Spleen nach Charles Baudelaire im Leipziger Westflügel

Spleen nach Charles Baudelaire im Leipziger Westflügel
Photo: Figurentheater Wilde & Vogel

 

 


Heute und morgen, den 16. Dezember 2011 läuft im Leipziger Westflügel die Inszenierung von Spleen nach späten Texten von Charles Baudelaire. Die Basis sind Baudelaires Gedichte in Prosa unter dem Titel Der Spleen von Paris. Es sind verdichtete Miniaturen, surrealistische Szenen, die meist in nur wenigen Zeilen die Absurdität des modernen Großstadtlebens zuspitzen.

 

Absicht des inszenierenden Figurentheaters Wilde & Vogel ist, dem Zuschauer eine kaleidoskopische Betrachtung zu ermöglichen: Der Spieler bedient sich Figuren und Musikinstrumenten und schafft damit eine spezifische Offenheit, in die die Texte von Kindern und Jugendlichen eingesprochen werden. So wollen die Künstler eine eigene Magie erschaffen, in der die »Imagination zwischen Akteuren, Material und Publikum, eine Folge von Bildern, die den Blick Baudelaires kontrapunktiert und sucht, ihn für eine Wahrnehmung von heute (…) öffnen«.

Figurentheater Wilde & Vogel (Leipzig/ Stuttgart) in Koproduktion mit dem FITZ! Zentrum für Figurentheater Stuttgart und dem Lindenfels Westflügel Leipzig.
Regie: Hendrik Mannes . Spiel und Ausstattung: Michael Vogel. Live-Musik: Charlotte Wilde. Stimmen: Jördis Barth, Julka Finger, Luana Goller, Lotta Hillert, Merlin Lando Dweezil Ben Müller, Luis Neuschäfer, Vincent Sudau. Aufnahmeleitung: Patrick Kukwa.

Kartenreservierungen unter service@westfluegel.de oder unter Telephon (0341) 26 09 00 6.

Westflügel

Holger Hof – Gottfried Benn

Holger Hofs Benn-Biographie bezieht erstmalig Benns Tagebuch-Kladden ein

 

 

 

Holger Hof, Gottfried Benn. Der Mann ohne Gedächtnis. Eine Biographie. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2011, 539 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Euro 26,95.

 

Gottfried Benn (1886-1956) ist ein Phänomen. Sein Werk und sein Leben scheinen unendlich weit auseinander zu liegen, ja beinahe gegensätzliche Pole zu sein. Einerseits gilt der Lyriker heute unangefochten als einer der bedeutendsten Dichter in deutscher Sprache des vergangenen Jahrhunderts. Vielen gilt er gar als der größte deutsche Sprachmagier des 20. Jahrhunderts überhaupt. Andererseits verlief sein Leben in trister Mediokrität. In Alltäglichem zwischen Arztpraxis und Stammkneipe.

Aber vielleicht ist genau dies das Geheimnis seiner schöpferischen Quelle.

Holger Hof legt nun eine Benn-Biographie vor, die zum ersten Mal die Tagebuchkladden des Dichters und bisher nicht berücksichtigte Briefe einbezieht. Wer hat sich nicht schon daran versucht, das Leben Benns zu Papier zu bringen? Unter den in der frühen Bundesrepublik erschienenen war 1957 das Büchlein von Thilo Koch um Ausgleich bemüht und suchte, einfache Verurteilungen zu vermeiden. Zum 50. Todestag Benns im Jahr 2006 erschienen gleich mehrere  Biographien. Sie alle stellen das Leben Benns dar, doch bleibt ihr Leser stets ein wenig ratlos zurück: Ist das jetzt die ganze Wahrheit?

