Patrick Macnee

Patrick Macnee und Linda Thorson.
Offizielles Pressebild für The Avengers von 1968

 

 

Mr. Steed ist noch geblieben

Doch kein Nachruf auf Patrick Macnee. Von Rainer Balks

 

Ich war noch zu jung, um mich für Emma Peel zu interessieren. Gut, vielleicht habe ich mich dann mit einsetzender Pubertät doch ein bisschen für sie zu interessieren begonnen — mehr aber auf jeden Fall für ihren Lotus Elan. Nein, es war eher John Steed, der mich mit meinen elf oder zwölf Jahren wirklich beeindruckte, und das mit jeder neuen Folge und jeder der zahlreichen Wiederholungen mehr.

 

 

Mr. John Steed trat in noblem Schwarz-Weiß in mein junges Leben. Und Farbe habe ich — auch wenn dann bald schon in Farbe produziert wurde — nicht vermisst, denn die am Revers seines Sakkos getragene Nelke leuchtete auch auf dem elterlichen Telefunkenfernseher in leuchtendem Rot. Überhaupt hätte Farbe mich gestört. Denn so, auf dem milchig flimmernden Bildschirm, wirkte es viel brillanter, wie der meist in dunklem Tuch gewandete Steed da lässig seinen Bowler aufsetzte und den Stockschirm schwang (beziehungsweise den darin versteckten Degen zog). Und wie er dann kaum merklich eine Augenbraue hochzog, ungläubig über die Unzivilisiertheit seiner Kontrahenten den Kopf schüttelnd.

 

 

Und wenn er dann sagte, „Mrs. Peel, wir werden gebraucht“, fühlte ich mich angesprochen. Cowboys oder Indianer oder Ritter waren nie wirkliche Vorbilder für mich gewesen, mal eine kurze Zeit lang höchstens, ohne mich aber nachhaltig prägen zu können. Andererseits stimmt schon, ein Erwachsenendasein mit Schirm, Charme und Melone konnte ich mir als Teenie selbstverständlich noch nicht im Entferntesten vorstellen, ich meine so ein Dasein als Gentleman, der mit feiner Ironie, mit väterlicher Warmherzigkeit, mit vornehmer Gelassenheit, gelegentlich auch mit aristokratischer Überheblichkeit wenn schon nicht als Agent gegen das Böse kämpft, so doch den Alltag meistert… Immerhin, jetzt, gut viereinhalb Jahrzehnte später sehe ich mich manchmal bei Begrüßungen oder Verabschiedungen die Finger an die steife Krempe meines Bowlers legen (im Geiste jedenfalls, da ich aufgrund meines Kopfumfanges von gut 61 Zentimetern leider etwas anpassungsfähigeren Kopfbedeckungen den Vorzug geben muss).

 

 

In diesem gerade vergangenen Juni starb nun… nein, nicht John Steed, sondern Patrick Macnee. Patrick Macnee war allerdings John Steed, vom Scheitel bis zur Sohle, durch und durch, mit Leib und Seele. So bezeugten es zunächst zwar nur mit ihm befreundete Schauspielkollegen, allen voran Sir Roger Moore. Später räumte Macnee auch selbst ein, sich mit der Rolle zu identifizieren, die er von 1961 bis 1969 in 161 Folgen, dann noch mal einmal 1976 und 1977 in weiteren 26 Folgen spielte. Beim deutschen Fernsehpublikum waren es aber die Staffeln 4 und 5 (produziert zwischen 1965 bis 1967, Staffel 5 dann in Farbe), die zum Fernsehkult wurden, bei vielen wegen Diana Rigg, die in diesen Folgen als Emma Peel auftrat, bei mir wegen John Steed, der im Duett mit Emma Peel zur Hochform auflief.

 

 

Ob der 1922 geborene und unter schwierigen Verhältnissen aufgewachsene Patrick Macnee nun erst durch die von ihm so grandios verkörperte Serienfigur des John Steed zum Gentleman geworden ist, mögen seine Biografen entscheiden. Jedenfalls hat das Schicksal ihm wohl gestattet, in Würde zu sterben: in seinem kalifornischen Haus im Beisein seines Sohnes. An seinem frischen Grab sehe ich einen aufrechten Herrn stehen, dessen behandschuhte Hand noch ein Schäufelchen Erde und eine rote Nelke auf den Sarg fallen lässt, bevor er sich — dabei seinen in der anderen Hand gehaltenen Bowler hebend — mit den Worten verabschiedet: „Mach’s gut, alter Freund!“

 

 

Für den Fernsehkritiker Oliver Kalkofe war John Steed der wichtigste und inspirierendste Held seiner Kindheit. Für mich ist er es bis heute geblieben.

© Rainer Balks 2015