Joris-Karl Huysmans – Lourdes

Bibliophile Ausstattung: Gebunden in Halbleinen, Lesebändchen





Joris-Karl Huysmans:
Lourdes – Mystik und Massen
320 Seiten. Gebunden in Halbleinen mit Leseband.
Lilienfeld Verlag, Düsseldorf 2020.





Joris-Karl Huysmans‘ letztes Buch erscheint erstmals auf Deutsch. Der Lilienfeld Verlag bringt Lourdes – Mystik und Massen in einer fulminanten Übersetzung von Hartmut Sommer in bibliophiler Ausstattung.




Der französische Autor Joris-Karl Huysmans (1848-1907) ist den Lesern des DANDY-CLUB ein Begriff: Immerhin ist er der Schöpfer der Bibel des Dandyismus, À rebours (Gegen den Strich). Huysmans schrieb den Roman 1884 quasi als Gegengift gegen den zu dieser Zeit in Frankreichs Literatur herrschenden Naturalismus, – vor allem repräsentiert durch Emile Zola. Der Protagonist Des Esseintes durchstreift verschiedene Wissensgebiete, wobei er sich vom Geschmack der Masse erwidert abwendet und jeweils eigene Ästhetik-Gesetze aufstellt.


Huysmans‘ 1891 erschienener Roman Tief unten (Là-bas) handelt von einem lebensmüden Schriftsteller, der auf der Suche nach seinem Sinn des Lebens sich auf die Erforschung des Satanismus begibt. Beide Romane sind Stationen in Huysmans Suche nach einer geistigen Heimat. Beide Romane enden ähnlich und deuten an, dass letztlich die Rückkehr zu Gott die einzige Erlösung sein kann.


In anderen Büchern hat Huysmans, der in Paris geboren wurde und starb, sich explizit mit dem Katholizismus auseinandergesetzt. So kann es nicht verwundern, dass sein letztes Buch, das im Original zuerst 1906 erschien, nun sozusagen in das Zentrum der französischen Glaubens-Praktizierung blickt. In Lourdes beschreibt er ausführlich diesen Wallfahrtsort und seine Pilger.


Huysmans war zwar ein lebenslang Suchender. Religiöser Kitsch und fanatische Menschenmassen lehnte er jedoch ab. Deshalb musste er sich von Freunden drängen lassen, nach Lourdes, in den Ausläufern der Pyrenäen, zu reisen. Hierher kamen ungeheure Menschenmassen, seitdem 1858 der vierzehnjährigen Bernadette Soubirous mehrfach die Jungfrau Maria erschienen sein soll. Unter ihnen viele, die sich Heilung von schwerer Krankheit erhofften. Huysmans – intelligenter und empfindsamer Ästhet – war zunächst von den Menschenmassen, dem medizinischen Massenbetrieb und dem Religionskitsch abgestoßen. Nach einer Weile bemerkt er aber das zutiefst Menschliche in dem ganzen Treiben und beginnt, es mitzumachen.


Da Huysmans ein äußerst genauer Beobachter mit einer großen Sprachgabe gewesen ist, entsteht so ein anschaulicher Bericht über Lourdes und seine Pilger zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein beeindruckendes Zeitdokument, da der Autor ohne flache Wertungen viele – teils wahrlich skurrile – Geschehnisse schildert. Dank an den kleinen Lilienfeld Verlag, dass diese erstaunliche Reportage nun endlich das deutsche Publikum erreicht.

© Matthias Pierre Lubinsky 2021