100 Prozent Karl Lagerfeld am 25.11.2011 auf RTL

Karl Lagerfeld als Junge in Hamburg
Photo: RTL

 

Der Fernsehsender RTL bringt am 25. November 2011 um 23.00 Uhr eine Dokumentation über Karl Lagerfeld, wie das Modeblog styleranking bisher exklusiv berichtet.

Das schreibt der Sender in seiner Ankündigung:

‚Erlaubt ist, was gefällt und erlaubt ist, dass ich mache, was mir gefällt!‘ Alles, was sich über Karl Lagerfeld sagen lässt, hat er selbst irgendwo schon einmal besser gesagt. Doch eines ist klar – er zählt zu den bekanntesten Deutschen weltweit. Er ist der ÜBER-Designer, eine lebende Ikone, ein sich immer wieder neu erfindendes Genie, impulsgebend und wegweisend in den Bereichen Mode, Fotografie und Kunst – und das seit mehr als einem halben Jahrhundert. RTL porträtiert deshalb das extravagante Multitalent in einer weiteren Folge von ‚100 Prozent‘. Das aufschlussreiche Special zeigt Highlights aus dem Leben und der Karriere des Meisters: Von seiner Kindheit in Hamburg und Bad Bramstedt über die Anfangsjahre als Modelehrling in Paris, seine unzähligen Triumphe als international gefeierter Designer bis hin zu einmaligen Einblicken in Lagerfelds privates Leben als Teil der Pariser Bohème. Neben Freunden und Wegbegleitern geben hochkarätige internationale Stars ihrer Verehrung für die deutsche Modelegende Ausdruck: unter anderem Ex-Model und Première Dame Frankreichs Carla Bruni, die deutschen Topmodels Claudia Schiffer, Nadja Auermann und Toni Garrn, Hollywood-Star Diane Kruger, die Pop-Stars Kylie Minogue und Bill Kaulitz sowie der italienische Modezar Valentino.

Sendungsdetails
Beginn: 23:00 Uhr
Ende: 00:00 Uhr
Länge: 60 Minuten

 

The Hilton Brothers – Tyrants + Lederhosen

The Hilton Brothers, Eight, 2007
from the series: Andy Dandy
Mixed media
© The Hilton Brothers

 



Heute, 3. November 2011 eröffnet in der Galerie Catherine Houard in Paris die Ausstellung The Hilton Brothers – Tyrants + Lederhosen.

Die Hilton Brothers sind die Photographen Christopher Makos und Paul Solberg. Ihren Namen haben sie abgeleitet von den Hilton Sisters, die in den 1930er Jahren als Siamesische Zwillinge Varieté-Stars waren und von der Hotelerbin gleichen Namens.

Christopher Makos hat sich viel beschäftigt mit Ikonen des 20. Jahrhunderts wie Andy Warhol, Elizabeth Taylor, John Lennon und Man Ray. Im Jahr 2007 erstellte er die von Warhol inspirierte Serie Andy Dandy. Zur Ausstellung erscheint das gleichnamige Katalogbuch.. Es ist die erste Monographie der beiden Künstler, die sowohl das einzelne wie das Schaffen als Duo darstellt.

Ausstellung und Buch beginnen mit getrennten Sequenzen von jedem der Photographen, die von ihren Reisen nach Amerika,  Europa, in den Nahen Osten und nach Asien erzählen.



The Hilton Brothers
Christopher Makos and Paul Solberg
Montevideo, Uruguay, 2010
Photo: Lucia Ferreira



Christopher Makos, New York City, 2007
Archival pigment print
© Christopher Makos





Opening: November 3rd, 2011, 7 pm
Duration: November 4th, 2011 – January 21st, 2012
Book signing: November 4th, 2011, at 6 pm @ Colette, Paris


Barbey d’Aurevilly in memoriam

Jules Amédée Barbey d’Aurevilly (1808-1889)

 


Heute vor 203 Jahren wurde Jules Amédée Barbey d’Aurevilly (1808-1889) geboren. Er ist der erste Theoretiker des Dandytums und hat mit seiner polemischen Schrift Über das Dandytum und über George Brummell den ersten Dandy stilisiert und das heutige Bild dieses Sozialchatakters geformt.


