Jules Barbey d’Aurevilly – Die Gebannte

Jules Barbey d’Aurevilly photographiert von Nadar
Quelle: Wikipedia

 

 

Jules Barbey d’Aurevilly, Die Gebannte
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Gernot Krämer
Matthes & Seitz Berlin Verlag 2017, 312 Seiten, Leinen, 28 €.

 

 

Jules Barbey d’Aurevilly war ein bedeutender Autor, Reaktionär und Christ im Frankreich des 19. Jahrhunderts. Der Matthes & Seitz Verlag macht sich seit vielen Jahren verdient um diesen großen Stilisten und Dandy. Nun erscheint dessen Roman Die Gebannte in einer Neuausgabe.

 

 

Jules Barbey d’Aurevilly ist dem breiten Publikum nicht bekannt. Obwohl Stilist von Gnaden, wird er von den Schatten seiner berühmteren Kollegen, allen voran Balzac, im Dunklen stehen gelassen. Der Verlag Matthes & Seitz Berlin bemüht sich seit Jahren, diesen großartigen Stilisten, Dandy und Reaktionär aus dem Schatten zu holen. Mit dem Roman Die Gebannte erscheint nun das sechste Buch von Barbey in einer schön gestalteten Neuausgabe. Zuletzt erschien 2014 Der Chevalier Des Touches. Im Jahr 2008, zum 200. Geburtstag Barbeys publizierte der Verlag den Roman Die alte Mätresse und die Aphorismensammlung Feinheit des Geistes rührt von Niedertracht. Sein Traktat Über das Dandytum und über Georg Brummell ist eine der wichtigsten theoretischen Schriften zum Dandytum überhaupt.

 

 

Die Handlung: Jeanne, die adelige Frau eines Großbauern, verfällt einem teuflischen Mönch. Dabei läßt der Autor offen, ob sie benutzt wird oder ob es eigentlich um etwas ganz anderes geht. Aber die Handlung scheint Barbey eher zweitrangig. Das merkt der Leser allerdings erst mit fortschreitender Lektüre. Barbey, überzeugter Dandy, Verfechter der Monarchie (einer theoretischen) und Verächter der Moderne beschreibt in ironischer Melancholie den Untergang der alten Welt. Mit Baudelaire ist er sich darin einig, daß die Demokratie alles Große vernichtet.

 

 

Der Roman beginnt mit einer Meditation über die Landschaft von Barbeys Heimat, der Normandie. Dies erste Kapitel zieht den Leser magisch in das Buch. Dabei möchte der Autor wohl weniger die Natur schildern als vielmehr eine romantische Erzählkulisse schaffen, die es ihm erlaubt, die bevorstehenden Verluste zu bedauern. Barbey, überzeugter und bekennender Katholik, verspottet in der Erzählung die Katholische Kirche dermaßen, daß es selbst einem ungläubigen Leser Respekt abnötigt…

 

 

Das in Leinen gebundene Büchlein enthält neben der deutschen Übersetzung durch Alastair drei hoch interessante Texte, die zum Verständnis dieses Ausnahmeautoren und bedeutenden Dandys und des Romans wertvoll sind: Maximilian Woloschins Portrait Barbeys erschien zuerst 1908 als Beigabe einer russischen Barbey-Übersetzung. Weiter beigegeben ist ein Kurzessay über Barbey von Mario Praz, dem Autoren des noch heute maßgeblichen Standardwerkes Liebe, Tod und Teufel – Die schwarze Romantik (deutsche Erstausgabe bei Hanser, 1963) und eine Übersetzung von Jaques Petits Einführung  zu Barbeys L’Ensorcelée.

 

 

Hilfreich ist auch das kurze Portrait, das Herausgeber Gernot Krämer vom Übersetzer Alastair zeichnet. Der hieß eigentlich Hans-Henning von Voigt, lebt von 1887 bis 1969 und hatte viele Talente – aber leider wenig Erfolg. Das Übersetzen übte Alastair aus, um finanziell über die Runden zu kommen. Als Tänzer, Pianist, Sänger, Lyriker und Zeichner reichte es nicht. Alastair übersetzte Barbey d’Aurevilly wohl nicht zufällig: Befreundet mit Gabriele d’Annunzio, lebte er stets vollständig über seine Verhältnisse und übte auf seine Bekannten den Reiz eines verarmten Dandys aus.

© Matthias Pierre Lubinsky 2017

 

 

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