Holger Hof gab bereits 2007 einen Bildband über Benn heraus. Er edierte den Briefwechsel Benns mit Ernst Jünger – eine Annäherung zweier Solitäre, die nicht gelingen sollte. Hof gilt mittlerweile als einer der besten Benn-Kenner. Der in Berlin lebende Autor nähert sich dem Phänomen Benn quasi mit einem Trick: Durch die minutiöse Einbeziehung von Benns Tagebuchkladden und Briefen ergibt sich eine Art  Strom der Bennschen Gedankenwelt. Folgerichtig beginnt Hofs Biographie nicht 1886, im Geburtsjahr des Dichters, sondern mit den Jahren 1943 bis 1945, Benns Zusammenbruch. Er erlebte in Berlin das Ende des Naziregimes, die Zerstörung seines hass-geliebten Berlins, das brutale Wüten der russischen Soldaten. Besonders tragisch war der Freitod seiner Frau Herta, die sich in Neuhaus, 60 Kilometer von Berlin entfernt evakuiert, umbrachte.

»Ich wünsche mir einen Zusammenbruch,,
einen moralischen oder körperlichen,
das wäre doch ein Wegweiser,
eine Grundlage für die Zukunft,
da könnte man Fuss fassen u. ginge
nicht mehr in die Irre.
«

Holger Hof gelingt durch die Symbiose seiner biographischen Schnur mit den täglichen Notizen Benns eine bislang ungekannte Deutlichkeit in der Zeichnung dieses schwierigen Menschen. Hof spekuliert weniger als andere Biographen oder ersetzt Unbekanntes durch eigene Interpretation. Vielmehr lässt er den Portraitierten selbst sprechen – oder schweigen. Und auch dies Schweigen ist beredt, wie die Monate des Unterganges des Deutschen Reiches bis zum September 1945 zeigen, als Benn seine Kladden geschlossen hielt. So setzt Hof diesen zersplitterten Gedichteschöpfer zusammen aus seinen eigenen Notaten: Was habe ich gedacht? Und die Notizen in den Kalendern wären nicht von Benn, wenn sie nicht auch Uhrzeiten, Preise oder andere Zahlen wie von einem Finanzbeamten dokumentierten.

Der Biograph zahlt allerdings einen Preis für seine Annäherung. Nicht nur verwendet er als Fundament seiner Lebensschilderung die Aufzeichnungen Benns. Auch benutzt er die Sprache Benns. Das macht das Buch leichter lesbar, bleibt man quasi in derselben Sprachmelodie. Zuweilen schleichen sich jedoch Sätze ein, bei denen man vergebens die Anführungszeichen sucht. Die Bennsche Melodie hat auf den Biographen abgefärbt.

Bei der insgesamt herausragenden Dichte und Qualität dieser Biographie jedoch ein leicht zu verzeihender Kotau vor dem Meister. Bisher ist es keiner Benn-Biographie vergleichbar gelungen, ein Gefühl davon zu vermitteln, wie dieser Soldat, Hautarzt, der Liebhaber und Biertrinker, der in seinem Leben doch auch mit wenig zufrieden war, wie dieser Mann aus seinem staubigen Dasein die Gedichte abgerungen hat. Vielleicht war es genau dieses bescheidene Leben in materieller Armut und ohne konstruierte Höhepunkte, das für Gottfried Benn die Bedingung war, zum genialischen Beobachter und Sprachgenie zu werden.

 

Heute Abend wird Holger Hof seine Biographie im Literarischen Colloquium Berlin vorstellen:
Moderation Jörg Magenau

Literarisches Colloquium Berlin
Am Sandwerder 5
14109 Berlin
Telephon: (030) 816 99 60
www.lcb.de

 

 



 

Chanel Paris-Bombay Métiers d’Art 2011/ 12 Show trailer

Still vom Chanel-Trailer der Bombey-Show

 

DANDY GOES MORGENLAND: Karl Lagerfeld hat in Bombey in der vergangenen Woche eine herausragende Präsentation für seine Chanel-Kollektion für Indien gemacht. Hier der offizielle Trailer, der absolut sehenswert ist.
Man achte auf den Likör, der mittels einer Modelleisenbahn seine Abnehmer erreicht (Photo).

 

 







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Pirelli Kalender 2012 by Mario Sorrento – Making Of




Das Making Of-Video des Pirelli Kalenders 2012 zeigt schöne Aufnahmen der Shots von Mario Sorrento auf Korsika im Mai 2011. Aesthetisch!

Eva Besnyö

Eva Besnyö, Starnberger Straße, 1931
© Eva Besnyö

 

 

Eva Besnyö 1910-2003. Budapest-Berlin-Amsterdam.
Ausstellung im Verborgenen Museum Berlin zu Gast in der Berlinischen Galerie.

