Oscar Wildes 115. Todestag

Oscar Wilde (1854-1900)
Photo von Napoleon Sarony, 1882

 

 

Oscar Wilde starb vor 115 Jahren: am 30. November 1900.Der DANDY-CLUB erinnert an einen der bedeutendsten Dandys des 19. Jahrhunderts.


Oscar Wilde interessierte sich – wie der Ur-Dandy Beau Brummell – nicht für wirklich vieles. Für das, wofür er sich aber interessierte, hatte er ein außergewöhnliches Gedächtnis und große Begabung. Ähnlich wie bei der Romanfigur Des Esseintes waren das die klassischen Sprachen. Damit wurden die Schuljahre für den jungen Oscar zum Triumphzug. Für seine Leistungen in griechischer Bibellektüre gewann er den Carpenter-Preis, und er erhielt ein Stipendium für das Trinity College in Dublin.

 

Es ist die Anekdote überliefert, daß er im Unterricht einen altgriechischen Text übersetzt vortragen sollte. Nachdem er einen Teil fließend übersetzt hatte, wollte der Lehrer ihn stoppen. Es sei nun genug, seine Leistung hinlänglich bewiesen. Doch Oscar wollte nicht aufhören, schließlich sei doch auch interessant, wie das Stück ende, hielt er dem Lehrer entgegen.

 

An der Universität von Oxford fiel er sofort auf. Dafür sorgte schon seine stattliche Größe von etwa 1,90 Meter, was damals eine Besonderheit war. Doch dies allein wäre kein Grund für die außerordentliche Beachtung gewesen, die man ihm widmete. Der neue Kommilitone hatte sich selbst einen schauspielerischen Auftritt als Dauerrolle aufgezwungen. Man sah ihn niemals über den Campus rennen, sondern nur gemäßigten Schrittes schreiten. Die Hinweise auf seine irische Abstammung versuchte er zu tilgen.

 

Als Bachelor of Arts mit hervorragenden Examina schloß Wilde sein Studium in Oxford ab. Was er damit beruflich anfangen sollte, wußte er jedoch noch nicht. Auf jeden Fall war es ihm als idiosynkratischem Menschen verwehrt, „irgendwelche schreckliche Arbeit“ zu tun, „um Brot zu verdienen“. Die Aussichten auf eine literarische Laufbahn waren zwar nicht sonderlich erfolgversprechend, entsprachen aber am ehesten seinem Lebensmodell. In De Profundis schrieb er später, er habe die Universität mit dem Wunsch verlassen, nun das Leben voll auszukosten. Also zog er Anfang 1879 nach London, um hier zu versuchten, sich als Schriftsteller und Kunstkritiker zu etablieren. Der Erfolg war auch dringend nötig, schließlich mußte er sich schlicht und ergreifend seinen Lebensunterhalt verdienen. Aufgrund seiner exaltierten Art, seiner unglaublichen Unterhaltungskünste, gelang es Wilde schnell, in der Londoner Gesellschaft zu reüssieren.

 

Er schliff weiter an seinen schauspielerischen Attitüden und hatte kindischen Spaß daran, eine moderne Variante des Hofnarren zu spielen. Er machte sich schnell einen Namen als brillanter Geschichtenerzähler. Durch das betont Bedächtige, Beherrschte wirkte er orakelhaft und verlieh seiner Dandyattitüde Nachdruck.

 

Neben seiner Gesprächskunst nutzte Wilde auch sein Talent, mittels der Kleidung in ein gesellschaftliches Spiel einzutreten. Angestachelt durch seinen unglaublichen Erfolg in der Londoner Gesellschaft, beschritt Wilde den Weg der exzessiven Selbstdarstellung konsequent weiter. Für einen Dandy ebenfalls typisch, hatte Wilde Geldprobleme. Seine Ausgaben für Kutschfahrten, Dinners, Blumen und Geschenke waren immens.

 

Oscar Wildes Untergang begann mit seiner Bekanntschaft zu dem deutlich jüngeren Bosy, in den er sich verliebte – und der ihn nach Strich und Faden ausnutzte. Nach einer Denunziation wurde der Schriftsteller vor Gericht gestellt und zu seinem Erstaunen auch verurteilt. Die Festungshaft ruinierte seine Gesundheit. Danach verließ er England endgültig. Am 30. November 1900 starb er im Hôtel d’Alsace in Paris. Beigesetzt wurde Wilde am 3. Dezember in Bagneux. Seine sterblichen Überreste wurden im Jahre 1909 auf den Pariser Friedhof Père Lachaise in ein Ehrengrab überführt. Nun ruht der brillante Selbstdarsteller, der das Dandytum noch einmal so wirkungsvoll wiedererweckt hatte, in der Nachbarschaft seines großen Anregers Charles Baudelaire.