Zum 140. Geburtstag des großen Dandys und Schöpfers eines der bedeutendsten Romane der französischen Literatur (Auf der Suche nach der verlorenen Zeit), Marcel Proust, erinnert der DANDY-CLUB mit einer kultigen Lesung eines Proust-Textes durch keinen Geringeren als Morrissey!
Marcel Proust wurde am 10. Juli 1871 in Auteuil geboren und starb nach langer Krankheit am 18. November 1922 in Paris.
Juli 11
Morrissey reads Proust
Juli 08
Nullportrait
Noé Sendas, Crystal Girl N°48, 2010
© Noé Sendas
Die Galerie Zink in Berlin zeigt eine Gruppenausstellung mit dem Namen ‚Nullportrait‘. Die Show wurde kuratiert von Anna Geuder. Präsentiert werden Arbeiten von Sofie Bird Moller, Thorsten Brinkmann, Rui Calçada Bastos, Gregory Forstner, Hippolyte Hentgen, Sabrina Jung, Yoshitomo Nara + Hiroshi Sugito, Fumie Sasabuchi, Albrecht Schnider, Dennis Scholl, Noé Sendas, Ante Timmermans, Veron Urdarianu, Rinus Van de Velde und Santiago Ydáñez.
Dauer: 9. Juli bis 13. August 2011
Galerie Zink
Juli 07
More Doctors Smoke Camels
Original US-Werbefilm für Camel-Zigarretten von 1949. Die Botschaft: Amerikanische Ärzte rauchen Camel mehr als jede andere Marke.
Juli 05
The Tale of a Fairy – A Film by Karl Lagerfeld
Screenshot aus A Tale of a Fairy –
A Film by Karl Lagerfeld
© Karl Lagerfeld/ Chanel 2011
Nun ist der Film endlich veröffentlicht. Nachdem Cineasten und Aestheten vor einem halben Jahr der Mund wässrig gemacht worden ist durch den gleichnamigen Trailer zu dem Film A Tale of a Fairy von Karl Lagerfeld ist der halbstündige Streifen nun online zu sehen. Allerdings nur auf der Seite von Chanel: A Tale of a Fairy.
‚You can have much more fun without me…‘
Models werden Schauspieler, Schauspieler sind Models… What is reality?
DANDY-CLUB Empfehlung: Fünf Dandys.
Juli 04
Wim Wenders – Places, strange and quiet
Wim Wnders, Street Corner in Butte , Montana, 2003
© Wenders Images
Wim Wenders, Places, strange and quiet. Gestaltet von Matt Watkins. 124 Seiten, 37 farbige Abbildungen und acht Klapptafeln, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2011, 24,80 Euro.
Nur einen Augenblick vorher
stand hier noch ein Mann mit einem Cowboyhut
und lehnte verloren
an der Straßenlaterne.
Wochen später traf ich in der Stadt einen Typen, der behauptete,
mit seinem Pick-up-Truck
eben diese Laterne gerammt zu haben.
Deswegen stünde sie seitdem schief …
Wim Wenders ist nicht nur einer der erfolgreichsten zeitgenössischen Filmemacher. – Er ist darüber hinaus Maler, Schriftsteller, Schauspieler und Photograph. Der 1946 in Düsseldorf geborene Multi-Künstler reist neugierig in der Welt herum, um für seine Filme zu recherchieren. Dabei sucht er stets die unbekannten Orte, die Plätze, die in keinem Reiseführer stehen. Die Plätze, die keiner mehr sehen will. Wim Wenders will gerade die verlassenen Orte sehen. Er will dorthin, wo das Leben vorüber gezogen ist. Dort, wo Vergangenes sich materialisiert.
Als Künstler nimmt Wim Wenders wahr. Er spielt bewusst den Gegenpart zum Touristen, der nicht anwesend ist, sondern nur dagewesen sein will. Dem Touristen ist nicht das Er-Spüren des jeweilgen Ortes wichtig. Er will nur daheim seinen Bekannten den photographischen Beweis seines Dagewesenseins präsentieren können. Der moderne Fachbegriff dafür lautet: Handy-Upload.
