C/O Berlin, das Amerika Haus
© C/O Berlin, Photo David von Becker
Pop, Politik und Propaganda
Das Amerika Haus Berlin im Wandel der Zeit
Hrsg. C/O Berlin Foundation. Text von Hans Georg Hiller von Gaertringen. Hatje Cantz Verlag 2015.
168 Seiten mit ca. 100 Abbildungen, 29,80 Euro (D).
Nachdem in den ersten 20 Jahren nach der Wiedervereinigung der Osten Berlins einen ungeheuren Boom erlebte, entwickelt sich nun ein anderer Ort als Zentrum der deutschen Hauptstadt heraus: Es ist der Bereich am den Bahnhof Zoo. Der Einzug der bedeutenden Photo-Stiftung C/O Berlin in das Amerika Haus ist ein weiterer Höhepunkt dieser Entwicklung.
Als Berliner hat man darauf nur gewartet: Der Potsdamer Platz hatte seinen Reiz, als er neu war. Der Bezirk Mitte ist noch immer hip. Das große Geld fließt mittlerweile aber auch wieder in den Westen. Und wer eine wirkliche Renommier-Adresse vorweisen will, zieht eher an den Kurfürstendamm.
Bücherauto vor dem alten Amerika Haus, 1952
© Alliierten Museum Berlin und C/O Berlin
Die Eröffnung des großen Luxushotels Walldorf Astoria Anfang 2013 markierte einen Wendepunkt. nun war klar, dass internationale Investoren das alte Zentrum West-Berlins nicht nur nicht abgeschrieben hatten, sondern darauf setzten. Anderthalb Jahre später eröffnete das völlig neu gestaltete Bikini Haus. Dessen Monkey Bar wird weltweit zu den 20 wichtigsten Bars gezählt.
Nun also C/O Berlin im Amerika Haus. Die Stiftung hat sich zu den bedeutendsten Ausstellungsorten für Photographie in Deutschland entwickelt. Schwierig war es, nach der Kündigung aus dem Kaiserlichen Postfuhramt in Berlin-Mitte eine neue Bleibe in Berlin zu finden. Das Amerika Haus ist quasi der Kontrast zu dem kolossalen und innen eher dunklen Postfuhramt: Nach der grundlegenden Renovierung zeigt sich das filigrane 1950er Jahre Gebäude wieder licht-durchlässig, ohne seine Herkunft aus der Nachkriegsmoderne zu verleugnen.
Amerika Haus, Ansicht von oben, 1957
© Alliierten Museum Berlin und C/O Berlin
Der Einzug von C/O Berlin wird begleitet durch ein unaufdringliches Buch, das die Vergangenheit dieses geschichtsträchtigen Hauses aufblättert, um seine Zukunft besser verstehen zu können. Der Kunsthistoriker Hans Georg Hiller von Gaertringen schuf ein leichtes Buch, beileibe kein anspruchsloses. Es ist so gut lesbar, weil Hans Georg Hiller nicht den Fehler beging, bedeutungsschwer und mit Wissenschafts-Attitüde alle Zeitabschnitte dieses Hauses selbst beschreiben zu wollen. Stattdessen griff er zu dem Trick, Zeitzeugen zu befragen. So finden sich in dem schön gestalteten Leinenband Interviews mit Harald Bodenschatz, einem bekannten Stadtsoziologen, über den Ort. Ein weiteres mit dem ehemaligen US-Botschafter John C. Kornblum und last but not least mit Otto Schily über den Antiamerikanismus der 68er.
Der Einzug von C/O Berlin in das Amerika Haus im Herzen des alten West-Berlin bedeutet eine kulturelle Marke in der kulturellen und architektonischen Entwicklung Berlins, deren Ausmaß man erst in einigen Jahren bemerken wird.
Dieses gestalterisch gelungene wie inhaltlich bescheidene Buch aus dem Hatje Cantz Verlag lässt erahnen, wie bedeutend für eine kulturelle Selbstvergewisserung Deutschlands der Bereich um den Bahnhof Zoo werden wird.
© Matthias Pierre Lubinsky