Katalog zur Ausstellung im Hirmer Verlag, München 2011, 240 Seiten mit 180 Abbildungen, gebunden, 39,90 Euro.

 

Eva Besnyös Vater hatte ihr Talent als Photographin erkennt – und förderte es. Auch wenn er eigentlich gewollt hatte, dass seine Tochter studiert. Er schenkte ihr mit 19 Jahren die wegweisende Publikation Die Welt ist schön von Albert Renger-Patzsch und eine Rolleiflex. Diese heute legendäre zweiäugige Spiegelreflexkamera war gerade im Frühjahr desselben Jahres 1929 auf den Markt gekommen.

Die Photographie-Besessene junge Frau streifte durch ihre Heimatstadt Budapest und sah die Umgebung durch das Kameraauge: »Am Anfang war es das reine Vergnügen zu sehen, zu tun und sich zu freuen. Ich war total unvoreingenommen«, beschrieb sie Jahrzehnte später in einem Interview-Buch ihre anfängliche Einstellung.  Und weiter: »nun war ich dabei, die Stadt in einer Weise zu erfahren, und auszuprobieren, die völlig neu für mich war(…) Es spielte sich zwischen mir und der Kamera ab. Ich hatte nur ein Verlangen, eine gute Fotografin zu sein.« Ihre von damals erhaltenen Bilder zeugen von ihrem besonderen Blick: Das Alltägliche wird durch den beobachteten Moment und den gewählten Ausschnitt zu einem Stilleben der Metropole in der Moderne.

Eva Besnyö machte eine Ausbildung bei dem bekannten Photographen Józef Pécsi, die sie nach zwei Jahren mit der Gesellenprüfung beendet. Sie selbst hat ihre Lehrjahre mit dem Erwachen aus einem Traum verglichen. Anschließend geht sie nach Berlin, das sie für moderner und avantgardistischer hält als Paris, das ihrer Mutter lieber gewesen wäre. Hier volontiert sie zunächst bei dem Pressephotographen Peter Weller und macht sich anschließend selbständig. Dieser Schritt war für die junge Photographin nicht unproblematisch, hatte sie doch bisher rein intuitiv gearbeitet und konnte ihrer Eingebung folgen. Nun musste sie die Aufträge der Kunden erfüllen. Ihre zwei Jahre in der deutschen Hauptstadt nutzte die Photo-Künstlerin dennoch für die Entwicklung einer eigenständigen  Bildaesthetik, die zwar an der damals en voguen Stilrichtung des Neuen Sehens angelehnt schien. Dabei arbeitete sie ihren eigenen Stil heraus, der manchmal das Thema eigenwillig betont, Manchmal es auf ganz eigene Weise abstrahiert.

Doch sollten die politischen Ereignisse Eva Besnyö auch hier rasch einholen. Ihr Vater hatte den Namen Blumengrund abgelegt, um seine jüdische Herkunft zu verschleiern und in Bresnyö eingetauscht. Nun begann auch in Deutschland der Antisemitismus gewalttätig zu werden. So geht die aufstrebende Photographin im Oktober 1932 nach Amsterdam. In den Niederlanden wird sie in Künstlerkreise aufgenommen. Sie bekommt verschiedene Ausstellungen und wird durch die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse immer politischer. Im Amsterdamer Arbeiterviertel Jordaan kommt es im Juli 1934 wegen Lohnkürzungen zum Aufstand. Zusammen mit einem Photographen und einem Architekten bezieht sie zu dieser Zeit ein kleines Reihenhaus in der Keizersgracht. Sie selbst sagte über diese stürmische Zeit: »Wir waren alle links und Antifaschisten, Bohemiens und Freigeister.«

Eva Besnyö gehört zu einer Reihe herausragender Photographinnen, deren Bedeutung für die Photographie im 20. Jahrhundert immer stärker erkannt wird. Sie alle sind etwa zwischen 1895 und 1910 geboren und stammen zumeist aus assimilierten jüdischen Familien. Das Talent der Ungarin lag darin, den Dingen eine neue Sichtweise abzugewinnen, ohne in bereits vorgefundene Muster zu verfallen. So erschuf sie sich letztlich eine eigene aesthetische Welt – in Opposition zu den Zeitumständen, sowohl in Budapest wie auch später im braun werdenden Berlin oder im besetzten und vor Armut erstarrten Amsterdam.

