Ich schreibe nicht für Depperte – Thomas Bernhard zum 80. Geburtstag

Erstausgabe in Buchform: Thomas Bernhards spitze Reden, Leserbriefe und Feuilletons



Der DANDY-CLUB gedenkt Thomas Bernhard zum 80. Geburtstag noch einmal: Mit der Rezension des neuesten Buches.

Thomas Bernhard, Der Wahrheit auf der Spur. 346 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Suhrkamp Verlag, Berlin 2011.

Ob er schon einmal versucht habe, sich das Leben zu nehmen, wird Thomas Bernhard in einem der legendären Interviews von André Müller gefragt.

»Als Kind wollte ich mich aufhängen«, antwortet  der, »aber der Strick ist gerissen«. Bernhard erzählt offen weiter, wie er als Bub eine Handvoll Schlaftabletten geschluckt habe, während er mit seinem Großvater spazierengegangen sei. Ihm sei dann schlecht geworden, und er sei nach Haus gelaufen. 30 Kilometer. Da habe er sich ins Bett gelegt.

Dies alles und noch mehr Erbauliches gibt Thomas Bernhard von sich in dem grandiosen Gespräch mit dem Interviewer der Zeit von sich. Es ist eines der Highlights in dem gerade erschienenen Band »Der Wahrheit auf der Spur«. Er enthält »Reden, Leserbriefe, Interviews, Feuilletons«, so der Untertitel. Ein weiterer Band in einer ganzen Reihe, die nach dem Tod des großen nihilistischen Cholerikers bei Suhrkamp erschienen sind. 2009 erschien der berührende Briefwechsel zwischen dem Verleger Siegfried Unseld und seinem schwierigen Autoren. Unseld hatte die erste Avance von Bernhard Anfang der 1960er Jahre abgelehnt. Das von Bernhard nach Frankfurt am Main gesandte Manuskript wurde von dem einflussreichsten deutschen Verleger als zu schlecht beurteilt. Drei Jahre später war das Eis gebrochen und Unseld verlegte das erste Buch seines neuen Autoren. Doch war Bernhard nicht exklusiv unter Vertrag. Seine fünfteilige Autobiographie veröffentlichte der Österreicher beim Niederösterreichischen Residenzverlag. Und nach der Publikation jeden Bandes vertröstete der Autor seinen deutschen Verleger, das sei nun auf jeden Fall der letzte gewesen, er wolle nur noch bei Suhrkamp veröffentlichen. Das ging so lange, bis Unseld der Kragen platzte und der, nervlich zerrüttet, Bernhard schrieb, er gebe auf.

Nun also mit gehörigem Abstand – Bernhard starb 1989 – das ein oder andere Autobiographische. Im vergangenen Jahr veröffentlichte der Suhrkamp Verlag zum erstenmal unter dem Titel »Goethe schtirbt« vier Erzählungen zusammengeführt in einem Band. 2008 waren mit »Meine Preise« die versammelten hasserfüllten Beschimpfungen seiner Preisverleiher erschienen.

Und auch die nun publizierten Stücke, die zum großen Teil erstmalig in Buchform erscheinen, lohnen sich. Bernhard war eben nicht nur der Allesbeschimpfer, der Wüterich, bei dem sich Wahrheit und Spiel kaum voneinander unterscheiden ließen. Dazu gehörte eben auch, dass er in einer humanistischen Sichtweise zutiefst ehrlich gewesen ist. In dem Band belegt das unter vielen anderen Texten ein Brief an den Präsidenten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung aus dem Jahre 1979. In ihm erklärt Bernhard kurz und bündig seinen Austritt, weil die Vereinigung den ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Scheel (»Hoch auf dem gelben Wagen«) in ihre Reihen gewählt hat. Er frage sich, so der Briefschreiber, »was ein so durchschnittlicher und obskurer Politiker in einer Akademie für Sprache und Dichtung zu suchen hat«. So bekamen viele ihr Fett weg vom Bernhard. Der bei allem so falsch wohl nicht lag. Den damaligen österreichischen Finanzminister Vranitzky bezeichnet der Schriftsteller als »eitlen Geck[en], der, wie ich festgestellt habe, alle paar Tage die Stallburggasse  mit einem Laufsteg und sein Ministerium für Finanzen mit einer Behörde für Zensur und Verbot von Kunst und Kultur verwechselt«.

Kaum einer kann es so schön wie Bernhard, das Pöbeln in sanfter Lakonie, die herauskotzende Wahrheit mit einem ungerührten Lächeln in der Frühlingssonne Mallorcas auszusprechen. Dass er von seinem Heimatland nicht arg zu viel hielt, ist bekannt. Auch hier findet sich wieder ein nettes bashing:  »Im ersten Stock spielt man Geige. Im Keller öffnet man die Gashähne. Eine typisch österreichische Mischung aus Musik und Nazismus.« Bernhards Aussage gipfelt in einer Androhung, deren Wahrmachung viele wohl ekstatisch erfreut hätte: »Ja, wirklich, wenn dieses Land sich ändern sollte, bliebe mir nichts anderes übrig, als auszuwandern.«

Aufgrund seiner lebenslangen Lungenkrankheit war Bernhard vom Leben angewidert und sah in jedem nur den Feind. Für die meisten hatte er lediglich Hohn und Verachtung übrig.

Noch einmal André Müller: »Wer bleibt denn da überhaupt übrig, den Sie nicht für einen Idioten halten?«

Thomas Bernhard: »Na keiner, das ist es ja eben.«



1 Kommentar

  1. thnx bro

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