Dieser schön gestaltete kleine Photoband hat eine Ausstellung von Photographien Wim Wenders‘ in London begleitet. Die Photos sind im Original großformatig. Sie stammen aus dem Zeitraum zwischen 1983 und heute. Angereichert werden die beeindruckenden Werke durch kurze Gedichte vom Photo-Künstler. Sie unterstreichen das Schräge des Ortes, seine Verlebtheit oder auch die Dubiosität, dass sich hier überhaupt Menschen aufhalten.
Es sind zum Teil skurrile Aufnahmen. Sie zeigen ein Riesenrad in Armenien auf einem völlig verlassenen riesigen Areal. Oder den Berliner Palast der Republik in der Abbruchphase, wo von diesem nur noch die Treppenhäuser stehen. Besonders interessiert sich Wenders für die Absurdität der heutigen Vergnügungssucht: Ob Disneyland oder Strandliegen eines Hotels auf Straßenbelag. Obwohl nur wenige Meter daneben der natürliche Sandstrand ist.
In Interviews erzählt Wenders, er habe die Erfahrung gemacht, dass die Menschen gar nichts daran fänden, sich an solchen Orten aufzuhalten oder sich in ihrer so genannten Freizeit von Animateuren beschäftigen zu lassen.
Aufgrund seines Formates mit siebzehn mal zwanzig Zentimetern und den bibliophilen Klapptafeln eignet sich der Band gut als Mitbringsel für Ästheten.
Wim Wenders, Open-Air Screen
© Wenders Images
Wim Wenders, Cemetery in the City, Tokyo 2008
© Wenders Images
Juni 30
William Turner – Maler der Elemente
William Turner, Fischer auf See, 1796 ausgestellt
© London, Tate
Der Kunstkritiker William Hazlitt ließ in einem brüllenden Verriss 1816 kein gutes Haar an der Malerei von William Turner (1775-1851). Hazlitt ging vor allem auf das Ungeschiedene der Elemente bei Turner ein: »Dies sind Bilder der Elemente Luft, Erde und Wasser. Dem Künstler gefällt es, zum ersten Chaos der Welt zurückzugehen oder in jenen Zustand, als das Wasser vom Land, das Licht von der Dunkelheit getrennt wurde, aber noch nichts Lebendiges, kein fruchttragender Baum auf Erden zu sehen war.« Diese Analyse führte bei Hazlitt zu einem vernichtenden Urteil: »Alles ist ohne Formen und leer.«
Über ein Vierteljahrhundert später kam John Ruskin, einer der großen Lehrer und Mentoren von Oscar Wilde, zum gegenteiligen Ergebnis: Turners Darstellung des sturmgepeitschten Meeres in dem Bild Land’s End sei »nicht formlos, sondern voller Anzeichen von Charakter«. Gerade die Verschmelzung der Elemente sei es, was die Malerei Turners so einzigartig mache: »Es ist diese ungreifbare, unverbundene, jedoch immerwährende Form – diese Fülle der von der universellen Energie absorbierten charakteristischen Wesensmerkmale -, welche die Natur und Turner von allen ihren Nachahmern unterscheidet«, schreib Ruskin in seinem großen Buch über die Malerei seiner Zeit, Modern Painters.
William Turner, Land’s End, 1834/ 35
© London, Tate
Nun widmet sich eine groß angelegte Ausstellung im Bucerius Kunst Forum Hamburg Turners Elementen-Bildern. Dokumentiert ist sie in dem Begleitband aus dem Hirmer Verlag »William Turner – Maler der Elemente«. Im Klappentext des Bandes heißt es: »Die lebenslange Beobachtung der Natur verlieh ihm fundierte Kenntnisse über das Wirken ihrer Kräfte und profunde Einsicht in die kontinuierlich andauernde Verwandlung ihrer Substanzen.« Turners Vision der Elemente sei eng verknüpft mit den zeitgenössischen Forschungen.
