit den acht Top-Models noch für eine Reihe von Aufnahmen, die jetzt unter dem Titel V2 in Buchform erschienen sind.

Die schönen Frauen sind:  Brooklyn Decker, Miranda Kerr, Candice Swanepoel, Erin Heatherton, Emanuela de Paula, Jarah Mariano, Rosie Huntington-Whiteley und Lindsay Ellingson. Die Berliner Galerie Camera Work zeigt eine kleine Auswahl der Bilder zum ersten Mal in Europa.

Neben der Serie V2 werden Arbeiten des Projekts Nomad – Two Worlds präsentiert. Es sind Collagen, die in Zusammenarbeit mit australischen Künstlern entstanden sind.

 



Russell James, Adriana Smoking, Los Angeles 2003
© Russell James



 

Russell James, Faith, Nashville, Tennessee, 2008
© Russell James



 

Russell James – V2
2. April – 7. Mai 2011
Camera Work Photogalerie GmbH
Kantstraße 149
D- 10623 Berlin
Tel.:  +49 (0) 30 / 31 00 77- 3
Fax:  +49 (0) 30 / 31 00 77- 50
http://www.camerawork.de

 



Joe Dallesandro

Kino-Aushang für den Film Flesh (USA 1968).
© Deutsche Kinemathek-Museum für Film und Fernsehen

 


Kino-Aushang für den Film Trash, Deutschland 1971 (USA 1970).
©  Deutsche Kinemathek-Museum für Film und Fernsehen

 




Die Ausstellung Joe Dallesandro – Superstar präsentiert im Rahmen der Triennale der Photographie vom 1. April bis 22. Mai 2011 in Hamburg Photographien, Filmplakate und Standfotos aus den zahlreichen Filmen. Die Ausstellung im Haus der Photographie in den Deichtorhallen wird begleitet von einer Filmreihe im Kino Metropolis.

Joe Dallesandro.  – Er ist der hustle in Lou Reeds Song Walk on the Wild Side von 1972. Männliche Ikone und geschlechtersprengender Superstar made in the Factory des Andy Warhol. Der US-amerikanische Schauspieler wurde zum Sexsymbol der späten sechziger Jahre und der avantgardistischen Hippie- und Schwulenbewegung. Er verkörperte Underground und war das Emblem für eine Ästhetik des Arbeiters.

Als Höhepunkte seines Schaffens gelten die frühen Filme unter der Regie von Paul Morrissey, insbesondere die Triologie Flesh (1968), Trash (1970) und Heat (1972).


Joe Dallesandro fotografiert von Francesco Scavullo,  1968
© Francesco Scavullo Foundation/ The Motion Picture Group Inc.

 




JOE DALLESANDRO – SUPERSTAR Der Traummann der 70er Jahre
1.4. – 22.5.2011



Deichtorstr. 1-2
D-20095 Hamburg
Telephon:             +49 (0) 40-321030
Telefax: +49 (0) 40-32103-230

mail(at)deichtorhallen.de

 


Helmut Kolle – Ein deutscher Maler-Dandy in Paris

Helmut Kolle, Selbstbildnis im Frack, 1931

 

 


Helmut Kolle – Ein Deutscher in Paris.
Hrsg. von Ingrid Mössinger und Thomas Bauer-Friedrich, Edition Minerva, München 2010, 298 Seiten, fast 200 Abbildungen, 24 mal 32 Zentimeter, gedruckt auf 135 Gramm-Papier, Museumspreis: 32 Euro.


Perioden gesellschaftlicher Umbrüche und ökonomischer Krisen sind stets auch Hoch-Phasen in der Kunst. Nicht nur entstehen Kunstwerke großer Qualität. Die Gegenwart verlangt daneben eine Rückbesinnung auf das Wahre, Gute und Schöne aus vergangener Zeit. So ist es kein Zufall, dass gerade jetzt eine furiose Ausstellung der Kunstsammlungen Chemnitz (noch bis zum 1. Mai 2011) den deutschen Maler Helmut Kolle zurück ins deutsche Bewusstsein holt.  Der begleitende Katalog aus dem Verlag Edition Minerva ist die erste umfassende Monographie zum Maler.

