I am Dandy

Der kompromisslose Ästhet Missimiliano ziert nicht zufällig das Cover
© Photograph by Rose Callahan from I am Dandy, Copyright Gestalten 2013

 

 

I am Dandy. The Return of the elegant Gentleman.
Rose Callahan (Photos) und Nathaniel Adams (Text),
Gestalten Verlag, Berlin, 2. A. 2013, 288 Seiten, Text in Englisch, geb., 39,90 Euro.

 

I am Dandy – könnte auf den ersten Blick einen falschen Eindruck erwecken. Zu gut sind die Photos der knapp 60 Dandys von Rose Callahan. Man muss die grandiosen Texte von Nathaniel Adams lesen, um zu verstehen: Hier ist tatsächlich die Rede vom Dandy – und nicht vom Snob. Das Buch ist nichts Geringeres als das Who is Who des aktuellen Dandytums.


Nathaniel Adams begab sich auf die Suche nach dem Dandytum in unseren Zeiten. Zu dem Thema kam er natürlich nicht ganz zufällig. Adams‘ Vater ist Psychoanalytiker, seine Mutter lehrt an der New York University Literatur. In seinem eigenen Studium widmete er sich jahrelang dem Dandytum. Ein Stipendium für ein Buch-Projekt über Dandys erlaubte es ihm, die Sozialfigur in ihrer Substanz zu erforschen. Adams reiste nach London, um das Archiv  des ältesten Herrenausstatters der Savile Row, Meyer & Mortimer zu erkunden. Es folgten Reisen nach Frankreich, Italien und selbst nach Afrika, wo es mittlerweile eigene Dandy-Bewegungen gibt.

 

Im seiner Einleitung zum Photo-Buch erklärt der 29-jährige Autor die Ansicht, Dandytum sei eine Lebenseinstellung oder Philosophie, für »Nonsense«. Vielmehr leideten die Dandys an einem übersteigerten Narzissmus.

 

Doppelseite aus dem Buch
© Photograph by Rose Callahan from I am Dandy, Copyright Gestalten 2013

 

 

Doch was ist ein Dandy denn nun wirklich? Charles Baudelaire, der versuchte, das Dandytum theoretisch zu fassen, wies zu Recht darauf hin, dass die Kleidung nicht die Essenz des Dandys ist:  »gutes Aussehen und äußerliche Eleganz« seien »dem vollkommenen Dandy lediglich ein symbolischer Ausdruck für die aristokratische Überlegenheit seines Geistes«.

 

Und Barbey d’Aurevilly, Verfasser einer kleinen und brillanten Studie über den Ur-Dandy George Bryan (Beau) Brummell, schrieb darin, dass die Ironie eines der hervorragenden Merkmale des Dandys sei. Er verhülle und maskiere sich stets. Niemand wisse eigentlich, wer er in Wirklichkeit sei. Was meint er Ernst?

 

Eine weitere essenzielle Eigenschaft fügt Albert Camus hinzu: Der Dandy steht in der Opposition. In der Revolte, – auch wenn dies viele nicht sehen. Der Dandy »sammelt sich selbst«, wie Camus es ausdrückt und schmiedet seine eigene Einheit dadurch, dass er sich mit den anderen nicht gemein macht; »der Dandy kann sich nur aufstellen, indem er sich entgegenstellt. Er kann sich seiner Existenz nur versichern, wenn er sie im Gesicht der anderen wiederfindet.« »Die andern sind der Spiegel.«

 

 

Der US-Musiker Dandy Wellington in dem Buch
© Photograph by Rose Callahan from I am Dandy, Copyright Gestalten 2013

 

 

Dies verbindet die großen Dandys von Oscar Wilde bis Karl Lagerfeld. Dabei dient das Schöne, mit dem er sich umgibt zum einen dazu, die Hässlichkeit der Welt nicht sehen zu müssen. Zum anderen ist es Teil der Dandy-Attitüde. Noch einmal Baudelaire: »Der Dandy muss sein gesamtes Streben darauf richten, ohne Unterbrechung erhaben zu sein; er muss leben und schlafen vor einem Spiegel.«


So darf die Brillanz der Photographien von Rose Callahan nicht darüber hinwegtäuschen, dass jeder einzelne der hier portraitierten Gentlemen seinem Dandy-Dasein ein hoch komplexes und –artifizielles Theorie- oder doch zumindest Ästhetik-Gerüst zugrunde gelegt hat. Besonders eindrucksvoll zeigt dies der Text über den in Paris lebenden Italiener Massimiliano Mocchia di Coggiola. Offensichtlich konnte im Buch (leider) nur ein Bruchteil des längeren Gesprächs abgedruckt werden. Der 26-jährige Dandy, einer der einflussreichsten in den Sozialen Netzwerken, geht in der Geschichte und Theorie des dandysme spazieren; der kurze Text ist eine wahre Freude. Massimiliano spricht über Brummell, Dada – und über Pierre Drieu la Rochelle. Ja, sagt er, viele Dandys seien eben politisch radikal gewesen. Auch ist der Suizid für ihn ein wesentlicher Bestandteil des Dandytums. Am Beispiel des japanischen Dandyismus macht Massimiliano die Ausnahme-Existenz des Dandys deutlich.

 

 

© Photograph by Rose Callahan from I am Dandy, Copyright Gestalten 2013

 

 

Man muss also unbedingt die englisch-sprachigen Texte des Bandes lesen – und darf sich keinesfalls mit den gelungenen Photos begnügen. Erst in ihrem Zusammenwirken lassen die die Essenz des Dandytums hervortreten.

 

Fazit: Dem Berliner Gestalten Verlag, Autor und Photographin, ist nichts Geringeres gelungen als ein Who Is Who des heutigen Dandytums – wenn auch fokussiert auf den angelsächsischen Raum.