Andréas Lang, Sous les Ogives. artist book, editions Tbe (Tristan Barbara) Barcelona,
9 photographes polimere, 3eme chapitre „Notre Dame“ de Victor Hugo,
50 exemplaires numerotées et signée, 10 expl. hc, 10 expl. artiste
Paris und die Photographie. Lässt man diese beiden Worte ersteinmal für sich stehen und wirken, so hat man es mit zwei Ikonographie-Welten zu tun, die schon für sich kaum mit wenigen Sätzen zu fassen sind. Paris – die Hauptstadt der europäischen Kulturmetropolen. Früher hatten die Alten eine Eifelturm-Abbildung als Postkarte am Kühlschrank hängen. Heute kaufen sich die Kinder eine reproduzierte Schwarz-Weiß-Photographie des Stadt-Emblems bei Ikea. Literaten und Künstler, die hier lebten sind Legende. Muss man Picasso, Henri Miller oder Ernst Jünger nennen? Sie alle haben unser Bild der Stadt mit geprägt, mit geschaffen, ja vielleicht sogar in vollem Umfang unser Bild über Paris erzeugt.
Und dann die Photographie. Wie hat sie die Wahrnehmung im vergangenen 20. Jahrhundert verändert? Beeinflusst. Sie lieferte den Zeitungen Abbilder von Unfällen, Katastrophen und auch schöneren Ereignissen. Was haben Philosophen nicht alles prophezeit.
Die Verbindung, die Verbrüderung der Photographie mit Paris schafft nun ein spezielles Genre, das sich beinahe als eigene Kunstgattung bezeichnen lässt. Eine fulminante Ausstellung in den Hamburger Deichtorhallen ist auch ein Resultat der reflektorischen Fragestellungen, die das schnelle Sterben der analogen Photographie und ihr Ersatz durch die digitale innerhalb eines Jahrzehntes mit sich gebracht hat. Sie ist noch bis zum 8. Januar 2012 zu sehen.
Brassaï, André Kertész, Eugène Atget, Robert Doisneau, Andréas Lang, René Maltête, André Martin, Robert Frank und Bettina Rheims sind einige wenige Namen der mehreren Dutzend Photokünstler, deren Werke von ihnen selbst oder von anderen in Büchern veröffentlicht worden sind. Verdienst der Schau ist es unter anderem, herausragende Standardwerke zu präsentieren, die die Gestaltung nachkommender Bücher beeinflusst haben und so rückblickend als Wegmarken gesehen werden können in der Geschichte des Photobuchs über Paris. Anmaßend allerdings wirkt der Anspruch der Ausstellungsmacher, alle wichtigen Photobücher über Paris des 20. Jahrhunderts zu versammeln.
Das tut ihr allerdings keinen Abbruch, zeigt sie doch etwa 400 Bücher, Mappen und photographische Werke und spannt den Bogen von der Erfindung des Mediums bis zur Gegenwart. Wo anders hätte die Photographie das Licht der Welt erblicken sollen, als just in Paris? Mitte August 1839 wurde das Lichtbild in Gestalt der Daguerreotypie erstmalig produziert und patentfrei quasi der staunenden Öffentlichkeit übergeben.
Und Paris war nicht nur die Geburtsstadt der Photographie, sondern zugleich dazu prädestiniert, dem neuen Medium optimale Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Hier waren die besten und modernsten Lithographen, Graphiker, Drucker und Verleger, die die technische Revolution sogleich dankbar aufnahmen und mithilfe ihrer Kreativität weiterentwickelten.
Spannend in der Ausstellung ist, zu erkennen wie sich die Photographie und ihr künstlerisch-reflektorischer Anspruch stets gegenseitig weiter befruchteten, – und dies bis heute tun. Wohl kaum ein anderer Ort auf der Welt bietet zugleich eine größere Herausforderung und auch Chance, sich an Klischees abzuarbeiten. Wie soll man heute noch den Eifelturm photographieren, ohne in Klischees zu verfallen? Gleichzeitig existiert eine Art von Chronistenpflicht. Es gibt eine Entwicklung in der Kunst, und es verändern sich stets unsere Sehgewohnheiten. An den Photobüchern über Paris ist all dies seismographisch abzulesen und zu studieren. Auf etwa 1000 Quadratmetern Ausstellungsfläche kann der Besucher einen Rundgang erleben durch die Paris-Ikonographie des 20. Jahrhunderts. Augenfällig wird dabei, wie ausländische Photographen ihren Fokus ausrichten. Erhellend ist, die so genannte Vintage-Mode auch im Falle der Paris-Bücher zu erkennen. Welche Bilder werden immer wieder veröffentlicht. Warum gibt es einen scheinbar unstillbaren Bedarf an bestimmten Photos aus dieser so besonderen Stadt? Welche Sehnsüchte verbinden wir mit Paris?
Die Ausstellung wird begleitet von einem herausragenden Katalogbuch aus dem Münchner Hirmer-Verlag, das im Großformat auf über 400 Seiten die Ausstellungsstücke dokumentiert. Die Photobücher werden großzügig präsentiert, meist mit mehreren Bildern und einem ausführlichen, prägnanten Text, der die Bedeutung des speziellen Buches erläutert. Mehrere wissenschaftliche, aber allgemeinverständliche Aufsätze machen das inhaltlich und physisch schwergewichtige Buch zum Standardwerk über Photobücher. Hans-Michael Koetzle gibt unter der Überschrift »Regisseure eine Mythos« einen erhellenden Abriss über die Geschichte der Paris-Photobücher. Hans Christian Adam schreibt über den frühen Paris-Bildband und Thomas Wiegand über die spezielle Gattung der Ausstellungskataloge und Bildersammlungen. Vielsagend über die letzten Jahre des vorigen Jahrhunderts ist Christoph Schadens Aufsatz über die Photobuch-Reprints.
Das I-Tüpfelchen des großangelegten Ausstellungs-Projektes: Das herausragende Katalogbuch reiht sich selbst ein – als zu diesem Zeitpunkt aktuelles bedeutendes Werk – in die Bibliothek der wichtigsten, seismographischen Photo-Bildbände über Paris.
Eyes on Paris
Ausstellung in noch bis zum 8. Januar 2012
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Der Katalog Eyes on Paris erschien im Münchner Hirmer Verlag, 400 Seiten mit etwa 600 teils farbigen Abbildungen, Ladenpreis 49,90 Euro.
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Marc Foucault, La Tour Eiffel,
nicht datiert, Ende 1930er/ Anfang 1940er Jahre
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Leihgeber: Fritz Henle Estate/ Galerie Kicken Berlin
Lucien Hervé, Blick von der Kirche Saint-Séverin, Paris, 1948
Peter Cornelius, Farbiges Paris. Düsseldorf/Wien (Econ) 1961.
(Slg. Hans-Michael Koetzle)