Kolle wurde 1899 im heutigen Berlin-Charlottenburg geboren. Er war Sohn des bekannten Bakteriologen Wilhelm Kolle, was mit jeder seiner neuen Berufungen einen Ortswechsel mit sich zog. So lebte die Familie zwischen 1906 und 1917 in Bern, um 1917 nach Frankfurt am Main zu ziehen. Zu dieser Zeit lernte Helmut Kolle den 25 Jahre älteren Schriftsteller Wilhelm Uhde kennen. Die beiden wurden ein Paar, und Uhde förderte Kolle nach Möglichkeit. Uhde hatte nicht nur Einfluss auf Kolles künstlerisches Talent, auf seine ästhetischen Ansichten und seinen Stil. Er setzte sich auch dafür ein, dass Kolle in namhaften Galerien ausstellen konnte und positive Besprechungen bekam.

Bekannte Dandys säumen den kurzen Lebensweg des brillanten Malers. Kolles erste literarische Versuche erschienen 1920 in der ersten und einzigen Ausgabe der Zeitschrift Die Freude: neben sechs Gedichten einige Rezensionen. In derselben Zeitschrift wurden Erinnerungen an Hermann Bang gedruckt. 1924 publizierte der Flaneur Franz Hessel in seiner Monatsschrift Vers und Prosa Kolles autobiographischen Text  Peer. Briefe eines Malers: Es ist eine poetische Träumerei, eine Schwelgerei, in der Peer das Ideal-Schöne verkörpert und symbolisiert. Der Hymnus an den schönen Jungen endet mit den Worten: »Nie mehr gehe ich Dich unter den Menschen suchen. Du wirst eine rosa Wolke sein über dem Arc de Triomphe – die seltsame Quader von hellem Braun im alten Gestein – der letzte Ton auf meiner Palette, wenn ich gestorben bin.«

Dieses anzustrebende ästhetische Ideal droht Kolle wie Sand durch die Finger zu rinnen, ist er doch chronisch krank. Im ersten Lebensjahr erleidet er eine schwere Lungen- und Blinddarmentzündung, deren Folgen in Schüben ihn sein gesamtes Leben lang begleiten sollen. So ist sein Œuvre, wie das anderer genialischer Getriebener – man denkt unweigerlich an Marcel Proust – getragen von einer mangelnden körperlichen Leistungsfähigkeit und dem Bewusstsein der Endlichkeit.

1924 gehen Kolle und Uhde nach Paris. Hier studiert der junge Maler mit deutschen Wurzeln in den Museen die französischen Klassiker. Außerdem schult er sein Auge an der damaligen Avantgarde, zuerst an Picasso und Braque. Nun wurde Kolle ungeheuer erfolgreich. Nicht nur erschienen in deutschen Zeitungen bewundernde Besprechungen. Uhde war es durch seine Bemühungen gelungen, für seine junge Muse renommierte Galerien für Ausstellungen zu gewinnen. Ästhetisch bewusste Sammler sorgten für einen grandiosen Verkauf seiner Bilder. Kolle gelang es, in der europäischen Kulturmetropole die deutsche Enge abzustreifen. Von seinem dandyesken Vexierspiel zeugt Kolles Lust, in Gesprächen seine Vita phantasiereich auszuschmücken. So sind es nicht zufällig seine Selbstportraits, die am tiefsten anrühren. Sie spiegeln das körperliche Leiden ihres Schöpfers und scheinen umso intensiver zu werden, je schlechter es ihm geht.

Helmut Kolle starb am 17. November 1931 in Chantilly.

