FAZ rezensiert Sebastian Horsley

Er provoziert gern – auch mit Erfahrungen aus der Unterwelt: Sebastian Horsley, „exzentrischer“ Dandy (waren das nicht alle) -, hat rotlackierte Fingernägel und topt Oscar Wilde ins 21. Jahrhundrt. Der britische Performer nimmt in zeitgemässer Manier Gepflogenheiten des Dandytums auf, was die deutschen Feuilletons dankbar aufgreifen.

Die FAZ berichtet ausgiebig über diesen sympathischen Zylinderträger und bettet ihre Rezension der deutschen Autobiographie in einen Analyse-Versuch about dandyism ein:

„‚Dandy in der Unterwelt‘ nennt der Maler, Aktionskünstler und Kolumnist Sebastian Horsley seine literarische Autobiographie, die Hedonismus um jeden Preis fordert. Ohne Geld ist da jedoch nichts zu machen: Über hunderttausend Pfund will Horsley für Prostituierte und Drogen ausgegeben haben. Zwischen beiden Gelüsten besteht für ihn allerdings eine klare Hierarchie: ‚Sex ist nur die Sublimierung der Drogenabhängigkeit.‘ Was die Garderobe angeht, setzt er auf subversive Knalleffekte, schimpft den Vorgänger Brummell einen Konformisten und rühmt sich bereits einer persönlichen Hinterlassenschaft, nämlich des Horsley-Hemdes: ‚Vierknöpfiger Ärmelaufschlag. Dreizehn Zentimeter Manschettenumschlag, Kragenstellung: dreizehn Zentimeter (weit genug, um fliegen zu können).‘
(…) Bei seinen weiteren Einlassungen zum Dandytum hat Horsley das Zitieren wohl allerdings zuweilen vergessen – Baudelaire und Barbey D’Aurevilly lassen öfter grüßen, als man es für möglich hält. Horsleys etwas schamloses Sampling ohne Quellenangaben klingt zum Beispiel so: ‚Ein Dandy zu sein ist eher ein Zustand als eine Berufung. Das Dandytum ist eine Abwehr des Leides und eine Feier des Lebens. Es ist keine Mode, es ist kein Reichtum, es ist nicht Schönheit, es kann nicht gelehrt werden. Es ist ein Schild, ein Schwert und eine Krone – alle hervorgezogen vom Dachboden der Einbildungskraft.‘

Zugegeben, das Buch beginnt mit einem Paukenschlag von erstem Satz: ‚Als Mutter herausfand, dass sie schwanger war, nahm sie eine Überdosis.‘ Gleich darauf folgt aber die Wendung ins Komische: ‚Die Sache mit der Überdosis klappte nicht. Doch hätte sie gewusst, wie ich mich entwickeln würde, hätte sie zu Zyanid gegriffen.‘ Die Mischung aus ernstem Inhalt und prahlerischem Lügengeschichtenton ist typisch für Horsleys Stil: Was auch immer er Schlimmes berichtet, wird zugleich doch als Groteskerie gekennzeichnet (…)

Ein Triumph für den Provokateur Horsley war es natürlich, als ihm vor kurzem die amerikanischen Behörden die Einreise verweigerten – angeblich wegen moralischer Verkommenheit, wie es auch im Klappentext des Buches heißt. Ein Artikel im britischen „Guardian“ lässt jedoch auch wissen, dass eine frühere Verurteilung Horsleys wegen Drogenbesitzes bei dieser Zurückweisung eine Rolle spielte. Großartig und wahrhaft dandyesk jedoch die kolportierte Reaktion des Zurückgewiesenen auf das Vorgehen der Grenzbehörde: ‚Die gute Nachricht war, dass sie mein Buch gelesen hatten.‘
Dass Horsley daheim und anderswo so viel Aufsehen erregt, liegt wohl besonders daran, dass er zwischen seinem Buch-Ich und seiner Person keinen Unterschied macht: In Talkshows erscheint er gern mit Frack und Zylinder und pre
ist in sehr gewählten Worten die Vorzüge der Prostitution (…)“