Karl Lagerfeld – Moderne Mythologie

Karl Lagerfeld, Moderne Mythologie, 2013
© 2013 Karl Lagerfeld

 

 

Karl Lagerfeld, Moderne Mythologie.
Ca. 38 x 30 cm, 96 Seiten, Steidl Verlag, Göttigen 2014, 48 Euro.

 

Im Jahr 2013 schuf Karl Lagerfeld eine Serie von Schwarz-Weiß-Photographien mit dem Titel Moderne Mythologie. Die Kunsthalle Hamburg zeigt sie gerade zusammen mit Bildern von Anselm Feuerbach (1829–1880). Auch der deutsche Maler, der nach Italien ging, um sich vom Licht des Mittelmeeres und der Architektur der Renaissance inspirieren zu lassen, schuf Werke zu Longus‘ Erzählung Daphnis und Chloë.

 

Diese Liebesgeschichte aus dem 2. Jahrhundert erzählt von zwei Hirtenkindern, die als Findelkinder getrennt voneinander aufgezogen werden, sich kennenlernen – und verlieben. Die romantische Geschichte hat Longus eingebettet in wunderschöne Landschafts- und Naturschilderungen.

 

 

Karl Lagerfeld, Moderne Mythologie, 2013
© 2013 Karl Lagerfeld

 

 

Zwei bibliophile Bücher begleiten die Ausstellung. Neben dem kleinen Band mit dem vollständigen Text und einigen Photos von Karl Lagerfeld schuf der vielseitige Künstler zusammen mit Gerhard Steidl einen großformatigen Photoband, der sich auf die Photos konzentriert und dazu nur kurze Ausschnitte von Daphnis und Chloë bringt.

 


Dies war nun ihre nächtliche Schule. Und als sie am folgenden Morgen mit den Herden auf den Weideplatz kamen und sich ansichtig wurden, küssten sie einander, was sie nie vorher getan hatten, und umfassten sich mit verschlungenen Armen; das dritte Mittel aber, das Auskleiden und Niederlegen, zögerte noch; denn es war zu dreist, nicht bloß für Jungfrauen, sondern auch für junge Ziegenhirten. Und die Nacht kam wieder, und Schlaflosigkeit mit ihr, und Sinnen über das Geschehene und Unmut über das Unterlassene.

 

 

Karl Lagerfeld, Moderne Mythologie, 2013
© 2013 Karl Lagerfeld

 

 


Heute weiß man kaum, wer dieser Longos eigentlich war. Seine Person ist ebenso mythenumschlungen wie seine Erzählung. Die inspirierte Künstler über die Jahrhunderte. Pierre Bonnard, François Boucher und Aristide Maillol interpretierten diese Quelle antiker Erotik und sinnlicher Schönheit auf je eigene Weise.

 

Karl Lagerfeld nun schafft eine aktuelle Adaption. Er sucht in seinen hoch-sensitiven Photos eine Form der Aktualisierung, die neugierig auf die Erzählung aus dem 2. Jahrhundert macht. In artifiziellen Kreisen ist Lagerfeld längst anerkannt als bedeutender Photo-Künstler. Und dabei ist er noch viel mehr: Stylist, Buch-Gestalter, Verleger, Sammler, Inspirator – last but not least der weltweit einflussreichste Deutsche. Die Zusammenarbeit mit Gerhard Steidl ist ein Geschenk für Bücher-Liebhaber, Sammler und Connaisseure.