Die grandiose Ausstellung in Chemnitz präsentiert erstmalig in Deutschland einen umfangreichen Querschnitt aus Kolles Werk: Insgesamt 88 Einzelstücke zählen Schau und Katalogbuch, das eine eigene Würdigung verdient. Die beeindruckenden Gemälde werden in dem opulenten Bildband auf großformatigen Tafeln präsentiert. Eine Reihe von Textbeiträgen beleuchtet Kolles Werk, das in nur einem Jahrzehnt entstand, aus verschiedenen Blickwinkeln. Untersucht wird Kolles Schaffen im Kontext seiner zeitgenössischen Kunst im Paris der 1920er-Jahre. Ein eigener Beitrag widmet sich der Körpersprache in Kolles Bildern. Ein sehr aktuell ausgerichteter Aufsatz bringt das Œuvre in Zusammenhang mit der Männlichkeitsforschung. Philippe Chabert und Manja Wilkens beschäftigen sich in ihren Texten auch mit Wilhelm Uhde, ohne dessen tatkräftige und lange Unterstützung dieses brillante Werk wohl kaum entstanden wäre.

Eine herausragende Ausstellung, kongenial dokumentiert durch einen bibliophilen Katalog, die den deutschen Dandy in Paris zum ersten Mal in seinem Gesamt- Œuvre präsentiert. Leider ist sie danach nur noch im Ernst-Barlach-Haus in Hamburg zu sehen.



 

Helmut Kolle, Selbstbildnis, Hand im Nacken, 1930
Städel Museum Frankfurt am Main.

 



Helmut Kolle, Der Feuerwehrmann, um 1928/ 30

 

Helmut Kolle – Ein Deutscher in Paris
Chemnitz Museum Gunzenhauser

Stollberger Straße 2
09119 Chemnitz
Telephon:             (0371) 488 70 24
(noch bis zum 1. Mai 2011)

Ernst Barlach Haus
Stiftung Herrmann F. Reemtsma, Hamburg
(22. Mai bis  25. September 2011).

 

 

 

Ein abenteuerliches Herz – Ernst Jünger zum Geburtstag

Der Spiegel 4/ 1950 hob Ernst Jünger auf den Titel.
Thema: Der Traum von der Technik



Zum heutigen Geburtstag von Ernst Jünger (29. März 1895 – 17. Februar 1998) erinnert der DANDY-CLUB mit einer Rezension eines Sammelbandes aus dem umfangreichen Werk:

Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.), Ein abenteuerliches Herz. Ernst-Jünger-Lesebuch,
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2011, 429 Seiten, Paperback, 19,95 Euro.


Als Heinz Ludwig Arnold 1965 zum 70. Geburtstag Ernst Jüngers eine unautorisierte Festschrift herausgab, beschrieb er sich: »Nach Albert von Schirnding als secretarius bei Ernst Jünger.« Der Begriff secretarius stammte von seinem Auftraggeber und Mentor Ernst Jünger und bezeichnete eigentlich einen Geheimschreiber. Diese Position setzte intellektuelles Format und vor allem: persönliche Integrität und Loyalität voraus. Ernst Jünger hatte vor Arnold schon einige junge Männer in dieser Position und hielt an diesem Titel fest, als Arnold sich um sie bemühte. Faktisch war Arnold nichts anderes als ein Briefesortierer, der auch einmal den ein oder anderen Brief an einen jungen Leser beantworten durfte.

Nun zeichnet Arnold verantwortlich für die Herausgeberschaft eines Readers zu Ernst Jünger. Klett-Cotta wartet über ein Jahrzehnt nach dem Tod seines bedeutenden Autoren mit einem solchen Buch, das – zumindest zu Lebzeiten – wohl nicht in Jüngers Sinn gewesen wäre.