Dies alles kling nett, bleibt aber leider substanzlos. Allein aufgrund von Beobachtungen konnte auch Turner keine »fundierten Kenntnisse« gewinnen. Die Aufteilung der Ausstellung in die vier Elemente plus einer fünften »Fusion« kann nicht recht erläutert werden.
Der Katalog enthält die Beiträge eines internationalen Symposiums zu William Turners Verschmelzung der Elemente. Inés Richter-Musso, eine von zwei Kuratorinnen der Schau, hielt einen Vortrag über die Feuer-Bilder Turners, der nun in dem Band abgedruckt ist: »Wie die sich stets wandelnden Wolken veranlasste auch das Feuer Turner, die Dynamik des Elements zu erforschen.« Ein Gemeinplatz.
In dem letzten Aufsatz des Bandes widmet sich Inés Richter-Musso der Fusion: »Turner unterwarf die Bildräume einem Wandel. Indem er seine Bilder aus dem Zentrum entwickelte, überwand er das Schema der getrennten Bildbereiche. Im späten Werk setzte er dafür das Kompositionsschema des Wirbels ein, der die Bildräume verschleift und in eine kreisende Dynamik einbindet (…) Diese bildnerische Fusion der Elemente entspricht den Wechselwirkungen in der Natur, die die zeitgenössische Wissenschaft beobachtete.« Dies ist es, was die Stärke der Ausstellung ausmacht. Tatsächlich hatte Turners Malerei von je her die Tendenz und das Bestreben, die Trennung der Elemente aufzuheben. Dies ist nicht erst auf das Spätwerk beschränkt, wie das Bild Land’s End ja zeigt. Man könnte auch sagen: Turner hat sich geweigert, an der Teilung der Elemente mitzuwirken.
Gleichzeitig bleibt die Ausstellung, so wie sie präsentiert wird, fragwürdig. Das Spätwerk William Turners wird auf Basis dieser ‚Elementen-Lehre‘gezeigt. Diese Sichtweise ist jedoch nicht ganz plausibel, versucht sie doch jedes Bild einer dieser Elemente-Schubladen zuzuordnen und läuft damit Gefahr, einzuengen. Die Fischer auf See, 1796 erstmalig ausgestellt, werden natürlich dem Element Wasser zugeordnet. Die Bilder der früheren Phase waren teilweise wesentlich gegenständlicher – und dabei atmosphärisch nicht ärmer.
Die Ausstellung ist noch bis zum 11. September 2011 im Bucerius Kunst Forum Hamburg zu sehen. Vom 1. Oktober 2011 bis zum 8. Januar wird sie in Krakau gastieren, um danach in der Turner Contemporary im englischen Küstenort Margate zu sehen zu sein.
William Turner, Neumond; oder „Ich habe mein Boot verloren, du sollst deinen Reifen nicht haben“
1840 ausgestellt
© London, Tate
William Turner, Selbstporträt, 1799
© London, Tate
William Turner, Maler der Elemente, Katalog zu den Ausstellungen im Bucerius Kunst Forum et al., Hirmer Verlag München 2011, 224 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 45 Euro.
www.buceriuskunstforum.de
Juni 29
D’Annunzio-Brief von 1926
Dieser handschriftliche Brief Gabriele d’Annunzios von 1926 kommt bei ebay-Italien zum Verkauf
Dieser Original-Brief von Gabriele d’Annunzio vom 14. Oktober 1926 wird bei ebay Italien für den Preis von 849,99 Euro angeboten. Er hat einen familiären Adressaten.
Das Angebot endet am 14. Juli 2011.