Ein kleiner Auszug:

Das Dandytum ist beinahe so schwierig zu beschreiben wie zu definieren. Menschen, die n ur das Vordergründigste sehen, haben geglaubt, es sei vor allem die Kunst, sich gut anzuziehen, eine kühne und geglückte Diktatur in Sachen Putz und äußere Eleganz. Gewiß ist es das auch; aber es ist noch viel mehr. Das Dandytum ist eine ganze Art zu sein, und zwar nicht nur im Bereich des Sichtbaren. Es ist eine ganze aus Nuancen bestehende Art zu sein, wie man sie in alten und hochzivilisierten Gesellschaften findet, in denen die Komödieselten ist un dder anstand gerade noch über die Langeweile triumphiert.
(Über das Dandytum und über George Brummell. Matthes & Seitz Berlin Verlag, Übersetzung von Gernot Krämer.)



Brassai – Dubuffet: Graffiti

BRASSAÏ, Graffiti de la Série IX, Images primitives, 1933 – 1956
Silbergelatine Abzug, 39,5 x 29 cm
Courtesy Galerie Karsten Greve, Köln

 

 

Die Kölner Galerie Karsten Greve widmet zwei bedeutenden Künstlern des 20. Jahrhunderts eine Hommage – im Dialog: Graffiti. Brassaϊ und Jean Dubuffet nähern sich den Straßen von Paris wie einer prähistorischen Höhle, als Entdecker einer ungezähmten und anarchischen Gesellschaft, die sich unabhängig von jedweder ästhetischen Norm ausdrückt.

Die Galerie schreibt zur Schau, die noch bis zum 10. Dezember 2011 läuft:

»Ausgestattet mit seiner Fotokamera begann Brassaϊ (1899-1984) in den frühen 1930er Jahren die Kritzeleien, Bilder und Inschriften der Pariser an den Straßenmauern einzufangen und machte so eine verborgene und unerwartete Ausdrucksform sichtbar, die gleichwohl omnipräsent ist. Dubuffet (1901-1985) hingegen arbeitete die Materialität und Oberflächen des alltäglichen Lebens in seine Malerei, Zeichnung und druckgrafischen Werke ein. Er schuf eine Bildform, bei der die Materialität keinen Unterschied zwischen den Personen und ihrer städtischen Umgebung macht. Menschliche Figuren werden bevorzugt streng vertikal und von ihrer Umgebung abgesondert dargestellt an die Häuserwände gedrückt oder geklebt „wie Plakate, gerade so lebendig oder nicht die Graffiti, mit denen sie nahezu eins werden“ (Noël Arnaud 1961).«

 

 

 

JEAN DUBUFFET, Personnage, 1944
Tusche auf Papier, 26 x 21 cm
Courtesy Galerie Karsten Greve, Köln

 

 

BRASSAÏ – DUBUFFET

28. Oktober bis 10. Dezember 2011

Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher dreisprachiger Katalog.

 


Drususgasse 1-5, 50667 Köln
+49 (0)221 257 10 12
galerie.greve@t-online.de
www.galerie-karsten-greve.com
Öffnungszeiten: Di-Fr 10-18.30 Uhr, Sa 10-18 Uhr

 

 

 

 

Ernst Jünger als Pariser Dandy

Ernst Jünger mit Oberst Wildermuth auf dem Dach des Hotel Raphael während des Zweiten Weltkriegs in Paris
Photo: www.frankreich-sued.de

 



Tobias Wimbauer (Hrsg.): Ernst Jünger in Paris.
Ernst Jünger, Sophie Ravoux, die Burgunderszene und eine Hinrichtung. Eisenhut Verlag, Hagen-Berchem 2011, 136 Seiten, Broschur, 12,90 Euro.



Die so genannte Burgunder-Szene ist heute die bekannteste Stelle im mehrere tausend Seiten umfassenden Werk Ernst Jüngers. Jahrzehnte diente sie Jüngers Gegnern als Beweis für dessen Kälte, Herzlosigkeit oder gar Nähe zum Faschismus. Seit einigen Jahren ist eine Debatte in Gang geraten, die Ungeheures, Ungeahntes über diesen stilisierten Tagebucheintrag  zutage gefördert hat – und sicher noch weiter fördern wird.

Zu verdanken ist sie dem Jünger-Forscher und Publizisten Tobias Wimbauer, der in einem aufsehenerregenden Aufsatz im Jahr 2004 Hintergründe und Zusammenhänge zu Jüngers Schilderung recherchiert hat – und damit wohl einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der gesamten Jünger-Perzeption eingeleitet hat. Der Text ist nun mit dazugehörenden Ergänzungen selbständig in Buchform veröffentlicht worden.