 

 

Eva Besnyö, Selbstportrait, Berlin 1932
© Eva Besnyö

 

 

Die Ausstellung im Verborgenen Museum in der Berlinischen Galerie (noch bis zum 27. Februar 2012) ist die erste Retrospektive der Künstlerin mit vintage prints. Sie dokumentiert das bedeutende Werk einer enthusiastischen Photo-Aesthetin, die der Photographie insbesondere zu Beginn des vorigen Jahrhunderts eine völlig eigenständige Facette beisteuerte, auch wenn ihr Werk heute leider nur noch teilweise erhalten ist.

Das Katalogbuch zur Ausstellung dokumentiert die ausgestellten Werke zum Teil großformatig.  Hilfreich ist eine ausführliche Biographie. Ausführliche Essays verdeutlichen die Lebensumstände der engagierten Künstlerin, die ihr Schaffen diesen Bedingungen häufig abringen musste.

 

 

Eva Besnyö, Junge mit Cello-Balaton, 1931
© Eva Besnyö

 

 

Berlinische Galerie

Landesmuseum für Moderne
Kunst, Fotografie und Architektur
Stiftung Öffentlichen Rechts

Alte Jakobstraße 124-128
10969 Berlin

www.berlinischegalerie.de
bg(at)berlinischegalerie.de

Telephon +49 (0)30-789 02-600

 

 

 

Alexander Gnädinger – Karl Lagerfeld on Polaroid

Alexander Gnädinger, Karl Lagerfeld 2011
© Alexander Gnädinger 2011

 

 

Alexander Gnädinger, einer der bedeutendsten Photographen Deutschlands, hat dem DANDY-CLUB Photos zur Verfügung gestellt, die er von Karl Lagerfeld in dessen Pariser Atelier gemacht hat. Der in Berlin ansässige Photograph war vom Tagesspiegel beauftragt, ein Interview mit dem Modemacher und dem Bread-&-Butter-Chef Karl-Heinz Müller abzulichten. Nebenbei photographierte er Karl Lagerfeld auf Polaroid.

Danke an Alexander Gnädinger, die deutsche Vogue und den Tagesspiegel.

Alexander Gnädinger



 

Alexander Gnädinger, Karl Lagerfeld 2011
© Alexander Gnädinger 2011

 


Neapel und der Süden Italiens in alten Photographien

Giuseppe Incorpora, Kapuzinergruft in Palermo, um 1875
© Bayerische Staatsgemäldesammlungen/ Sammlung Siegert

 

Neapel und der Süden.
Fotografien 1846-1900. Sammlung Siegert.
Neue Pinakothek München.

 

Neapel und den Süden Italiens unvorbelastet zu betrachten, scheint kaum möglich. Zu sehr sind wir alle konditioniert durch die schön-kitschigen Bilder voller warmem Licht und gediegener Landschaft.

 

Einer, der erheblichen Anteil an der Prägung unserer Erwartungshaltung hat, ist Giorgio Sommer (1834-1914). Der in Frankfurt am Main geborene Photograph entdeckte in den 1850er Jahren Italien für sich und begann quasi zeitgleich mit dem Aufkommen der Photographie, die Region um Neapel – wie auch andere schöne Ecken Europas wie Griechenland und Malta – mit dem neuen Medium darzustellen. Dabei war es Sommers Anspruch von vorn herein nicht etwa, möglichst ‚objektive‘ Ansichten zu produzieren. Vielmehr wollte er von Beginn an solche Ansichten inszenieren, die sich gut verkaufen ließen und bei den Reisenden und Zuhausebleibenden gut ankommen.

 

Die Neue Pinakothek in München zeigt nun frühe Photos von Neapel und dem italienischen Süden aus der Sammlung von Dietmar Siegert (noch bis zum 26. Februar 2012). Die Schau bildet den Abschluss einer Reihe von Ausstellungen zur frühen Photographie in Italien aus dieser bedeutenden Sammlung, die 1996 mit Venedig begann, 1997 fortgesetzt wurde mit Florenz und 2005 mit Rom.

