Octavio Ocampo – Arte Metarmorfico

© Octavio Ocampo, Siddartha, 2012

 

 

Octavio Ocampo, Arte Metarmorfico. Englisch, Deutsch, Spanisch, Französisch, 160 Seiten mit 140 großformatigen Farbabbildungen auf Photopapier. Edition Olms, Zürich 2013, 39,95 Euro.

 

Octavio Ocampo hat das Samenkorn seiner Metamorphischen Kunst vielleicht von der Mutter eingepflanzt bekommen: Um den kleinen Jungen während einer Autofahrt zu beschäftigen, sagte sie ihm damals, er solle zum Himmel schauen und die Wolken beobachten. Octavio tat es. In einer Wolke sah er einen Baum. Eine andere schien für ihn das Auto zu verfolgen.

Heute ist Octavio Ocampo einer der bekanntesten Maler Mexikos. Seine Bilder haben alle eine zweite oder gar dritte Ebene. Schaut man nur einmal kurz auf ein Bild, so sieht man eine liegende Frau, oder das Portrait des US-Präsidenten Jimmy Carter. Lässt der Betrachter das Auge einige Sekunden länger verweilen, so ergibt sich ein Aha-Erlebnis: Der demokratische Präsident besteht nun aus Häusern der amerikanischen Geschichte. Seine Hand aus Lastwagen und Autos.

Der Mexikaner lädt die Betrachter seiner Bilder zum Mitspielen ein. Was siehst Du, was findest Du in meinem Bild? Er weiß, dass jedwede Betrachtung immer ein Spiegel der eigenen Seele ist. Ocampo selbst formuliert es so:

 

 

© Octavio Ocampo, El Viejo Y El Rio, 1998

 

 

»Ich mag es, den Betrachter zum Spiel einzuladen. Ich fessele seine Aufmerksamkeit, vermittele ihm in der ersten Bildebene ein Gefühl von Schönheit oder von etwas Schrecklichem, und in einer zweiten oder sogar dritten Ebene verspürt er dann etwas ganz anderes.«

Octavio Ocampo wurde 1943 in Celaya, Guanajuato in Mexiko geboren. Seit früher Kindheit übt er sich in der Malerei, die ihm quasi in die Wiege gelegt wird: Seine Mutter entwirft künstlerisch gestaltete Textilien. Der Vater bringt seine Söhne bereits früh in die Kunstakademie eines Bildhauers in Celaya.

Die Edition Olms in Zürich bringt nun erstmals seine Arte Metarmorfico, wie der Titel lautet, in Buchform heraus. 140 dieser mehrdimensionalen Bilder werden großformatig und auf schwerem Photopapier präsentiert. Das Buch ist viersprachig – Englisch, Spanisch, Deutsch und Französisch – und damit für den globalisierten Kunstmarkt bestens gerüstet.

Spötter bezeichnen seine Kunst bisweilen als kitschig. Doch lasse man sich durch das erste Seh-Erlebnis nicht täuschen. Faszinierend ist, wie es Ocampo gelingt, unsere eingefahrenen optischen Gewohnheiten zu brechen. Da betrachtet man ein Bild und denkt, na diesmal gibt es aber wirklich keine weitere Ebene. Man dreht die Augen ein wenig, schaut auf das Bild aus einem etwas anderen Winkel – und ist über sich selbst verwundert: Warum hat man das nicht sogleich gesehen?

 

 

© Octavio Ocampo, Susana Y Los Viejos, 2004

 

 

Octavio Ocampos Metarmorphosen-Bilder sind ungewohnte Seh-Erlebnisse, deren Reiz in ihrer Hintergründigkeit liegt. Man kann die Bilder zum dritten oder vierten Mal betrachten – und wird doch immer wieder etwas Neues, ein weiteres verspieltes Detail entdecken. So eignet sich der hochwertig verarbeitete Bildband auch als Kunst-Erlebnis für die ganze Familie. Die Bilder fordern fast dazu auf, sie gemeinsam mit Kindern zu betrachten und die zu fragen: Was seht ihr?