Unter dem Datum des 27. Mai 1944 notiert der in Paris stationierte Jünger in seinem veröffentlichten – also stilisierten – Tagebuch:

»Alarme, Überfliegungen. Vom hohen Dache des Raphael sah ich zwei Mal in der Richtung von St. Germain gewaltige Sprengwolken aufsteigen, während Geschwader in großer Höhe davonflogen. Es handelt sich um Angriffe auf die Flußbrücken. Die Art und Aufeinanderfolge der gegen den Nachschub gerichteten Maßnahmen deutet auf einen feinen Kopf. Beim zweiten Male, bei Sonnenuntergang, hielt ich ein Glas Burgunder, in dem Erdbeeren schwammen, in der Hand. Die Stadt mit ihren roten Türmen und Kuppeln lag in gewaltiger Schönheit, gleich einem Blütenkelche, der zu tödlicher Befruchtung überflogen wird.«

Für Wimbauer ist die entscheidende Basis von Jüngers Schilderung dessen eigene Lebenssituation im Sommer 1944: Er hatte in Paris eine Liebesbeziehung zu Sophie Ravoux, einer verheirateten Kinderärztin. Süffisant ist nicht nur, dass Jünger sie im zur Veröffentlichung bestimmten Diarium immer wieder erwähnt – unter sieben verschiedenen Pseudonymen. Süffisant ist auch, dass die Geliebte von Jünger schwanger gewesen sein soll und das Kind abgetrieben haben soll. Aber damit nicht genug: Ihr Ehemann war Mitglied der Resistance! In der Einführung zum jüngst erschienenen Briefwechsel zwischen Jünger und Dolf Sternberger wird die Möglichkeit angedeutet, Jünger könne über Monsieur Ravoux Kontakt zur französischen Widerstandsbewegung gehabt haben.

Wirkliche Jünger-Kenner verwundert das nicht.

Wimbauer erläutert die literarischen Vorbilder der Burgunder-Szene. Das wichtigste ist wohl Jünger selbst, notiert er doch direkt am Vortag im Tagebuch, er müsse »die Maximen ändern«. Sein »moralisches Verhältnis« zu den Menschen sei auf Dauer zu anstrengend. Deshalb gelte es für ihn, stärker zum Beobachter zu werden und sich von den Ereignissen weniger in Besitz nehmen zu lassen. Es geht ihm also darum, eine dandyeske Haltung zu gewinnen.

So verwundert es nicht weiter, welches die literarischen Vorgänger sind, die offensichtlich Jüngers Beschreibung beeinflusst haben: Marcel Proust, Oscar Wilde, Balzac. Besonders beeindruckend ist die Parallelität zu einem Gespräch, das zwei Dandys im Paris des Ersten Weltkriegs führen in Prousts Roman Die wiedergefundene Zeit. In Oscar Wildes einzigem Roman Das Bildnis des Dorian Grey ist viel von Blütenkelchen, Wein und auch Burgunder die Rede. Es ist ein Roman, dessen Handlung quasi nur aus einem Gespräch zwischen drei Dandys besteht…

Noch viele Beispiele wären erwähnenswert. Wer sich für Ernst Jünger interessiert, kommt an diesem kleinen Büchlein ab sofort nicht vorbei. Ergänzt ist Wimbauers Aufsatz durch weitere Texte, die den Kontext vertiefen und den sichtbaren Horizont vergrößern. Denn dies herausragende Büchlein stellt wohl erst den Anfang dar.

 



Die Burgunder-Szene bei Harald Schmidt:

 

Eugène Atget – Vieux Paris in Rotterdam

Eugène Atget, Avenue de l’Observatoire, Paris 1926
© Eugène Atget/ George Eastman House

 

 

Das Niederländische Fotomuseum in Rotterdam präsentiert noch bis zum 8. Januar 2012 eine ambitionierte Ausstellung von Eugène Atget (1857 – 1927): Über 200 Werke, die zum größten Teil noch nie in den Niederlanden zu sehen waren, werden gezeigt.

Atgets Photos sind getragen von einer ganz eigenen Melancholie, hat es den Photokünstler doch an die verschwiegenen Stellen von Paris verschlagen, wo die Moderne noch nicht hingekommen war und Vergangenes rücksichtslos plattgemacht hat.

Über Eugène Atget brauchen wir keine weiteren Worte zu verlieren, gehört er doch zu den großen Photographen des 20. Jahrhunderts, insbesondere seine Paris-Bilder waren für Generationen von Photographen stilprägend. Also: Beim Holland-Besuch unbedingt mit ansehen! Es lohnt sich auch, extra für die Schau nach Rotterdam zu fahren.

