Hans Magnus Enzensberger – Herrn Zetts Betrachtungen

Hans Magnus Enzensberger als altersweiser Dandy: Herrn Zetts Betrachtungen
© Suhrkamp Verlag 2013

 

 

Hans Magnus Enzensberger, Herrn Zetts Betrachtungen
oder Brosamen, die er fallen ließ, aufgelesen von seinen Zuhörern.
Suhrkamp Verlag 2013, 229 Seiten, gebunden, 15 Euro.

 

Hans Magnus Enzensberger hat es dem Publikum nie leicht gemacht, sich in eine Schublade stecken zu lassen. Er war auch in den späten 1960er Jahren kein typischer Linker. Er trug bei Treffen der Gruppe 47 meist als einziger eine Krawatte. Auch als langjähriger Herausgerber des Kursbuches, das so etwas war wie der ideologische Ratgeber für Linke, setzte er marxistischen Vereinfachungen Differenzierungen entgegen.

 

Und wie war das mit dem Manieren-Buch des äthiopischen Prinzen Asfa-Wossen Asserate, das Enzensberger in der bibliophilen Anderen Bibliothek 2003 herausgab? Die taz vermutete, das Buch stamme gar nicht von dem Prinzen – sondern von Enzensberger selbst.

 

Nun lässt der Dandy Enzensberger das Publikum teilhaben an Herrn Zetts Betrachtungen oder wie der Untertitel des kleinen Büchleins lautet Brosamen, die er fallen ließ, aufgelesen von seinen Zuhörern.

Der Plot, wie man heute sagt, also der Rahmen ist der: Herr Zett ist ein älterer Gelehrter mit rundlicher Statur. Sein Schöpfer schreibt in dem ersten Kapitel »Statt einer Vorrede«:
»Wenn das Wetter es zuließ, konnte man Herrn Zett fast ein ganzes Jahr lang nachmittags im Park antreffen, abseits von den Hauptwegen, an einem von Hainbuchenhecken geschützten Ort, an dem, abgesehen von ein paar hungrigen Staren, Ruhe herrschte.«


Hier nun residiert dieser Herr und gibt Weltklugheit von sich und das, was er dafür hält. Nach eigenem Bekunden sei es ihm egal, wer zuhört und ob seine Ausführungen überhaupt Gehör finden. Dies ist sicher ein mehr oder weniger deutlicher Hinweis an die Öffentlichkeit vom Autoren, der am 11. November 2013 vierundachtzig Jahre alt wird. Was kümmern mich noch die Auflagen?

 

Herr Zett gibt so allerlei Schlaues von sich. Ernst Jünger hatte so etwas Adnoten genannt: Lebensweisheiten, Erfahrungen, philosophische Gedanken und Hinweise auf gute und wichtige Bücher. »Wie oft haben meine Lehrer von mir verlangt, ich solle mich konzentrieren! Ich habe es vorgezogen, mich zu zerstreuen, oder, obwohl das wie ein schlechtes Wortspiel klingt, mich zu verzetteln.« So bekommt der Name des Protagonisten eine Bedeutung mit vexierhaften Anspielungen.

 

In vielem lässt Enzensberger den larmoyanten Dandy durchschimmern, so wenn er Herrn Zett sagen lässt: »Das, worauf es einem ganz besonders ankomme, sagte Z., sollte man beiläufig äußern.« Der altersweise Schriftsteller gibt sich als gelassener Kultur-Konservativer, so wenn er empfiehlt, »zeitversetzt« zu leben, also die Musik des 19. Jahrhunderts zu hören. Nicht wenig erstaunt es, wenn Enzensberger auch der gegenwärtigen Literatur wenig abgewinnen kann. Stattdessen lässt er Herrn Z. die Klassiker empfehlen. Botho Strauß, ich hör dich trapsen…

 

An den Philosophen gefällt Z., dass sie so zahlreich seien, dass jeder dem anderen widerspreche und dass sie nicht davor zurückschreckten, über Dinge zu reden, von denen sie keine Ahnung hätten.

 

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung empfiehlt das Büchlein als Nachttisch-Lektüre. Wir sagen: Ja. Aber allenfalls zur Vorbereitung auf die Originale: Lasst Euch ein auf Botho Strauß und den größten Aphoristiker der vergangenen 50 Jahre: Nicolás Gómez Dàvila.