Heinz Ludwig Arnold suchte als Schüler Ende der 1950er Jahre den Kontakt zu dem von ihm glühend und naiv Bewunderten. Als Albert von Schirnding aus Zeitgründen die Stellung bei Jünger aufgab, bewarb sich Arnold darum, und Jünger stimmte zu. Arnold wurde von Jünger jeweils wochenweise eingesetzt, um Stapel von unerledigter Post zu sortieren, teils zu beantworten und letztlich zu archivieren. In den 1960er Jahren distanzierte sich Arnold von Jünger. Bereits als Student hatte er die Zeitschrift »Text + Kritik« gegründet, die sich hauptsächlich mit deutschen Schriftstellern der Gegenwart beschäftigt, mit denen Jünger nichts am Hut hatte. Arnolds Karriere war es nicht hinderlich, Nummern über Größen des bundesdeutschen Literaturbetriebs wie Grass und Böll zu machen. Jünger hingegen war in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg in der westdeutschen Literatur- und Kulturszene Persona non grata.

Bevor sich Arnold von seiner Vaterfigur öffentlich distanzierte, ließ er sich die Gründung seiner eigenen Literaturzeitschrift von engen Freunden Jüngers finanzieren, bei denen er aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit für Jünger ein Entrée hatte. 1990 war die deutsche Teilung passé, und damit legte sich auch der Hass auf Jünger. Arnold machte nun gleich zwei Bücher über Jünger: Eine Sondernummer seiner Zeitschrift widmet sich ausschließlich Ernst Jünger. Sie enthält nicht ein einziges Wort vom Herausgeber. Dafür schreibt er einen »Versuch über Ernst Jünger« (Untertitel): »Krieger, Waldgänger, Anarch«. Diese Broschüre beinhaltet auf ihren 36 Seiten zum großen Teil Zitate aus dem Werk Jüngers, die Arnold mit kommentierenden Sätzen zusammenmontiert. Dieselbe Technik wandte er bereits bei der Einleitung zu seiner Festschrift an, um die Jünger ihn nicht gebeten hatte.

Merkwürdig erscheint, dass Arnold in seiner Einleitung zum Reader »Ein abenteuerliches Herz – Ernst Jünger-Lesebuch« Tatsachen behauptet, die ihm Jünger erzählt hätte, die heute als nachweislich unwahr bekannt sind. So hätte Jünger mit anderen Nationalrevolutionären eine Lesung Thomas Manns 1930 im Berliner Beethovensaal gestört. Die Tochter Arnoldt Bronnens, der daran beteiligt gewesen sein soll, Barbara Bronnen und Dirk Heisserer haben in einem fulminanten Leserbrief in der FAZ klargestellt, dass diese Schilderung falsch ist und vor Unrichtigkeiten strotzt (FAZ vom 15.03.2011, Seite 19).

Art und Umfang der Zusammenstellung der Texte Jüngers in dem Sammelband mögen eine individuelle Geschmackssache sein. Problematisch ist ein solches Unterfangen per se. Ernst Jünger hat ein Dreivierteljahrhundert geschrieben und publiziert. Seine Bücher sind in sich geschlossene Kunstwerke, die grundsätzlich nicht gekürzt werden sollten oder nur teilweise wiedergegeben. Arnold betont zu seiner Auswahl, diese sei eine persönliche. »Ich wollte, entweder ganz oder in Auszügen, das aus Jüngers Werk zeigen, was ich nach wie vor für wesentlich und bedeutend halte, auch das, was mich persönlich anrührt.«

Sinnvoll wirkt, aus Jüngers Erstling »In Stahlgewittern« Passagen aus drei verschiedenen Fassungen zu präsentieren. So wird deutlich, dass der Frontkämpfer seine Kladden, die er stets bei sich führte, selbst lediglich als eine Art Steinbruch angesehen hat, aus dem ein späterer Text herauszuarbeiten sei. Einige kurze Passagen aus »Annäherungen – Drogen und Rausch« zu bringen, ist heikel, weil es sich bei dem umfangreichen Buch Jüngers von 1970 um einen Großessay handelt, den Jünger über verschiedene Zeiten geschrieben hat und der Drogen als Mittel der Bewusstseinserweiterung quasi als Rahmen wählt. Es geht darin auch um die Essenz verschiedener Kulturen, um Orient und Okzident und um die Zeit als ein das menschliche Leben bestimmender Faktor, der sich in geistigen Dimensionen auflöst. All dies erschließt sich dem Leser nur durch die Lektüre des gesamten Originalbuches, das der Verlag dankenswerterweise wieder aufgelegt hat. Das kann ein Reader natürlich nicht leisten. Ein weiteres Problem dieses Bandes ist, dass die einzelnen Texte nicht erläutert werden. Der Leser, der sich mit Ernst Jüngers Werk noch nicht eingehender beschäftigt hat, kennt nicht den Kontext der »Annäherungen«, die stete Suche Jüngers nach Bewusstseinserweiterung und Grenzerfahrungen, die in dieser Form ohne die vertrauensvolle Freundschaft mit Albert Hofmann, dem (Er-)Finder von LSD, nicht möglich gewesen wäre.

