Der Spiegel 4/ 1950 hob Ernst Jünger auf den Titel.
Thema: Der Traum von der Technik
Zum heutigen Geburtstag von Ernst Jünger (29. März 1895 – 17. Februar 1998) erinnert der DANDY-CLUB mit einer Rezension eines Sammelbandes aus dem umfangreichen Werk:
Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.), Ein abenteuerliches Herz. Ernst-Jünger-Lesebuch,
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2011, 429 Seiten, Paperback, 19,95 Euro.
Als Heinz Ludwig Arnold 1965 zum 70. Geburtstag Ernst Jüngers eine unautorisierte Festschrift herausgab, beschrieb er sich: »Nach Albert von Schirnding als secretarius bei Ernst Jünger.« Der Begriff secretarius stammte von seinem Auftraggeber und Mentor Ernst Jünger und bezeichnete eigentlich einen Geheimschreiber. Diese Position setzte intellektuelles Format und vor allem: persönliche Integrität und Loyalität voraus. Ernst Jünger hatte vor Arnold schon einige junge Männer in dieser Position und hielt an diesem Titel fest, als Arnold sich um sie bemühte. Faktisch war Arnold nichts anderes als ein Briefesortierer, der auch einmal den ein oder anderen Brief an einen jungen Leser beantworten durfte.
Nun zeichnet Arnold verantwortlich für die Herausgeberschaft eines Readers zu Ernst Jünger. Klett-Cotta wartet über ein Jahrzehnt nach dem Tod seines bedeutenden Autoren mit einem solchen Buch, das – zumindest zu Lebzeiten – wohl nicht in Jüngers Sinn gewesen wäre.
Heinz Ludwig Arnold suchte als Schüler Ende der 1950er Jahre den Kontakt zu dem von ihm glühend und naiv Bewunderten. Als Albert von Schirnding aus Zeitgründen die Stellung bei Jünger aufgab, bewarb sich Arnold darum, und Jünger stimmte zu. Arnold wurde von Jünger jeweils wochenweise eingesetzt, um Stapel von unerledigter Post zu sortieren, teils zu beantworten und letztlich zu archivieren. In den 1960er Jahren distanzierte sich Arnold von Jünger. Bereits als Student hatte er die Zeitschrift »Text + Kritik« gegründet, die sich hauptsächlich mit deutschen Schriftstellern der Gegenwart beschäftigt, mit denen Jünger nichts am Hut hatte. Arnolds Karriere war es nicht hinderlich, Nummern über Größen des bundesdeutschen Literaturbetriebs wie Grass und Böll zu machen. Jünger hingegen war in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg in der westdeutschen Literatur- und Kulturszene Persona non grata.
Bevor sich Arnold von seiner Vaterfigur öffentlich distanzierte, ließ er sich die Gründung seiner eigenen Literaturzeitschrift von engen Freunden Jüngers finanzieren, bei denen er aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit für Jünger ein Entrée hatte. 1990 war die deutsche Teilung passé, und damit legte sich auch der Hass auf Jünger. Arnold machte nun gleich zwei Bücher über Jünger: Eine Sondernummer seiner Zeitschrift widmet sich ausschließlich Ernst Jünger. Sie enthält nicht ein einziges Wort vom Herausgeber. Dafür schreibt er einen »Versuch über Ernst Jünger« (Untertitel): »Krieger, Waldgänger, Anarch«. Diese Broschüre beinhaltet auf ihren 36 Seiten zum großen Teil Zitate aus dem Werk Jüngers, die Arnold mit kommentierenden Sätzen zusammenmontiert. Dieselbe Technik wandte er bereits bei der Einleitung zu seiner Festschrift an, um die Jünger ihn nicht gebeten hatte.
Merkwürdig erscheint, dass Arnold in seiner Einleitung zum Reader »Ein abenteuerliches Herz – Ernst Jünger-Lesebuch« Tatsachen behauptet, die ihm Jünger erzählt hätte, die heute als nachweislich unwahr bekannt sind. So hätte Jünger mit anderen Nationalrevolutionären eine Lesung Thomas Manns 1930 im Berliner Beethovensaal gestört. Die Tochter Arnoldt Bronnens, der daran beteiligt gewesen sein soll, Barbara Bronnen und Dirk Heisserer haben in einem fulminanten Leserbrief in der FAZ klargestellt, dass diese Schilderung falsch ist und vor Unrichtigkeiten strotzt (FAZ vom 15.03.2011, Seite 19).
Art und Umfang der Zusammenstellung der Texte Jüngers in dem Sammelband mögen eine individuelle Geschmackssache sein. Problematisch ist ein solches Unterfangen per se. Ernst Jünger hat ein Dreivierteljahrhundert geschrieben und publiziert. Seine Bücher sind in sich geschlossene Kunstwerke, die grundsätzlich nicht gekürzt werden sollten oder nur teilweise wiedergegeben. Arnold betont zu seiner Auswahl, diese sei eine persönliche. »Ich wollte, entweder ganz oder in Auszügen, das aus Jüngers Werk zeigen, was ich nach wie vor für wesentlich und bedeutend halte, auch das, was mich persönlich anrührt.«
Sinnvoll wirkt, aus Jüngers Erstling »In Stahlgewittern« Passagen aus drei verschiedenen Fassungen zu präsentieren. So wird deutlich, dass der Frontkämpfer seine Kladden, die er stets bei sich führte, selbst lediglich als eine Art Steinbruch angesehen hat, aus dem ein späterer Text herauszuarbeiten sei. Einige kurze Passagen aus »Annäherungen – Drogen und Rausch« zu bringen, ist heikel, weil es sich bei dem umfangreichen Buch Jüngers von 1970 um einen Großessay handelt, den Jünger über verschiedene Zeiten geschrieben hat und der Drogen als Mittel der Bewusstseinserweiterung quasi als Rahmen wählt. Es geht darin auch um die Essenz verschiedener Kulturen, um Orient und Okzident und um die Zeit als ein das menschliche Leben bestimmender Faktor, der sich in geistigen Dimensionen auflöst. All dies erschließt sich dem Leser nur durch die Lektüre des gesamten Originalbuches, das der Verlag dankenswerterweise wieder aufgelegt hat. Das kann ein Reader natürlich nicht leisten. Ein weiteres Problem dieses Bandes ist, dass die einzelnen Texte nicht erläutert werden. Der Leser, der sich mit Ernst Jüngers Werk noch nicht eingehender beschäftigt hat, kennt nicht den Kontext der »Annäherungen«, die stete Suche Jüngers nach Bewusstseinserweiterung und Grenzerfahrungen, die in dieser Form ohne die vertrauensvolle Freundschaft mit Albert Hofmann, dem (Er-)Finder von LSD, nicht möglich gewesen wäre.
Welchen Sinn kann es haben, Auszüge aus der Friedenschrift von 1941/ 43 zu bringen, ohne zu erklären, in welchem historischen Zusammenhang diese »Aufforderung an die Jugend Europas« geschrieben worden ist?
1 Kommentar
Höre heute erstmals (via Ernst Jünger- Freunde), daß es den Dandy-Club gibt. Der erste Eindruck, sprich die treffende Arnold Rezension, macht neugierig.
herzlich
Ihr Ingo Langner
keine website, aber einen wikipedia-Eintrag