Stefan George – Von Kultur und Göttern reden

Stefan George im Jahr 1910. Portrait von Jacob Hilsdorf

 

 

 

 

Stefan George: Von Kultur und Göttern reden.
Aus dem Nachlass. Ergänzungen zu Georges Sämtlichen Werken.
459 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Klett-Cotta Verlag 2018, 48 €.

 

 

 

 

Stefan George war einer der bedeutendsten deutschen Dichter des vorigen Jahrhunderts. 150 Jahre nach Georges Geburt und 85 Jahre nach seinem Tod werden nun Texte aus seinem Nachlass veröffentlicht. Ein nicht ganz ungewagtes Unterfangen.

 

 

 

Kaum ein Dichter in deutscher Sprache war derart ästhetisch anspruchsvoll und auf seine Wirkung bedacht wie der in Bingen am Rhein geborene Stefan George (1868-1933). Er zelebrierte seine Texte gern mit asketischer Geste vor gebildetem Publikum. Er versuchte gar eine eigene Sprache zu erschaffen, da ihm die deutsche in ihren Ausdrucksmöglichkeiten zu begrenzt erschien. Aber sein geistiger Anspruch ging noch weiter, schuf er um sich einen Kreis von jungen Männern, die sorgfältigst ausgewählt wurden und eine geistige Erneuerung Deutschlands herbeiführen sollten. Seinem Nachruhm konnte es nicht schaden, dass einer seiner talentiertesten Novizen, Claus Schenk Graf Stauffenberg, zwölf Jahre nach seinem Tod ein Attentat auf Hitler beging. Der Wehrmachtsoffizier soll bei seiner Hinrichtung am nächsten Tag ausgerufen haben: Es lebe das geheime Deutschland!, – was ein direkter Verweis auf das Geistige Deutschland Georges gewesen wäre.

 

 

 

Mindestens so wie seine Erscheinung machte Stefan George auch sein Werk zu einem maximal möglichen Kunstwerk. Er legte noch zu Lebzeiten fest, welche Texte in welcher Reihenfolge in seine Werkausgabe aufgenommen werden sollten. So erscheint es nicht ganz ohne Risiko, dass sich nun die Stefan George Stiftung und der Verlag Klett-Cotta entschlossen haben, einen die 18-bändige Werkausgabe ergänzenden Nachlass-Band zu publizieren.

 

 

 

Und der enthält – man muss es so sagen – wahrlich viel Belangloses. Die Schülerverse und frühen Dramen können wohl allenfalls als das bezeichnet werden, was sie sind: frühe, noch unreife Versuche. Man sollte sich jedoch vor vorschellen Urteilen hüten. Denn der Nachlass-Band bringt darüber hinaus »Notizen zur Literatur«, die George ebenfalls nicht veröffentlicht wissen wollte. Sie sind für die Forschung und für absolute Fans des Dichters ungeheuer wertvoll, weil sie Überlegungen und Motive enthalten, die dem Leser sonst unbekannt blieben. Daneben enthält das 460 Seiten starke gebundene Buch frühe Prosa, Aphorismen, Dramatik und Übertragungen, die George nicht für die Werkausgabe bestimmt hatte. Ergänzt wird der Band durch Einleitungen, Vor- und Nachreden aus den Blätter für die Kunst und den Anthologien Deutsche Dichtung. Diese kurzen Texte sind mithin bereits veröffentlicht worden, heute jedoch schwer zugänglich. Ihre Aufnahme ist sinnvoll, weil sie Georges Motivation verdeutlichen, – auch wenn nicht alle dieser Erläuterungen von ihm selbst stammen mögen.

 

 

 

Daher muss die Veröffentlichung dieser Nachlass-Texte begrüßt werden. Eine breitere Öffentlichkeit erhält so die Möglichkeit, auf SÄMTLICHE erhaltene Textfragmente Georges, die sich nicht in der Werkausgabe befinden, leicht zugreifen zu können. Das instruktive Nachwort von Ute Oelmann gibt einen Überblick über die bisherige Veröffentlichungspolitik.

 

 

 

Würde dieser Band helfen, Stefan George wieder stärker ins allgemeine Bewußtsein zu heben, wäre eine Menge erreicht.