Am I Dandy? – Der Katalog

Der Katalog zur Ausstellung
© Hentrich & Hentrich 2016

 

 

 

Am I Dandy? Anleitung zum extravaganten Leben.
Katalog zur Ausstellung.
184 Seiten mit 54 Abbildungen, Broschur, Hentrich & Hentrich 2016, 19,90 Euro.

 

 

Am I Dandy? fragt eine kleine Ausstellung im Schwulen Museum in Berlin und versucht mit etwa 100 Ausstellungsstücken die Besucher zu animieren, sich dieser Sozialfigur zu nähern. Verstehen kann der Interessierte Dandys wie Oscar Wilde oder Beau Brummell jedoch erst mithilfe des begleitenden Katalogbuches.


Die Ausstellung in Berlin-Schöneberg ist gegliedert in die nach Auffassung der Kuratoren wesentlichen Lebensräume des Dandys: Straße, Ankleidezimmer, Club und Laufsteg. Diese Gliederung ist fraglich. Der Dandy will zwar bewundert werden und legt äußersten Wert auf sein Äußeres. Das Geistige, das der Entscheidung zum Dandydasein zugrunde liegt, wird in den Räumen nicht angedeutet.

 

Wer sich nach dem Besuch der Schau für das Dandytum interessiert, sollte sich unbedingt den Katalog kaufen. In Form eines kleinen Handbuches werden hier für den Dandy essenzielle Begriffe erläutert. Die Kuratoren, die auch die Autoren sind, erweitern nun die Orte des Dandys und gehen stärker in die Tiefe. Aura, Dilettantismus, Kälte und Müßiggang sind einige der Begriffe, die umrundet werden. Gelungen ist die Einbettung von wichtigen Zitaten aus Geschichte und Forschung zum dandysme. Hier erfährt der Leser, wie der heute als Ur-Dandy angesehene George ‚Beau‘ Brummell erst durch die Literatur zu dem gemacht worden war, was man heute in ihm sieht. Ohne die berühmte Schrift von Barbey d’Aurevilly, die in einer kongenialen Neuübersetzung vorliegt, hätte Brummell post mortem seinen Siegeszug über England hinaus kaum angetreten.

 

Schön ist auch die Gestaltung des Katalogs: In der Dandyfarbe Königsblau gehalten mit goldgeprägter Schrift führt das Buch auch ästhetisch passend ins Thema ein. Witzig die Idee, ein Stück in Form einer Krawatte aus dem Deckel auszuschneiden und als Lesezeichen ins Buch einzulegen.

 

Weiter gefällt an dem Paperback, dass man sich die Mühe gemacht hat, ein Namensregister anzufügen. Es ist äußerst hilfreich, will man in den Stoff tiefer eindringen und später etwas nachschlagen. Dazu dient auch die umfassende Literaturliste. Schmerzlich allerdings ist das Fehlen einiger weniger, aber für die Theorie des Dandytums bedeutender Werke, wie die erste große Brummell-Biographie von William Jesse von 1844. Die meisten späteren Biographien basieren auf diesem zweibändigen Werk. Dass die Kuratoren sich für das geistige Fundament des Dandys weniger interessierten als für sein Äußeres wird deutlich durch das Fehlen von Albert Camus‘ Der Mensch in der Revolte. In dem 1951 erschienenen Essay widmet Camus einige Seiten dem Dandy: »Der Dandy erschafft sich seine eigene Einheit mit ästhetischen Mitteln.« Auch der kurze Text von Virginia Woolf über Brummell gehörte in die Literaturliste. Ursprünglich als Radiosendung der BBC 1929 ausgestrahlt und erst danach in gedruckter Form veröffentlicht, bringt die Schriftstellerin zwar wenig Neues. Ihre Beschreibung des Ur-Dandys hatte aber großen Einfluss auf das Brummell-Bild der folgenden Jahre.