Claude Lorrain – Die verzauberte Landschaft

Claude Lorrain, Ein Seehafen, 1644
© The National Gallery, London

 

 

 

Das Städel Museum in Frankfurt am Main bestätigt seinen Ruf als eine erste Ausstellungs-Adresse der Region: Eine fulminante Schau präsentiert etwa 130 Werke des in Frankreich geborenen Malers Claude Lorrain (1600-1682).


Die Schau berücksichtigt den neuesten Forschungsstand und kann so erstmalig die Bedeutung von Zeichnungen und Skizzen im Werk eines der bedeutendsten Landschaftsmaler des 17. Jahrhunderts verdeutlichen. Ganze Generationen von Malern hat er mit seinem Stil der ins Morgenlicht seidig getauchten Landschaft beeinflusst. Der bekannteste ist vielleicht William Turner (1775-1851), der Lieblingsmaler von Beau Brummell. Doch der Reihe nach.

Claude Lorrain hieß eigentlich Claude Gellée und wurde wegen seiner Herkunft  Lorrain (Lothringer) genannt. Was wir heute von seinem Leben wissen, stammt aus zwei zeitgenössischen Biographien. Eine davon ist die des deutschen Malers Joachim von Sandrart, der Claude kennengelernt und sich mit ihm angefreundet hatte. Claude war früh nach Rom gegangen und verkehrte dort in enger Beziehung zu anderen Malern. Anders als sie, wanderte er frühmorgens und abends in die Umgebung, um die Sonnenaufgänge und -untergänge zu studieren. Sandrart weiß davon zu berichten, dass sein Freund und Kollege die Farben vor Ort nach den Lichteffekten abgestimmt habe, um anschließend zu Hause seine Gemälde »mit viel größerer Natürlichkeit« ausführen zu können.

In den 1630er-Jahren stellte sich ein ungeheurer Erfolg für Lorrain ein. Dessen Höhepunkt markiert das Jahr 1637, als ihn Papst Urban VIII. persönlich empfing und gleich vier Bilder bei ihm bestellte. Lorrains Stil bestand in der Darstellung romantischer Landschaftsszenen von großer Ruhe und Melancholie, in deren arkadischem Charakter die dargestellten Menschen nur Randerscheinungen sind. Lorrains Arbeitsmethode war, sich die Darstellung von antiken Gebäuden aus verschiedenen Perspektiven so anzutrainieren, dass er sie wie Schablonen in seine Phantasielandschaften einfügen konnte.

Sein ungeheurer Erfolg hatte allerdings auch seinen Preis: Lorrain wurde umfangreich kopiert. Schnell waren Gemälde auf dem Markt, die angeblich von ihm sein sollten, dabei lediglich plumpe Fälschungen waren, die seinen Ruf gefährdeten. Der genialische Maler wäre nicht Lorrain gewesen, hätte er sich nicht zu helfen gewusst: 1636 begann er, seine Gemälde, sobald sie fertiggestellt waren, zu kopieren und diese Zeichnungen in sein Liber Veritatis, einem nur für ihn selbst bestimmten, gebundenen Werkverzeichnis, einzufügen. Das Buch wurde bereits im 18. Jahrhundert auseinandergenommen. Die Ausstellung zeigt einige seiner Zeichnungen.

Das Katalogbuch aus dem Hatje Cantz Kunstbuchverlag dokumentiert alle ausgestellten Gemälde, Zeichnungen und Druckgraphiken. Schon aufgrund von Qualität und Quantität der Schau empfiehlt sich der gelungene Band. Neben einführenden Essays in das Leben des Malers und die einzelnen Gattungen wird jedes ausgestellte Werk einzeln erläutert. Lorrain war auf seinen Erfolg bedacht, und die Bedeutung der Druckgraphiken in seinem Œuvre wurde lange unterschätzt. Diese waren für den Maler damals ein modernes Mittel, seine Gemälde bekannter zu machen und sich Aufträge zu generieren. Das wohlgestaltete Buch lässt eine tiefere Beschäftigung mit diesem Ausnahmekünstler auch lange nach der Ausstellung zu, die noch bis zum 6. Mai 2012 läuft.

 

 

Claude Lorrain,  Hafen bei Sonnenaufgang, um 1635/ 36
© Ashmolean Museum, University of Oxford

 

 

 

Claude Lorrain, Küstenansicht, 1633
© Trustees of the Ninth Duke of Buccleuch’s Chattels Fund

 

 

Claude Lorrain, Die verzauberte Landschaft. Katalog zur Ausstellung im Städel Museum, 252 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 216 farbige Abbildungen, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2012, Euro 39,80.

 

Städel Museum
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