 

Aufschlussreich ist zu betrachten, dass bereits die ersten Photographen wie Sommer an ihren Objekten eine große Stilsicherheit besaßen und scheinbar genau im Kopf hatten, welche Bilder sie letztlich transportieren wollten. Hierzu passt, dass gerade der Deutsche ungeheuer geschäftstüchtig war. Intelligent pflegte er einen regen Austausch mit dem Deutschen Künstlerverein. Sein 1857 in Neapel gegründetes Atelier war alsbald das erfolgreichste der ganzen Stadt. Später hatte er allein in Neapel vier Photostudios. Aufgrund seiner dem damaligen Schönheitsideal entsprechenden Aufnahmen in teilweise großen Formaten bekam er viele Aufträge, die ihn weiter bekannt machten.

 

Geschickt inszeniert Sommer die landschaftlichen Attraktionen von Sorrent und Capri,

die berühmten Stätten der Antike wie Pompeji oder Agrigent. Dennoch war Sommers Blick nicht darauf beschränkt, hatte er doch auch ein Auge für den Alltag in den Metropolen wie auf dem Land. Besonders bedeutend sind seine Photos vom Ausbruch des Vesuvs am 26. April 1872, den Sommer in halbstündigen Abständen festhielt. Berühmt sind heute auch seine Aufnahmen von den Zerstörungen durch das Erdbeben in Ischia 1883.

 

Die Ausstellung zeigt weitere bedeutende Photographen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Italien. Roberto Rive, Calvert Richard Jones, Michele Amodio und Giacomo Brogi sind die Namen von ausgestellten Photokünstlern, die sich begierig der revolutionären Technik bedienten. Sie alle sind Pioniere dieser neuen Kunst und haben uns Werke hinterlassen, die heute ikonographischen Charakter haben.

 

Ausstellung und begleitendes Katalogbuch gewähren einen Einblick in längst untergegangene Lebenswelten und vergegenwärtigen uns zugleich den Hintergrund und das Herkommen unserer heutigen Seh-Gewohnheiten und Erwartungen. Insgesamt präsentiert die Ausstellung 120 Photographien von 20 Photographen aus dem Zeitraum zwischen 1846 und der Wende zum 20. Jahrhundert. Es ist eine besonders spannende Epoche, breitete sich doch jetzt die Photographie im Süden Italiens aus und zog immer weitere Photographen aus ganz Europa an.

 

Der bibliophile Katalog ist ein gelungener Begleiter während und noch lange nach der Ausstellung: Alle präsentierten Werke sind mit einem kurzen Text erläutert und auf Photopapier abgebildet. Die Photographen werden portraitiert – und auch ein Literaturverzeichnis lässt das schöne Buch nicht vermissen.

 

 

Giorgio Sommer, Fassaden in S. Lucia, Neapel, um 1878
© Bayerische Staatsgemäldesammlungen/ Sammlung Siegert

 

 

 

Giorgio Sommer, Si traduce il frances, um 1868
© Bayerische Staatsgemäldesammlungen/ Sammlung Siegert

 

 


Bayerische Staatsgemäldesammlungen
Kunstareal München
Barer Straße 29
Eingang Theresienstraße
D-80333 München
T 089 23805 0

 

Der Katalog zur Ausstellung erschien im
Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2011, 192 Seiten mit 129 teils großformatigen Abbildungen in Duplex, 11-farbig, gebunden mit Schutzumschlag, 39,80 Euro.


Renoviertes Grab Oscar Wildes enthüllt

Oscar Wilde (1854-1900)

 

 

Heute, am 111. Todestag des irischen Schriftstellers und bekanntesten Dandys des 19. Jahrhunderts, Oscar Wilde, hat sein einziger Enkel, Merlin Holland, das renovierte Grab auf dem Pariser Friedhf Père Lachaise, der Öffentlichkeit übergeben.

Der Grabstein musste wegen der unendlich vielen Lippenstift-Abdrücke, die von Küssen seiner Fans stammen, restauriert werden. Das Fett der Lippenstifte habe den Stein angegriffen, heißt es.