Hier die Adresse:
http://cgi.ebay.it/Autografo-Lettera-Gabriele-DAnnunzio-1926-/400225174210?pt=Autografi&hash=item5d2f4782c2
Juni 28
Léon Bloy – Sueur de Sang
Léon Bloy (1846-1917) im Jahr 1887
Der DANDY-CLUB stellt eine deutsche Erstübersetzung von Léon Bloy vor:
Léon Bloy, Blutschweiß (Sueur de Sang), aus dem Französischen, kommentiert und eingeleitet von Alexander Pschera. Mit Illustrationen von Heidi Sill. 294 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Euro 29,90.
Kein Leser kann Léon Bloy (1846-1917) vorwerfen, er sei nicht gewarnt worden.
In seiner Vorrede zu »Blutschweiß« (»Sueur de Sang«) stellt der französische Erz-Katholik klar, was sein Anliegen mit der Sammlung von Kurzgeschichten aus dem deutsch-französischen Krieg von 1870/ 71 ist:
»Frankreich ist derart das erste unter den Völkern, dass alle anderen, wer immer sie auch seien, sich glücklich schätzen dürfen, wenn es ihnen erlaubt ist, mit Frankreichs Hunden das Brot zu teilen.
Wenn Frankreich glücklich ist, ist der Rest der Welt ausreichend glücklich, selbst wenn er dieses Glück mit Knechtschaft oder Auslöschung erkaufen muss.
Aber wenn Frankreich leidet, dann ist es Gott, der leidet, dann ist es der schreckliche Gott, der für die ganze Welt agonisiert, indem er BLUT SCHWITZT.
Léon Bloy ist in Deutschland kaum bekannt. Die meisten Bücher sind nach wie vor nur mehr antiquarisch erhältlich. Alexander Pschera, der Sueur de Sang wunderbar und empfindsam ins Deutsche übertragen hat, hat sich in den vergangenen Jahren um den französischen Ausnahme-Schriftsteller und -Denker verdient gemacht. Neben einer Reihe von profunden Aufsätzen in verschiedenen Zeitschriften veröffentlichte er 2006 eine Studie über Bloy mit dem Titel: »Pilger des Absoluten«. Der 1964 geborene Pschera sieht in dem Choleriker mit katholisch-spirituellem Habitus eine mögliche Schlüsselfigur des Renouveau catholique. Besonders aufschlussreich sind in der kleinen Biographie die Nähen zwischen Bloy und einem anderen Aufräumer, der zur selben Zeit in Deutschland lebte: Friedrich Nietzsche.
Heißt es bei Nietzsche ‚Gott ist tot‘, so spricht sein französischer Bruder im Geiste von der Abwesenheit Gottes. So sieht Léon Bloy das brutale Gemetzel in diesem ungeheuren Krieg als Zeichen eines bevorstehenden Unterganges der Welt. Die Menschen hätten auch nichts anderes verdient. Ungläubige sind sie alle. Nicht wert, von Gott geschaffen worden zu sein, geschweige denn, von ihm geliebt zu werden.
Dies Buch, diese dreißig Kurzgeschichten, müssen bewusst gelesen werden. Oder gar nicht. Man versteht nichts, liest man lediglich die geschriebenen Worte, die Sätze. Die Erzählungen sind voller Ironie, – die den brüllenden Hass Bloys auf die Deutschen in ein anderes Licht stellt. Wahrlich ist dieser Hass von himmlischer Dimension. Und allein dieses Faktum hat etwas für sich. Wie erfrischend! Hier wird nicht mehr relativiert, nicht mehr in Schutz genommen oder abgewogen. Bloy erzählt süffisant, wie drei Franzosen viermal so viele Deutsche in einem von ihnen besetzten Haus ermorden. Sie schneiden ihnen die Kehle durch und servieren ihrem Vorgesetzten zwölf preußische Helme mit jeweils zwei Ohren darin.