Welchen Sinn kann es haben, Auszüge aus der Friedenschrift von 1941/ 43 zu bringen, ohne zu erklären, in welchem historischen Zusammenhang diese »Aufforderung an die Jugend Europas« geschrieben worden ist?

 




Michael Triegel

Michael Triegel, Verwandlung der Götter, Cover des Ausstellungsbandes

 



Den Papst zu porträtieren ist heute eine Provokation. In Zeiten von Gebrauchskunst und einer Haribo-Gesellschaft müssen dem Maler Michael Triegel Attribute wie umstritten oder ambivalent angefügt werden.

Dabei lag es wohl mehr an Talent und Technik von Michael Triegel, die zu dem Auftrag des Bistums Regensburg führten. Triegel ist inspiriert von den Malern der italienischen Renaissance: Giovanni Bellini, Raffael, Leonardo, Pontormo und Bronzino, deren Namen die meisten nur noch aus der Produktwerbung kennen. Triegels Bilder sind die Gemälde zu den Texten von Botho Strauß. Er selbst sieht in ihnen eine »Sehnsucht nach dem Wunderbaren«. Dazu gehören die Auseinandersetzung mit dem Mythologischen, mit Religion und auch der Kirche. Viele seiner Bilder zeugen von der tiefen Suche und Sehnsucht nach Erlösung. Richard Hüttel hat die Ausstellung »Verwandlung der Götter« im Museum der bildenden Kunst Leipzig, die jüngst zuende gegangen ist, mit vorbereitet. Er schreibt in seiner Einführung in das ungewöhnliche Werk Michael Triegels: »Das Göttliche wird vermenschlicht, statt entrückter Distanz erlebt der Betrachter private Nähe. Die Ebenen der Realität geraten in Bewegung, kaleidoskopartig verschieben sich Motive und Zeiten.«

Lässt sich der Betrachter auf die Bilder Triegels ein, wird er von deren magischer Realität regelrecht in ihren Bann gezogen. Neben der ungeheuren Plastizität spielt dabei Triegels Technik eine Rolle, malt er doch nach eigener Aussage mit zwanzig Lasuren.

Michael Triegel wurde 1968 in Erfurt geboren.  An der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig studierte er Malerei und Grafik bei Arno Rink.  Später absolvierte er ein Aufbaustudium bei Ulrich Hachulla. Triegel setzt sich bewusst ab von dem heutigen Avantgarde-Begriff. In einem Interview sagte er:  »Heute wird immer noch dieser Avantgarde-Begriff bemüht. Dabei hat der sich doch längst totgelaufen. Diejenigen, die heute glauben, sie seien Avantgarde, deren Sachen hängen doch als erstes im Museum. Avantgarde heißt für mich etwas anderes, nämlich: das Überraschende, das nicht die Erwartungen der Institutionen bedient.«

Das großformatige Katalogbuch aus dem Münchner Hirmer Verlag dokumentiert nicht nur das Porträt von Benedikt XVI., sondern auch die anderen in Leipzig gezeigten Werke. Entstanden ist eine umfangreiche Monographie, die den ästhetischen und geistigen Zusammenhang von Triegels Werk veranschaulicht. Ausführliche Kommentare verdeutlichen Kontexte und Details und tragen damit zum Verstehen der Bilder bei.