 

 

Eugène Atget, Avenue des Gobelins, Paris 1926
© Eugène Atget /George Eastman House

 

 

 

Eugène Atget, Coin rue de Seine 1924
© Eugène Atget /George Eastman House

 

 

 

Eugène Atget, Les quais (hiver) 1923
© Eugène Atget /Musée Carnavalet, Roger-Viollet, Paris

 

 

Eugène Atget | Vieux Paris

24 September 2011 – 8 January 2012

Nederlands Fotomuseum
Wilhelminakade 332, 3072 AR Rotterdam
The Netherlands 

+31 (0)10 2030405
info@nederlandsfotomuseum.nl
http://www.nederlandsfotomuseum.nl

Opening hours:
Tue- Fri 10 a.m. -5 p.m., Sat & Sun 11a.m. – 5 p.m.

 

 

Veronica Falls – Beachy Head

Label der britischen Retroband Veronica Falls

 

 

Zum Erscheinen der Platte Beachy Head von Veronika Falls bringen wir das Video des gleichnamigen Titelsongs.
 
 

Bester Retro-Sound im Stil der anfänglichen 1960er!

 

Veronica Falls

 

 

 

Décors de Bordels

Margot im Salon des Bordells von Chabanais im Jahr 1900

 

 

Eine Verkaufs-Ausstellung in der Pariser Galerie au Bonheur du Jour von Nicole Canet präsentiert Photographien der Interieurs von französischen Bordellen aus der Zeit von 1860 bis 1946. Angeboten werden 150 Photographien, Zeichnungen, Gemälde und seltene Objekte von intimen Orten in Paris und den französischen Kolonien in Nordafrika.

Décors de Bordels
Entre intimité et exubérance
PARIS-PROVINCE
Afrique du Nord
1860-1946

EXPOSITION-VENTE du 26 octobre 2011 au 28 janvier 2012
EXHIBITION SALE: October 26 2011 – January 28 2012

Vernissage: Mardi, 25 octobre 2011 de 18h a 23h
Opening reception: Tuesday, October 25 2011 from 6pm to 11pm

 

Galerie au Bonheur du Jour – Nicole Canet
11 rue Chabanais – 75002 Paris
Tel: +33 (0)1 42965864
aubonheurdujour@curiositel.com
www.aubonheurdujour.net
Du mardi au samedi 14H30-19H30
tuesday to saturday 2:30 pm – 7:30 pm

 

 

Annette im Palais Oriental in Reims im Jahr 1925


 

Solange in der Rue Taitbout 56 im Jahr 1900

 


Al Pacino bekommt eigene Radio-Sendung für einen Tag

Das Film-Plakat zu Al Pacinos Wilde Salome, der auf der vergangenen Biennale lief

 

 

Der Hoolywood-Star und bekennende Oscar Wilde-Verehrer Al Pacino bekommt im nächsten Monat eine eigene Radio-Sendung. Noch mehr: Wie Agenturen berichten, darf er sogar den ganzen Sender BBC 4 übernehmen. Allerdings nur für einige Stunden.

 

Er kann dann mit Hörern sprechen und aus dem Nähkästchen plaudern. Pacino wird wohl die Gelegenheit nutzen und über sein derzeitiges Herzens-Projekt, den Film Wilde Salome, reden.  Pacino, der sich eingehend mit dem irischen Schriftsteller Oscar Wilde beschäftigt hat, sagte: „Ich sehe mich nicht so sehr als Regisseur, aber als Filmemacher. Ich habe meine Vorliebe für Filme entdeckt, in denen ich mich wälzen kann, die ich begreifen kann, während ich sie mache. Ich habe immer versucht die Dinge ein bisschen anders zu machen, das hat mich weitergebracht.“


Wilde Salome ist ein Dokumentar-Format, das auf einer Theater-Aufführung von Oscar Wildes Salomé beruht. Der Film lief im September 2011 beim Filmfestival in Venedig. Ein Deutschland-Start ist bislang noch nicht bekanntgegeben worden.

 

Die Siesta – Thierry Paquot

Delphin Enjolras, La sieste

 

Thierry Paquot, Die Kunst des Mittagsschlafs.
L.S.D. Verlag im Steidl Verlag, Göttingen 2011, 92 Seiten, Leineneinband, mit Lesebändchen
, 16 Euro.


