Männer, Frauen und Dandys

Der DANDY-CLUB rezensiert

Melanie Grundmann: Dandiana. Der Dandy im Bild englischer, französischer, und amerikanischer Journalisten des 19. Jahrhunderts, 208 Seiten, Münster 2009.

Ewige Überlegenheit des Dandys.

Was ist der Dandy?

fragte Charles Baudelaire in seinen tagebuchähnlichen Aufzeichnungen. Der Pariser Bohème gab damit Zeugnis von seiner Suche nach dem wahren Kern, der Essenz des Dandytums, – aber zugleich auch von der durch ihn selbst betriebenen Mystifizierung und Stilisierung.

Die Berliner Kulturwissenschaftlerin Melanie Grundmann ist bemüht, Licht ins Dunkel namens Dandy zu bringen. Nach ihrer vor drei Jahren vorgelegten Anthologie Der Dandy – Wie er wurde, was er war nun das kleine Bändchen Dandiana mit dem Untertitel Der Dandy im Bild englischer, französischer und amerikanischer Journalisten des 19. Jahrhunderts. Nach eigener Angabe hat die Forscherin 129 Artikel, Gedichte, Briefe und Reisebeschreibungen ausgewertet. Durchaus Interessantes, Erhellendes kommt dabei zutage. So erfährt man, dass der Dandy zu Beginn des 19. Jahrhunderts in englischen Zeitschriften als »thing«, als geschlechtsloses Ding bezeichnet wurde. Melanie Grundmann zitiert einen Leserbrief aus dem Jahr 1822:

»What things are they of doubtfull gender, Tipp’d at each end with brass, and slender Like broomstick of the witch of Endor? They’re dandies.«

Die Autorin fand einen Leserbrief, in dem die Menschheit gar in drei Gruppen eingeteilt wird: Männer, Frauen und Dandys.

Durch die vielen angeführten Zitate wird deutlich, dass mit dem »Dandy« im 18. und im anfänglichen 19. Jahrhundert wenig Positives verbunden wurde. Der damit konnotierte Typus galt als clownesk-auffällig, man sah ihn an als jemanden, der um jeden Preis im Mittelpunkt stehen wollte. Seine sexuelle Uneindeutigkeit vergrößerte die Irritation noch. In vielen von der Autorin herausgesuchten journalistischen Texten wird der Dandy als dümmlich und ästhetisch unsicher klassifiziert. Witzig zu lesen ist das Kapitel Ein Tag im Leben eines Dandys. Es sind Artikel aus britischen Zeitungen und Magazinen, die Melanie Grundmann sprechen lässt. Es sind diese Berichte, die – häufig nicht ganz ernst gemeint – das Bild über diese Lebensform stark mitgeprägt haben. Die Schreiber ereiferten sich bereits bei der Uhrzeit, wann ein Dandy für gewöhnlich aufstehe. Ein Artikel wusste von 12.00 Uhr zu berichten, ein anderer von 1 Uhr und ein dritter war sicher, ein echter Dandy würde nicht vor 17.00 Uhr sein Bett verlassen. Nach dem geruhsamen Frühstück ließ der Dandy freilich nach seinem Schneider und dem Korsettmacher schicken.

Weitere Themen des Büchleins sind die Impertinenz des Dandys, seine Empfindsamkeit und Schwäche, sein stolzes Gebaren oder der Reiz des Bösen. Interessant ist die Akzentverschiebung bei der Nutzung der Zuschreibung »Dandy«. Vom anfänglich, das bedeutet in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, sehr negativen Image, wurde die Verwendung des Wortes eher differenzierter. Nicht verwunderlich ist die jeweils unterschiedliche Konnotation in den verschiedenen Ländern. So wurden englische Gentlemen, die sich bewusst frankophil gaben, gern als unpatriotisch beschimpft. Melanie Grundmann kommt zum Ergebnis, das heutige Bild des Dandys sei zu korrigieren. »Die Forschungsliteratur, die sich zumeist auf literarische Texte stützt, die das Bild des Dandys verklären und idealisieren, betrachtet den Dandy im Großen und Ganzen als einen heroischen, kühnen und stoischen Mann von Welt, der sich in ästhetischer Kontemplation ergeht«, resümiert Grundmann. Ist das nicht eine schöne Vorstellung, an die die Menschen glauben möchten? Und die Modemagazine machen doch nichts anderes wie heute das Fernsehen-? Sie lieferten und liefern ihren Lesern den unerreichbaren Glamour einer romantisierten Glitzerwelt?

Die Autorin rückt zurecht, was teilweise unkritisch übernommen worden ist und so Eingang in den Wissenschafts-Kanon gefunden hat. Erst in den vergangenen Jahren erschienen hervorragende Untersuchungen, wie die von Fernand Hörner, die historische Quelltexte mit Distanz rezipierten und ihre Rezeptionsgeschichte mit analysierten. Melanie Grundmanns lesenswerte kleine Studie endet – mit einer Frage: »Wann und wie trat der Wandel im Bild des Dandys ein, der ihn von einer lächerlichen Erscheinung zu einem heroischen Helden werden ließ, welcher sich gegen die Nivellierungstendenzen der Moderne aufbäumte?« Ihre Vermutung, dass Schriftsteller hierbei eine entscheidende Rolle spielten, scheint zuzutreffen. So habe Balzac die Dandys früh als affektiert bezeichnet und später »in seinen Romanen vollendete Dandy-Figuren« geschaffen.

Melanie Grundmanns Verdienst ist, die bisherige, überschaubare Literatur zum Dandytum in deutscher Sprache durch viele weitere Quelltexte aus der originären Zeit des Hochkommens essentiellen Dandytums zu bereichern.

Die große Monographie über den dandysme ist noch nicht geschrieben. Sie könnte einen Markierungspunkt setzen bei Ernst Jünger, der an sehr wenigen aber anscheinend umso bedeutenderen Stellen in seinem umfangreichen Tagebuch Stellung bezog und über sein eigenes Leben und Schaffen resümierte: »Meine heutige Wertung ist nicht politischer, sondern stilistischer Natur. Insofern scheint mir, daß ich damals unter mein Niveau gegangen bin, aber nicht deshalb, weil ich mich als Nationalist, sondern weil ich mich überhaupt beteiligte.«