Ein ungewöhnlicher Maler, dessen außergewöhnliches Œuvre heute noch gar nicht vollständig erfasst wird. Das großzügig gestaltete Buch hilft, sich auf Triegels Bilder einzulassen. Der Betrachter bekommt eine Ahnung davon, wie diese Kunst konstruktiv in die Zukunft weist, indem sie an eine der höchsten Epochen in der Kunstgeschichte anschließt.

Michael Triegel, Verwandlung der Götter, Katalog zur Ausstellung in Leipzig. Hirmer Verlag, München 2010. 220 Seiten mit 190 Farbabbildungen, Leinen mit Schutzumschlag, 39,90 Euro.


Auf Youtube gibt es ein Portrait von Michael Triegel der Leipziger Volkszeitung online:
http://www.youtube.com/watch?v=MZ98TQG54b4

Aiwasowski – Maler des Meeres

Iwan Konstantinowitsch Aiwasowski
Golf von Neapel in einer Mondnacht, 1842
Öl auf Leinwand, 91 x 142 cm
Aiwasowski-Galerie, Feodossija




Als sich im Herbst 1944 das Ende des Deutschen Reichs näherte, begann Ernst Jünger, einer der bedeutendsten Chronisten des 20. Jahrhunderts, die Lektüre eines Buches über Schiffbrüche.

Der Schiffbruch symbolisierte für den Schriftsteller vielerlei: Die Besatzung ist Meer und Wetter hilflos ausgesetzt. Das Schiff war für Jünger Symbol des Staatswesens. Die Besatzung ist das Volk. Die Launen des endlosen Wassers sind die für den Menschen unvorhersehbaren Launen der Götter. Am Mannschaftsgeist zeigt sich der kulturelle Stand eines Volkes: Hält es zusammen, ist es kameradschaftlich? Oder verfolgt jeder Einzelne egoistisch seine kurzfristigen Vorteile, ohne das große Ganze im Auge zu haben? Gerade in der jetzigen Zeit scheint dies keine unpassende Allegorie.

Der russische Maler Iwan Konstantinowitsch Aiwasowski (1817-1900) war einer der großen Darsteller von Schiffbrüchen, Meeresunwettern und Küstenlandschaften im 19. Jahrhundert. Dass er in der westlichen Welt kaum bekannt ist, ist wohl einzig dem Umstand verschuldet, dass Aiwasowski in einer kleinen Hafenstadt an der Krim zur Welt kam.

Durch frühe Kreide-Zeichnungen an Hauswände wurde ein Architekt auf ihn aufmerksam; später förderte ihn der Stadtkommandant. Aufgrund seines außergewöhnlichen Talents wurde der Siebzehnjährige von der Akademie der Künste in Sankt Petersburg aufgenommen.  Alexander Puschkin, Schöpfer der großen Dandy-Romans Eugen Onegin, war nicht die einzige Kultur-Größe Russlands, die ihm die Romantik nahe brachte. Als William Turner, der Lieblingsmaler des Ur-Dandys Beau Brummell, Aiwasowskis Gemälde Golf von Neapel in einer Mondnacht von 1842 sah, widmete er dem jungen Kollegen einige euphorische Verse auf Italienisch. Sie enden mit den Worten: »Deine Kunst ist groß und kraftvoll, weil ein Genius dich inspiriert.«


Iwan Konstantinowitsch Aiwasowski
Die neunte Woge, 1850
Öl auf Leinwand, 221 x 332 cm
Staatliches Russisches Museum, Sankt Petersburg

 



Zu Beginn seiner Karriere malte Aiwasowski hauptsächlich die ruhige See. Dann wurde er von der Marine beauftragt, Gemälde bedeutender Seeschlachten anzufertigen, was ihm zu Unrecht den Ruf eines Marinemalers eintrug. Später erhalten seine Gemälde eine stärkere spirituelle Dimension: Der Betrachter sieht, wie die Menschen mit den Naturgewalten kämpfen, in denen ihr Leben liegt. Gemälde von ruhigen Häfen ziehen den Betrachter in ihren Bann durch ein Licht, das andeutet, das Wetter war vor kurzem noch anders. In diesen Bildern der Ruhe liegt ungeheure Melancholie. Eine Beinahe-Sehnsucht, dieser Augenblick möge doch niemals vorübergehen. Ein Hauch von Erlösung.