»Die größten Ideen kommen auf Taubenfüßen daher«, schrieb Friedrich Nietzsche einmal. Die größten Neuerscheinungen der diesjährigen Frankfurter Buchmesse 2011, ist man geneigt, dieses philosophische Aperçu abzuwandeln,  kommen so nonchalant daher, dass ihre ungeheure Qualität auf den ersten Blick verborgen bleibt.

 

Thierry Paquot stellt in seiner kleinen Schrift L’Art de la sieste, die zum ersten Mal in Deutsch erscheint, die alte Sitte des Mittagsschlafs dem modernen Funktionszwang entgegen.

 

»Der Mittagsschlaf ist ein entscheidender Moment, um sich zu sammeln, nachzudenken, zu träumen, zu genießen – oder zu schlafen. Heilsamer Mittagsschlaf. Eine Ruhepause, die Entspannung bringt. Man hat sie oft mit klimatischen Gründen gerechtfertigt: Die Mittagshitze zwinge zur Passivität, treibe die Männer ins Café, um Domino zu spielen, einen Tee zu schlürfen und eine Wasserpfeife zu rauchen (…) Aber in Wirklichkeit handelt es sich um eine beinahe universelle Lebensart, die allen Gesellschaften gemeinsam ist, in denen die kapitalistische Ökonomie mit ihrer Rationalität (‚Time is Money!‘) noch nicht in jeden Winkel des Alltags vorgedrungen ist (…)«


Thierry Paquots kleiner Traktat ist von ungeheurer Sprengkraft. Zeigt er doch subversiv auf, wie der Mensch in der Moderne immer weiter versklavt wird und davon nichts mitbekommt. Oder mitbekommen  will. Der französische Philosoph legt dar, welches die wesentlichen Stationen waren, um für technischen Fortschritt und permanente Produktionssteigerungen dem Menschen seine Individualität zu rauben. Er zitiert den US-amerikanischen Historiker Lewis Mumford, nach dessen Auffassung die wichtigste Erfindung für den Beginn des technischen Zeitalters nicht die Dampfmaschine – sondern die Uhr gewesen sei. In den christlichen Städten habe sich im 13. und 14. Jahrhundert die mechanische Uhr durchgesetzt mit einer Glocke, die die volle Stunde schlug. Sie habe diszipliniert und zunehmend den menschlichen Tagesablauf bestimmt.

 

»Um das Jahr 1345 setzte sich in den herrschenden städtischen Klassen die Unterteilung einer Stunde in sechzig Minuten und einer Minute in sechzig Sekunden durch und löste damit die individuelle Zeit jedes Einzelnen ab. Diese war durch den Herzschlag, das Atmen, die Handlungen und so weiter bestimmt gewesen und wurde nun durch eine homogene und abstrakte Zeit ersetzt, die für alle gelten sollte.«


Paquot, Herausgeber der Zeitschrift Urbanisme, weiß, welche Folgen diese Disziplinierung hatte: Das Unvorhergesehene, das Überraschende wurde abgeschafft – wegrationalisiert.

 

Thierry Paquot ruft auf zur allgemeinen Siesta als einer Form eines Generalstreikes gegen eine so genannte Globalisierung, die jetzt den letzten – noch intakten -Winkel der Erde beherrschen will. Die Siesta erscheine bar dem von Zwängen beherrschten Alltagsdasein wie eine freie Zeit, eine Zeit, die tatsächlich nur einem selbst, dem Schläfer gehöre.

 

Paquot steht als Hochschullehrer selbst im beruflichen Stressalltag, weiß also wovon er spricht. Daher fordert er dezidiert dazu auf, jeder Einzelne solle sich nun der political correctness widersetzen und sich sein Recht auf seine mittägliche Ruhe nicht nehmen lassen.

 

»Jeder Mensch benötigt eine individuelle Menge an Schlaf, es ist jedem selbst überlassen, seine ideale Dauer nächtlicher Ruhe zu bestimmen, zu der am Tage als Nachschlag, als Schlemmerei der Mittagsschlaf hinzuzufügen ist.«


Ein Buch, wie es zur Zeit wohl nur in Frankreich entstehen konnte. Eine kleine Kulturgeschichte der Selbstbesinnung, der Ruhe und zugleich ein Denkanstoß für ein selbstbestimmtes Dasein. Die deutsche Erstausgabe ergänzte der Autor durch ein süffisantes Nachwort, in dem er die kurze Geschichte der Schrift schildert.

 

Furios!