Der 1945 geborene Merlin Holland ist Herausgeber bedeutender Bücher über seinen berühmten Großvater: Das Oscar-Wilde-Albun mit Photos, Zeichnungen und Dokumenten und Oscar Wilde im Kreuzverhör – Die erste vollständige Niederschrift des Queensberry-Prozesses gehören dazu.






100 Prozent Lagerfeld im Internet

100 Prozent Lagerfeld: Screenshot der RTL-Doku

 

Eine erfreuliche Nachricht: Man muss sich nicht vor’s Unterschichtenmedium hängen, um die RTL-Dokumentation über Karl Lagerfeld 100 Prozent Lagerfeld – Künstlerporträt sehen zu können. sie ist jetzt auch online:

100 Prozent Lagerfeld bei RTL


 

Dank an Dandyin annA!

Stefan George – Übertragungen

Stefan George (1868-1933)

 

 

 

Stefan George, Zeitgenössische Dichter, Übertragungen, Erster und Zweiter Teil, zugleich Sämtliche Werke in 18 Bänden, Band XV und XVI. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2011, gebunden in Leinen, 162 und 200 Seiten, jeweils 23 Euro.

 

Stefan George wird heute kaum noch gelesen. Und dennoch gehört er zu den bedeutendsten Dichtern in deutscher Sprache im 20. Jahrhundert. Seinen Namen kennen auch Leser, die nur Taschenbücher in Händen halten.

Das verdankt er seinem Zögling Claus Graf Schenk von Stauffenberg. In einer verheerenden Bombennacht in Berlin Nikolassee, schritt der spätere Hitler-Attentäter im Frühling 1944 auf den Balkon seines Hauses in der Tristanstraße und rezitierte Verse aus Georges Gedicht Der Widerchrist.

Ikonographie ist das Photo, das George mit Claus und Berthold von Stauffenberg 1924 zeigt: der Meister und seine Schüler des »Geheimen Deutschland«.

Weniger bekannt ist, dass 1933 die beiden Stauffenberg-Brüder bei Locarno die Totenwache für George hielten.

Nach dem gescheiterten Tötungsversuch an Hitler am 20. Juli 1944 wurde mit Claus Schenk von Stauffenberg im Bendlerblock auch der juristische Erbe Georges erschossen.

So beeinflusst der Geist Georges in tiefen Schichten noch heute die Kultur Deutschlands. Dass das so ist liegt auch an Georges Übertragungen zeitgenössischer Dichter, deren zwei Bände nun als Bände XV und XVI der Sämtlichen Werke bei Klett-Cotta erschienen sind. George selbst hatte nicht den Anspruch, Rossetti, Swinburne, Dowson, Jacobsen, Kloos, Verwey oder Verhaeren, die im ersten Buch enthalten sind, zu ‚übersetzen‘. Doch ist die Freiheit, die sich der Sprachmagier bei der Übertragung zubilligte, weitaus geringer, als oft behauptet wird.

Vergleicht man beispielsweise das Gedicht »Der Kuss« von Dante Gabriel Rossetti, so ist die Nähe zum englischen Original erstaunlich. Die erste Strophe lautet bei George:

Welch qualmend leid in tödlichem Verzug
Und welches tückevollen wechsels bann
Dem leib den ruhm · der seele rauben kann
Die hochzeitskleider die sie heute trug!

Das Original von Rossetti:

What smouldering senses in death’s sick delay
Or seizure of malign vicissitude
Can rob this body of honour, or denude
This soul of wedding-raiment worn to-day?

Aufgrund seiner ungeheuren Sprachmacht ist es George gelungen, das jeweilige Air der Sprachmelodie ins Deutsche zu transformieren – oder zumindest sichtbar werden zu lassen. Kann einem ‚Übersetzer‘ Größeres gelingen?