Eine atemberaubende Ausstellung holt Aiwasowski nun erstmalig nach Europa: Das Bank Austria Kunstforum in Wien präsentiert noch bis zum 10. Juli 2011 insgesamt 51 Werke dieses russischen Ausnahmekünstlers. Diese Schau ist nur möglich geworden durch das Engagement einer ganzen Reihe von Sponsoren und Leihgebern, allen voran den beteiligten russischen Museen.

Das Katalogbuch aus dem Hause Hatje Cantz ist quasi die Krönung des Ganzen und bibliophiles Gedächtnis. Auf großzügigen Tafeln werden sämtliche ausgestellten Werke präsentiert. Dies ersetzt nicht den Besuch der Ausstellung, ist aber eine die Seele berührende Erinnerung. Überschaubare Essays führen ein in das Leben und Werk Aiwasowskis, erläutern die Emblematik des Schiffbruchs oder die Stellung des Malers in der Kunstgeschichte.

Diese hochkarätige Ausstellung ist aufgrund ihrer kulturellen Bedeutung ein fulminanter Beitrag zur Völkerverständigung.


Iwan Konstantinowitsch Aiwasowski
Nordseesturm, 1865
Öl auf Leinwand, 267 x 196 cm
Aiwasowski-Galerie, Feodossija



 

Iwan Konstantinowitsch Aiwasowski
Sinope. Die Nacht nach der Schlacht am 18. November 1853, 1853
Öl auf Leinwand, 220 x 331 cm
Zentrales Kriegsmarinemuseum, Sankt Petersburg

 



Iwan Konstantinowitsch Aiwasowski
Fotografie, um 1900

 

 






Aiwasowski – Maler des Meeres
Ausstellung der Bank Austria Kunstforum Wien
Freyung 8
1010 Wien

noch bis 10. Juli 2011


Katalog hrsg. von Lisa Kreil und Ingried Brugger, Hatje Cantz Verlag 2011. 176 Seiten 107 farbige Abbildungen auf Photopapier, gebunden mit Schutzumschlag, 39,80 Euro.


Bruno Ganz zum 70.





Der DANDY-CLUB gratuliert dem Schauspieler Brumo Ganz zum siebzigsten Geburtstag mit der so getauften Gaststättenrede: ein fulminanter Abgesang auf die Massen- und Konsumgesellschaft von heute.






Vive Le Football Libre by Karl Lagerfeld

Alou Diarra von Karl Lagerfeld
© FFF Nike/ Diarra/ Karl Lagerfeld 2011

 


Der US-amerikanische Sportartikel-Konzern Nike präsentiert die neue Mannschaftsbekleidung des französischen Fußballverbandes für Auswärtsspiele mit einem Photo von Karl Lagerfeld.

Auf dem Schwarz-Weiß-Photo ist Alou Diarra.

Die Zusammenarbeit des französischen Fußballverbandes mit Nike ist in eine großangelegte Kampagne mit dem Titel »Vive Le Football Libre« eingebunden. Das neue Design der Auswärtstrikots nimmt optische Merkmale der marinières auf. Das sind die traditionellen französischen Seemannshemden, die im 19. Jahrhundert aufkamen. Sie waren Teil der französischen Marine-Uniform und gelten heute als Emblem von französischer Kultur und französischen Freiheitswillen.

Sind sie gern böse, Thomas Bernhard?