Der Wahrheitsgehalt dieser dreißig kurzen Erzählungen kann nicht mehr überprüft werden. Vermutlich sind sie in ihrer Erzähldramaturgie mehr oder weniger erfunden. Dennoch war Léon Bloy im Krieg dabei und wird die geschilderten Situationen so oder so ähnlich erlebt haben. Bloy legt den Wert der Geschichten auf eine dahinter stehende Aussage: Es geht ihm um die Sichtbarmachung des göttlichen Plans. Dies spiegelt der Autor auch in seiner Sprache wider: Sie bildet einen Bogen aus himmlischer Verdammnis und grotesker Zuspitzung. Was meint Bloy noch ernst? Wenn er den deutschen Reichskanzler Bismarck zuerst als »gewöhnlichen Kurpfuscher« und als Lügner bezeichnet und sich dann nicht scheut, ihn als »mörderische Kakerlake« zu betiteln, – dann entbehrt dies nicht einer gewissen komischen Qualität.
Hervorzuheben bei der ersten deutschen Übersetzung von Sueur de Sang ist nicht nur die profunde Übertragung von Alexander Pschera. Auch seine Anmerkungen haben Substanz und sind eine wertvolle Unterstützung bei der Lektüre.
Noch vieles wäre erwähnenswert. So dass Léon Bloy eine Zeit lang der Sekretär von Barbey d’Aurevilly war, dass Huysmans seinen Protegierten Bloy mit einer kurzen Erwähnung in seiner Bibel des dandysme »Gegen den Strich« geadelt hat oder dass Carl Schmitt seinen Gesprächspartner Ernst Jünger während des Zweiten Weltkriegs auf Bloy aufmerksam gemacht hat. Bloy ist konsequenterweise zum Katholizismus konvertiert. Er steht damit in einer illustren Reihe: Genannt seien nur Oscar Wilde, Ernst Jünger und Markus Lüpertz.
Juni 27
Dieter Meier – Works 1969-2011
Erstmalig zeigt eine Ausstellung das vielfältige Werk des YELLO-Frontmannes und Multikünstlers Dieter Meier. Noch bis zum 11. September 2011 präsentieren die Deichtorhallen Hamburg das vielfältige Werk des Zürichers, der häufig als Dandy bezeichnet wird.
In den 1980-er Jahren wurde Meier einem großen Publikum als Teil des Musikduos YELLO bekannt, das heute zu den einflussreichsten Elektro-Pop-Acts überhaupt zählt. Darüber hinaus war Dieter Meier als Film- und Videoclip-Regisseur tätig. Seine Musikvideos für die Gruppe haben das Genre nachhaltig geprägt. Weit weniger bekannt ist das Werk Dieter Meiers als Konzept- und Performancekünstler, dessen Ursprung bis in die späten 1960er Jahre zurückreicht.
Mit seinem radikalen und absurd-humorvollen Situationismus, der ihn immer wieder zu Aktionen auf öffentlichen Plätzen und unmittelbaren Auseinandersetzungen mit Passanten inspirierte, begann Meier neue Freiräume zu erkunden. 1970 ging er für eine Ausstellung in München zwölf Stunden lang durch die Stadt und markierte mit gestempelten Uhren-Aufklebern jede Minute, wo er gegangen, gestanden oder ausgeruht hatte. Im Kunstmuseum Luzern stempelten Besucher an einer Stechuhr die Zeit ab, welche sie in einem leeren Raum verbracht hatten. Der Sinn sei gewesen, „(…) dass sie mir ein oder zwei Minuten ihres Lebens gewidmet haben“, sagt Meier. Im ICA London zeigte Meier einen Film mit der Anweisung, die Besucher mögen sich das weiße, große Blatt Papier, das sie an der Kasse bekommen hatten, jetzt bitte zehn Minuten lang vor die Augen halten. „Das war dann der Film“, sagt Meier.
In den Musikvideos von YELLO ist der Einfluß von Dieter Meiers frühen Arbeiten deutlich zu erkennen.
