Der Kult des Schönen – Ästhetizismus in London. The Cult of Beauty. The Aesthetic Movement 1860-1900 im Victoria and Albert Museum in London

James Whistler, Thomas Carleyle, 1872/73

 




»Der Künstler ist der Schöpfer schöner Dinge« schrieb Oscar Wilde in der Vorrede zu seinem einzigen Roman »Das Bildnis des Dorian Grey«. Deutlich wandte sich Wilde gegen jedweden moralischen Anspruch gegenüber der Kunst: »Kein Künstler hat ethische Neigungen. Ethische Neigung beim Künstler ist eine unverzeihliche Manieriertheit des Stils.« Seine unprogrammatische Programmatik endet mit dem Satz: »Alle Kunst entbehrt völlig des Zwecks.«

Der Ire folgte damit der exaltierten Kunstanschauung seines Oxforder Lehrers und Mentors Walter Pater. Dieser sprach der Kunst jede moralische oder ethische Rolle ab. Pater argumentierte, die Form sei das einzige, was bei einem Kunstwerk zähle. In Frankreich entwickelten zur gleichen Zeit Charles Baudelaire und dessen Freund Théophile Gautier den Begriff der Kunst ihrer selbst Willen (l’art pour l’art).

Das Victoria & Albert Museum in London erinnert mit einer großen Ausstellung nun an das »Aesthetic Movement« (noch bis zum 17. Juli 2011). Diese Bewegung kam in England vor etwa 150 Jahren auf und wollte die Kunst von jedem religiösen und politischen Ballast befreien. Dazu gehörte auch, dass ihre Vertreter, allen voran der Dandy und Provokateur Oscar Wilde, ihr Leben selbst zum Kunstwerk erhoben. Heute oft zu vernehmendes spöttisches Naserümpfen ist fehl am Platz, verkennt es doch, dass es dieser Bewegung tatsächlich gelang, die Kunst vom gesellschaftlichen Anspruchsdenken wesentlich zu befreien. Generationen späterer Künstler konnten darauf aufbauen.

Welcher Ort auf der Welt wäre besser geeignet für diese fulminante Schau als das 1852 gegründete Victoria und Albert Museum? Der »Grüne Saal« des Traditionsmuseums wurde von William Morris gestaltet. Es war das erste Museums-Restaurant der Welt überhaupt. Morris‘ Pfauen-Tapete erfreut sich noch heute in England großer Beliebtheit. Nur ein paar Straßen entfernt vom Museum beginnt das Viertel Holland Park, wo sich Frederic, später geadelt zum Lord Leighton, ein opulentes Atelierhaus bauen ließ. Um die Ecke residierte unbescheiden der Maler James McNeill Whistler, mit dem sich Wilde so schöne und heftige Dispute lieferte.

Und wer wäre für diese fulminante Schau besser als Kurator geeignet als der bekennende Dandy Stephen Calloway? Er trägt nicht nur in seiner Freizeit die dandyeske Kleidung des 19. Jahrhunderts und scheint der – zumindest äußerlich – seinem Vorbild Oscar Wilde Ähnlichste Londoner im 21. Jahrhundert zu sein.


Napoleon Sarony, Oscar Wilde, 1882

 



Frederic Leighton,  The Sluggard, 1885



The Cult of Beauty. The Aesthetic Movement 1860-1900.
Victoria and Albert Museum London.