Edward Quinn – Riviera Cocktail

© Edward Quinn Riviera Cocktail, Alfred Hitchcock presents Grace Kelly and Cary Grant,
the two stars of his film To Catch A Thief, Cannes 1954,
published by teNeues, www.teneues.com
Photo © edwardquinn.com

 

 

 

Edward Quinn, Riviera Cocktail, 50th Anniversary Edition, teNeues Verlag, Kempen 2012. 216 Seiten, Paperback, Euro 29,90.

 

Als der Dubliner Edward Quinn 1949 mit 29 Jahren an die Côte d’Azur kommt, hat er einiges hinter sich: Seiner irischen Heimatstadt, der Armut und dem launischen Wetter früh entflohen, ging er nach Belfast, wo er in einer Band Hawaii-Gitarre spielt. Einen deutschen Luftangriff überlebt er in einer Kirche. Kurze Zeit später nimmt auch er am Krieg teil: Als Funker für die Royal Air Force. Da er das Fliegen in lauten und unbequemen Propeller-Flugzeugen gewohnt ist, arbeitet er nach dem Krieg für Chartair und pendelt zwischen Afrika und Europa.

Aber er will etwas anders. Daher lässt er sich 1949 an der französischen Mittelmeerküste nieder. Angezogen von Eleganz und Beschaulichkeit mietet der junge Mann in Monaco-Ville ein kleines Apartment mit Blick auf den Fürstenpalast. Da das Geldverdienen als Musiker äußerst beschwerlich ist, versucht er es nun mit Photographie: Quinn leiht sich eine Kodak Retina und richtet sie auf die im Hafen von Monaco ankernden Kriegsschiffe. Dann verkauft er die Photos an die Besatzungen. Doch verdient er nichts, weil er Vergrößerungen anfertigen lassen muss. Der gewiefte Ire kommt auf die Idee, das zu photographieren, was wirklich Geld bringt: Celebrities.

Edward Quinns Glück ist, dass es zu Beginn der 1950er Jahre weder Model-Agenturen gibt noch so restriktive Bedingungen, die Stars zu photographieren, wie dann später seit den 1960ern. Er beginnt mit Strand-Schönheiten im Bikini, damals als Pin-Up-Girls bezeichnet. Die Bilder verkaufen sich hervorragend, und der junge Photograph bekommt immer mehr Aufträge.

Quinn arbeitet für Paris Match und Life. Da liegt es nahe, an die echten Stars heranzukommen und exklusives Material zu liefern. Er ist intelligent und einfühlsam. Und er hat Charme. Während des Filmfestivals von Cannes 1955 bittet Sophia Loreen zum Photo-Shooting in ihr Hotel-Zimmer. Er hat keine Lust auf dieselben Bilder wie seine Kollegen und schließt sich im Badezimmer ein. Als die Meute nach kurzer Zeit den Raum verlassen hat, kommt er heraus. Er entschuldigt sich charmant bei der Loreen mit der Bitte um einige Aufnahmen aus seiner Sicht. Dem Filmstar leuchtet das nicht nur ein.  Sophia Loreen hat die Hoffnung auf individuelle Aufnahmen – und wird von Quinn nicht enttäuscht.

Edward Quinns Erfolgsrezept war, sich individuellen Zugang zu Stars zu erbitten – und diese dann nicht bloßzustellen. Jeder der Prominenten wusste genau, dass Quinn niemals ein nachteiliges Photo  weitergeben würde. Und so wuchs das gegenseitige Vertrauen über die Jahre immer weiter.

1951 suchte Quinn Kontakt zu Picasso. Es war immer dieselbe Masche: Als sich alle Konkurrenten nach der Vernissage einer Keramik-Ausstellung in Vallauris verabschiedet hatten, ging er auf Picasso zu und fragte den berühmten Maler, ob er ihn mit seinen Kindern photographieren dürfe. Er durfte, und der Superstar-Maler war mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Dies war der Anfang einer Freundschaft, die bis zu Picassos Tod 1973 währen sollte. Der Verlag teNeues bringt in einer Jubiläums-Ausgabe des Bandes Riviera Cocktail auf über 200 großformatigen Seiten bedeutende Photos der damaligen Stars: Burt Lancaster, Luchino Visconti, Gina Lollobrigida, Manuel Fingio, Alfred Hitchkok – die Reihe ließe sich weit verlängern. Ein weiterer Schwerpunkt des Archivs, das seit dem Tod des Photo-Künstlers von dessen Witwe, Gret Quinn verwaltet und gehütet wird, sind die ungeheuer intimen Photos von Picasso.

Der spanische Maler und Ausnahme-Künstler hatte Gefallen an dem ungewöhnlichen Photographen gefunden. Daher akzeptierte er ihn oft in seiner Gegenwart: Quinn durfte anwesend sein und auch noch Photos machen. Heinz Bütler, neben Gret Quinn Herausgeber dieses bedeutenden Photo-Bandes, zitiert in seiner fulminant-informativen Einführung aus den Erinnerungen von Edward Quinn über seine Arbeit mit Picasso: »Sobald ich anfing zu fotografieren, konzentrierte sich Picasso auf seinen eigenen Ausdruck, als wolle er sich von seiner besten Seite zeigen. Nach wenigen Minuten war er dann bereits so beschäftigt oder in ein Gespräch vertieft, dass er mich völlig vergaß. Das war genau die Situation, die ich brauchte, um ungestellte und glaubwürdige Fotos von ihm zu machen. Dabei habe ich die Kamera wie einen Stift benutzt, der die vielfältigen Tätigkeiten Picassos in der ihm gewohnten Umgebung aufzeichnet.«

Neben 156 Duoton-Photographien bringt die 50th Anniversary Edition von teNeues den biographischen Essay von Heinz Bütler in Englisch, Deutsch, Spanisch, Französisch und Italienisch.

Der Band sollte in keiner Photobuch-Sammlung fehlen.

 

 

© Edward Quinn Riviera Cocktail, Pablo Picasso in his studio at La Californie, Cannes 1956,
published by teNeues, www.teneues.com
Photo © edwardquinn.com