Vor einem Jahr öffnete Dieter Meier erstmals sein künstlerisches Archiv für die Ausstellung „En passant“ im Berliner Projektraum der Galerie Grieder Contemporary. Die teilweise verschollen geglaubten Fundstücke werden nun in der Ausstellung WORKS 1969 – 2011 AND THE YELLO YEARS präsentiert. Auf drei Stockwerken sind frühe Experimentalfilme zu sehen, Kunst-Konzept-Aktionen ab 1969 und großformatige Prints von Aktionen, unbekannte Serien mit Bice Curiger, die rätselhafte Objekte präsentiert, ein exzentrischer Film von Peter Sempel mit Archivmaterial, ungehörte Tonaufnahmen von Dieter Meier aus der Zeit vor YELLO und Probeaufnahmen für Videos.
Dieter Meier beschäftigt das Phänomen der Zeit: Seine Aktionen sind meist bürokratisch genau angekündigt und terminiert. Der scheinbaren Banalität und Unsinnigkeit vieler seiner Aktionen steht die gesteigerte Erwartungshaltung des Publikums gegenüber.
Dieter Meier wurde 1945 in Zürich geboren. Neben seiner Arbeit als Musiker und Künstler ist Dieter Meier Schriftsteller, Kinderbuchautor und Filmemacher (81’000 Einheiten, Jetzt und Alles, Lightmaker). Er war professioneller Pokerspieler, entwarf Uhren und betreibt in Argentinien biologische Landwirtschaft, Rinderzucht und Weinbau. Seine Produkte verkauft er in Deutschland, USA, der Schweiz und in seinem Laden für argentinische Produkte in Zürich.
Die Ausstellung ist nur mit einer Führung zu besichtigen. Vorherige Anmeldung obligatorisch.
Dieter Meier. This Man Will Not Shoot, 23.Februar 1971, 21.00 – 23.00, The New York Cultural Center, New York
© Dieter Meier / Courtesy Grieder Contemporary, Küsnacht/Zürich
Dieter Meier, Touch Yello
© Dieter Meier
Dieter Meier | Works 1969 – 2011
and The Yello Years
25. Juni – 11. September 2011
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Deichtorhallen Hamburg / Sammlung Falckenberg Phoenix-Hallen, Wilstorfer Str. 71 . D-21073 Hamburg Tel.:+49 (0)40 32506762 mail@deichtorhallen.de www.deichtorhallen.de |
Juni 24
Lagerfelds Nietzsche
Karl Lagerfeld plant zusammen mit seinem kongenialen Verleger Gerhard Steidl eine bibliophile und ästhetische Sensation: Die Herausfgabe des Gesamtwerkes von Friedrich Nietzsche. Wie das Fashion-Blog WWD meldet, soll die Ausgabe im Herbst 2012 bei Steidl in Göttingen erscheinen und auf 3.000 Exemplare limitiert sein. Sie soll zwölf Bände umfassen und Original-Manuskripte des ‚Pulverkopfes‘ (Ernst Jünger) enthalten.
Wir sind äußerst gespannt und werden weiter informieren!
Friedrich Nietzsche (1844-1900)
Friedrich Nietzsche: Was ist vornehm?
– Die Sorgfalt im Äußerlichsten, insofern diese Sorgfalt abgrenzt, fernhält, vor Verwechslung schützt.
– Der frivole Anschein in Wort, Kleidung, Haltung, mit dem eine stoische Härte und Selbstbezwingung sich vor aller unbescheidenen Neugierde schützt.
– Die langsame Gebärde, auch der langsame Blick. Es gibt nicht zu viel wertvolle Dinge: und diese kommen und wollen von selbst zu dem Wertvollen. Wir bewundern schwer.
– Das Ertragen der Armut und der Dürftigkeit, auch der Krankheit.
– Das Ausweichen vor kleinen Ehren, und Mißtrauen gegen jeden, welcher leicht lobt: denn der Lobende glaubt daran, daß er verstehe, was er lobe: verstehen aber – Balzac hat es verraten, dieser typisch Ehrgeizige – comprendre c’est égaler.
– Unser Zweifel an der Mitteilbarkeit des Herzens geht in die Tiefe; die Einsamkeit nicht als gewählt, sondern als gegeben.
