Alexander Rubel – Ernst Jünger

Alexander Rubels Studie erschien bei Königshausen & Neumann

 

 

 

 

Alexander Rubel: Die Ordnung der Dinge.
Ernst Jüngers Autorschaft als transzendentale Sinnsuche.
199 Seiten, Paperback, Königshausen & Neumann 2018, 29,80 €.

 

 

 

Alexander Rubel untersucht in seinem Buch Die Ordnung der Dinge »Ernst Jüngers Autorschaft als transzendentale Sinnsuche« – so der Untertitel. Er will nachweisen, dass Jüngers gesamtes Werk von einer religiös-transzendentalen Bewältigung der Erfahrung des Ersten Weltkriegs bestimmt ist.

 

 

 

Seit dem Tod des 1895 geborenen Ernst Jünger im Jahre 1998 hat sich die Sicht auf den Schriftsteller, der beinahe das gesamte 20. Jahrhundert literarisch begleitet hat, grundlegend verändert. Galt er noch vor der Wiedervereinigung in der alten Bundesrepublik als »umstritten«, ist es heute geradezu en vogue, sich mit dem Dichter zu befassen, der zwischen 1922 und 1996 etwa 60 Bücher publizierte. Sein veröffentlichtes Tagebuch gehört zu den längsten der Literaturgeschichte.

 

 

 

Dass der Autor von In Stahlgewittern, der Widerstandsparabel Auf den Marmor-Klippen oder dem bedeutenden Tagebuch des Zweiten Weltkriegs Strahlungen heute zweifellos zum Kanon der besten deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts gehört, verdankt er wohl vor allem Büchern, die seit seinem 100. Geburtstag 1995 in stetig anwachsender Zahl über ihn und sein Werk erscheinen. Neben den beiden umfangreichen Biographien von Helmuth Kiesel und Heimo Schwilk (2007) seien hier exemplarisch als besonders gelungen zu nennen der von Alexander Pschera herausgegebene Sammelband Bunter Staub – Ernst Jünger im Gegenlicht und die Doppelbiographie Brüder unterm Sternenzelt – Friedrich Georg und Ernst Jünger von Jörg Magenau.

 

 

Alexander Rubel will in seiner Studie nachweisen, das Jüngers gesamtes Werk grundiert ist durch die Kriegserfahrung der Grabenkämpfe. Diese »Kontingenzerfahrung« (Dieses Wort benutzt Rubel häufig.) habe Jünger versucht, mittels seiner religiös-transzendentalen Sinnsuche zu verarbeiten: »Die Welt ist sinnvoll geordnet und das Handeln der Menschen darin folgt einem sinnvollen Plan, der sich nur wenigen Auserwählten – zu denen sich Jünger zählte – offenbart. Nur unter diesem Aspekt eines sinnvollen ‚Ordnungswissens‘, eines Daseins in einem geordneten Weltganzen, konnte Jünger die Tatsache verarbeiten und einordnen, dass die Opfer der Millionen Gefallenen des verlorenen Ersten Weltkriegs, oder der Tod des Sohnes im Zweiten Weltkrieg einen höheren Zweck gehabt haben müssen«, schreibt Rubel. In der Konsequenz verschließe sich Jünger einer Grunderkenntnis der Moderne: Dem Bewußtsein von Kontingenz.

 

 

 

Unbescheiden – wie Alexander Rubel selbst einräumt – untersucht er für seine Ausgangsthese das Gesamtwerk Jüngers, also über 10.000 Druckseiten einschließlich der schwer zugänglichen Privatdrucke in geringer Auflage. »Seit den 30er Jahren und besonders seit dem Zweiten Weltkrieg hat Jünger sein Sensorium ausgebaut, mit dem er die Welt erfasst und in allen Manifestationen von Natur und Geist Verweise auf das ‚Ungeordnete‘ erkennt.« Nicht zufällig verweist Rubel, Inhaber einer Forschungsprofessur am Archäologischen Institut der Rumänischen Akademie in Jassy, Rumänien, auf die mehrfachen Überarbeitungen Jüngers von wichtigen Büchern. Denn die veränderten Fassungen dienten Jünger dazu, unauffällig Erkenntnisgewinn einzuarbeiten.

 

 

 

Hat man sich mit der Sekundärliteratur über Ernst Jünger der vergangenen Jahre beschäftigt, wundert man sich zuerst über den Ansatz von Alexander Rubel. Natürlich. Das Transzendental-Religiöse ist das Fundament jeder Zeile bei Jünger, denkt man. Aber vorsicht! Schaut man sich die Publikationsflut daraufhin genauer an, so stellt man fest, dass zwar Jüngers Werk nach detaillierten Facetten seziert wird. Der große Bogen allerdings scheint dabei so gut wie übersehen. Und dies ist das Verdienst der Studie von Alexander Rubel.

 

 

 

Ernst Jünger bediente sich verschiedenster Gebiete, um die sich mit zunehmendem Alter festigende Gewissheit, eine Ordnung der Welt existiere, bestätigt zu finden. Die Quellen seiner wesentlichen Erkenntnisse hat er indes nur Eingeweihten verraten. Dazu gehört die Astrologie. Zukünftige Forscher sind aufgefordert, Alexander Rubels verdienstvolle Studie fortzuführen.

 

© Matthias Pierre Lubinsky 2018