Thomas Bernhard (1931-1989)
© Andrej Reiser/ Suhrkamp

 




»Sind Sie gern böse?« fragt Peter Hamm den cholerischen Schriftsteller Thomas Bernhard. Und der antwortet in ungekannter Offenheit. Er glaube ja – bis zu einem gewissen Grad. Bernhard erläutert gläsern seinen Gemütszustand: »Ich kann sicher sehr bös sein, ja, grausam bös. Ich kann’s nur nicht ausleben, austoben, nicht? Das erzeugt dann eine gewisse Verkrampfung und zeitweise über lange Perioden ein bestimmtes Unrecht, nicht?« Aber der Verstand sei es, der ihn daran hindere, wild um sich zu schlagen.

Diese und andere Outings erfährt der geneigte Bernhard-Leser nun in einem Interview, das der Suhrkamp Verlag zum erstenmal herausbringt. Bernhards Öffnung hat natürlich eine Vorgeschichte. Die erzählt der Schriftsteller und Literaturkritiker Peter Hamm in dem schmalen, bibliophilen Band. Im Winter 1976/ 77 plante der Suhrkamp Verlag ein Buch mit Aufsätzen über seinen inzwischen zum Star avancierten österreichischen Autoren. Da Hamm sich mehrmals emphatisch-positiv über Bernhards Werk geäußert hatte, hatte ihn Bernhard als Herausgeber des Sekundärbandes empfohlen.

Peter Hamm erzählt: »Um den Band nicht zu einem Gelehrtengrab mit Sekundärliteratur werden zu lassen, schlug ich Thomas Bernhard als Einleitung ein Gespräch mit ihm vor, dem er zu meiner leisen Verwunderung zustimmte. Am vereinbarten Tag unseres Gesprächs, in meiner Erinnerung war es ein eisiger Wintertag, fuhr uns Bernhard – ich hatte weibliche Verstärkung dabei – erst einmal, rasant wie wohl kein zweiter Automobilist unter den Literaten, zum Essen in ein abweisendes Gasthaus am hintersten Ende des Traunsees, das aus einer seiner frühen finsteren Erzählungen zu stammen schien.« Da das Essen für sie – die einzigen Gäste – schlecht und spärlich war, hielten sie sich hauptsächlich an den Wein. So war das Dreiergespann in heiterer Stimmung. Als sie wieder bei Bernhard zu Hause angekommen waren, ging das angeregte Gespräch zunächst weiter. Als Hamms Begleiterin dezent auf das Diktiergerät hinwies und damit sagen wollte, es könne ja nun mit dem eigentlichen Interview begonnen werden, war es bereits Mitternacht. So waren es wohl die Faktoren einer grundsätzlichen eingeschmeichelten Empathie für den Interviewer gepaart mit einer gewissen Menge Wein, die zu Bernhards Redseligkeit geführt haben.

Das macht dieses lange Gespräch so interessant. Anders als in vielen Gesprächen scheint der Autor von Frost hier beinahe erlöst zu sein, sich aussprechen zu können und nicht einem dandyesken vivre masqué fröhnen zu müssen.

So erfährt der Leser, dass Bernhard einmal für ganze drei Tage der sozialistischen Partei angehört hat. Bernhard berichtet von seinen ersten Leseerfahrungen und -prägungen. Beeindruckt sei er gewesen von dem Roman Schau heimwärts Engel des US-amerikanischen Dandys Tom Wolfe.

Die Welt sei selbst schuld, dass man sie nur in kurzen Bildern wahrnehmen könne, sagt Bernhard an einer Stelle. Dieses beeindruckende Gespräch lässt uns Thomas Bernhard zwei Jahrzehnte nach seinem Tod deutlicher sehen.

 




Thimas Bernhard/ Peter Hamm, Sind Sie gern böse?
Ein Nachtgespräch zwischen Thomas Bernhard und Peter Hamm im Hause Bernhard in Ohlsdorf 1977.
Suhrkamp Verlag Berlin 2011, 62 Seiten, Broschur, 14,90 Euro.