– Die Überzeugung, daß man nur gegen seinesgleichen Pflichten hat, gegen die andern sich nach Gutdünken verhält: daß nur inter pares auf Gerechtigkeit zu hoffen (leider noch lange nicht zu rechnen) ist.
– Die Ironie gegen die „Begabten“, der Glaube an den Geburtsadel auch im Sittlichen.
– Immer sich als den fühlen, der Ehren zu vergeben hat: während nicht häufig sich jemand findet, der ihn ehren dürfte.
– Immer verkleidet: je höherer Art, um so mehr bedarf der Mensch des Inkognitos. Gott, wenn es einen gäbe, dürfte, schon aus Anstandsgründen, sich nur als Mensch in der Welt bezeigen.
– Die Fähigkeit zum otium, der unbedingten Überzeugung, daß ein Handwerk in jedem Sinne zwar nicht schändet, aber sicherlich entadelt. Nicht „Fleiß“ im bürgerlichen Sinne, wie hoch wir ihn auch zu ehren und zu Geltung zu bringen wissen, oder wie jene unersättlich gackernden Künstler, die es wie Hühner machen, gackern und Eier legen und wieder gackern.
– Wir beschützen die Künstler und Dichter und wer irgendworin Meister ist: aber als Wesen, die höherer Art sind als diese, welche nur etwas können, als die bloß „produktiven Menschen“, verwechseln wir uns nicht mit ihnen.
– Die Lust an den Formen; das In-Schutz-nehmen alles Förmlichen, die Überzeugung, daß Höflichkeit eine der großen Tugenden ist; das Mißtrauen gegen alle Arten des Sich-gehen-lassens, eingerechnet die Preß- und Denkfreiheit, weil unter ihnen der Geist bequem und tölpelhaft wird und die Glieder streckt.
– Das Wohlgefallen an den Frauen als an einer vielleicht kleineren, aber feineren und leichteren Art von Wesen. Welches Glück, Wesen zu begegnen, die immer Tanz und Torheit und Putz im Kopfe haben! Sie sind das Entzücken aller sehr gespannten und tiefen Mannsseelen gewesen, deren Leben mit großer Verantwortlichkeit beschwert ist.
– Das Wohlgefallen an den Fürsten und Priestern, weil sie den Glauben an eine Verschiedenheit der menschlichen Werte selbst noch in der Abschätzung der Vergangenheit zum mindesten symbolisch und im ganzen und großen sogar tatsächlich aufrechterhalten.
– Das Schweigen-können: aber darüber kein Wort vor Hörern.
– Das Ertragen langer Feindschaften: der Mangel an der leichten Versöhnlichkeit.
– Der Ekel am Demagogischen, an der „Aufklärung“, an der „Gemütlichkeit“, an der pöbelhaften Vertraulichkeit.
– Das Sammeln kostbarer Dinge, die Bedürfnisse einer hohen und wählerischen Seele; nichts gemein haben wollen. Seine Bücher, seine Landschaften.
– Wir lehnen uns gegen schlimme und gute Erfahrungen auf und verallgemeinern nicht so schnell. Der einzelne Fall: wie ironisch sind wir gegen den einzelnen Fall, wenn er den schlechten Geschmack hat, sich als Regel zu gebärden!
– Wir lieben das Naive und die Naiven, aber als Zuschauer und höhere Wesen; wir finden Faust ebenso naiv als sein Gretchen.
– Wir schätzen die Guten gering, als Herdentiere: wir wissen, wie unter den schlimmsten, bösartigsten, härtesten Menschen oft ein unschätzbarer Goldtropfen von Güte sich verborgen hält, welcher alle bloße Gutartigkeit der Milchseelen überwiegt.
– Wir halten einen Menschen unserer Art nicht widerlegt durch seine Laster noch durch seine Torheiten. Wir wissen, daß wir schwer erkennbar sind und daß wir alle Gründe haben, uns Vordergründe zu geben.
(Aus den Aufzeichnungen der 1880er Jahre.)