Henri Focillon – Lob der Hand

Albrecht Dürer (1471-1528), Studie seiner Hände

 

 

 

Henri Focillon: Lob der Hand
Aus dem Französischen von Gritta Baerlocher.
48 Seiten, Leinen,
L.S.D. Verlag, Göttingen 2017, 12,80 €.

 

 

 

Unsere Hände führen alles aus, was wir tun. Dennoch widmet der Mensch fast ausschließlich seine Aufmerksamkeit den Sinnen. Der L.S.D- Verlag bringt nach 65 Jahren erstmals wieder die furiose kleine Schrift von Henri Focillon Lob der Hand.

 

 

 

»Seht, wie die Hände in Freiheit leben, ohne an ihre Funktion zu denken, ohne sie mit einem Geheimnis zu belasten«, schreibt der französisch-amerikanische Kunsthistoriker Henri Focillon in seinem fulminanten Essay über unsere Hände. Er erschien im Original erstmals 1934 und gilt heute als Beispiel für lebendig erzählte Kulturgeschichte wie klares Denken und eine fulminante Sprache.

 

 

 

Unsere Hände seien »beinahe beseelte Wesen«, liest man da und beginnt unwillkürlich sein bisheriges Verhältnis zu diesen beiden so ungeheuer wichtigen Körperteilen zu überdenken. Aber vielmehr ist es eigentlich die bisherige Ignoranz, die nun infrage gestellt wird. Haben wir unseren Händen zuvor die ihnen gebührende Aufmerksamkeit geschenkt?

 

 

 

Focillon lobt die Hände von Rembrandt, Gaugin und van Eyck. Ihre Hände hätten diesen Künstlern ihren Ausdruck verliehen. Zu Gaugin sagt Focillon: »An den Händen zieht ihn sein Schicksal in jene wilden Gegenden, wo noch die unbewegten Schichten der Jahrhunderte lagern, die Bretagne, Ozeanien.«

 

 

 

Unser Hände seinen weder blind noch stumm, schreibt Focillon und erzählt die Geschichte eines viele Jahre Erblindeten, der seine Hände zu einer derartigen Feinheit ausgebildet hat, dass er mit ihnen beinahe die Augen ersetzen konnte: Seine Hände konnten die feinsten Strukturen ertasten, und so war er in der Lage, sogar Gemälde durch Abtasten zu beschreiben.

 

 

 

Henri Focillon wurde 1881 in Dijon geboren und hatte vielschichtige kulturelle Interessen. Ursprünglich beschäftigte er sich ausschließlich mit der Moderne und wurde 1913 zum Professor für Moderne Geschichte an der Universität von Lyon berufen und gleichzeitig zum Direktor des Musée des Beaux-Arts ernannt. Focillons Dissertation über Piranesi war sehr einflussreich. 1925 wurde er an die Sorbonne berufen als Inhaber des Lehrstuhls für Mittelalterliche Archäologie. Hier prägte er eine ganze Generation von Wissenschaftlern. 1938 wurde er am Collège de France auf den Lehrstuhl für Ästhetik und Kunstgeschichte gewählt und nahm zugleich einen Lehrstuhl in Yale an. 1940 emigrierte er in die USA und wurde an die renommierte Universität von Harvard berufen. Focillon starb 1943 in New Haven, Connecticut.

 

 

 

Programmchef beim L.S.D. Verlag ist übrigens Karl Lagerfeld.

 

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