Ein Jahr nach der Veröffentlichung der beiden Bände der »Zeitgenössischen Dichter« veröffentlichte Alfred Kerr im Dezember 1905 in der Berliner Zeitung Der Tag eine hymnische Rezension. Sie trug lediglich die Überschrift »Übersetzungen« und war ein Lob von außergewöhnlichem Rang. Kerrs These war »Es gibt keine Übersetzungen.« Kerr übertrug seine These im Laufe seiner Besprechung dann auf die verschiedenen Übertragungen Georges: »Es gibt keine Übersetzungen. Doch wundervolle Kämpfe, diese Unmöglichkeit zu überbrücken. Hier ist der wundervollste seit langer Zeit.« Als wundervoll empfand Kerr auch Georges Baudelaire-Übertragung: »Es gibt keine Übersetzungen. Das fühlt man auch vor Baudelaire. Aber man möchte, dies vorausgeschickt, ihn heut von einem Kleineren nicht übertragen wissen als von George.«

Der zweite Band von »Zeitgenössische Dichter«, der als XVI. Band der Sämtlichen Werke von Stefan George in 18 Bänden bei Klett-Cotta erscheint, enthält Nachdichtungen von Verlaine, Mallarmé, Rimbaud, de Regnier, d’Annunzio und Rolicz-Lieder.

Dandys unter sich, ist man geneigt zu sagen und trifft damit ein wesentliches Element der hier versammelten Texte. Denn es ist die tiefe Bewunderung dieser Dichter, die George dazu trieb, sie auch in Deutschland zugänglich zu machen.

Unter den Schriftstellern, die er in Paris persönlich kennenlernte, hat ihn wohl Stéphane Mallarmé am stärksten beeindruckt. Mallarmé war seit den 1880er Jahren die maßgebliche Autorität des literarischen Paris. Er vermochte nach allgemeiner Auffassung am meisten aus der Sprache zu machen. Und sein Urteil über andere Dichter wog am schwersten. Stefan George sprach nicht zuletzt über seinen eigenen Wunsch entsprechend wahrgenommen zu werden, als er über den Bewunderten schrieb:

Deshalb o dichter nennen dich genossen und jünger so gerne meister
weil du am wenigsten nachgeahmt werden kannst
und doch so grosses über sie vermochtest.

Als George im Sommer 1889 Zutritt bekommt zu den legendären mardi, den dienstäglichen Salonabenden in Mallarmés Wohnung in der Rue de Rome, ist er gerade 21 Jahre alt und hat noch keine Zeile veröffentlicht. Ihn prägen die Zusammenkünfte nachhaltig. Es ist der gediegene Umgang Mallarmés, seine souveräne Ruhe und nonchalante Höflichkeit. Dazu passt sein geistiges Flanieren. Ein Stichwort genügte, und der Meister parlierte ausgehend von einer Zeitungsnotiz, einer Ausstellungseröffnung oder einem zuvor besuchten Konzert über vielerlei intellektuelle Abzweigungen durch geistige Labyrinthe. Die Klarheit seiner Gedanken soll die Gäste in ihren Bann gezogen haben. Sein deutscher Bewunderer lernte aber vor allem, dass Dichtung mehr als ein Handwerk ist. Es genügt nicht, Worte stilvoll aneinander zu reihen. Mallarmé zeigte ihm durch seine ganze Art Dichtung als Haltung. Der wahre Dichter ist ein Gesamtkunstwerk.

So kann es nicht verwundern, dass George in seinen zweiten Band der Zeitgenössischen Dichter unter nur drei Gedichten von Mallarmé die »Erscheinung« mit aufnimmt.

Der mond war in trauer und weinende engel im traum ·
Den bogen in ihren händen im blumigen raum ·
Im hauchenden · liessen aus den sterbenden saiten
Wie weisse seufzer auf azurne kelche gleiten.
Es war deines ersten kusses gesegneter tag.
Mein schwärmen quälte mich mit geisselndem schlag
Und tauchte mich weise unter im dufte der trauer
Der ohne nachgeschmack lässt und ohne bedauern
Das pflücken eines traums fürs herz das ihn pflückt.
Ich irrte das auge aufs alternde pflaster entrückt –
Da kamst du mit der sonne im haar auf den wegen
Und in dem abend auf einmal mir lächelnd entgegen.
Ich glaubte ich sähe die fee im strahlenhut
Die einst überm schlaf des verwöhnten kindes geruht

Mit halbverschlossenen händen vorübergleiten
Draus weisse sträusse von duftenden sternen schneiten.