Joris Luyendijk – Unter Bankern. Eine Spezies wird besichtigt

Informativ, erhellend – und erschreckend: Joris Luyendijks Interviews mit britischen Bankern
© Tropen Verlag 2015

 

 

 

Joris Luyendijk, Unter Bankern. Eine Spezies wird besichtigt.
267 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Tropen, Klett-Cotta-Verlag 2015, 19,95 Euro (D).

 

 

Der holländische Journalist Joris Luyendijk interviewte für sein Blog etwa 200 britische Banker, deren Angehörige und Ausgestiegene. Er wollte herausfinden: Wie funktioniert diese abgeschottete City? Die Essenz seines Blogs, das international Aufsehen erregte, ist nun als Buch erschienen.

 


Luyendijk, als Reporter kriegserfahren und mit der bei Journalisten immer seltener werdenden echten politischen Neugier ausgestattet, gründete im Auftrag der linken britischen Zeitung The Guardian ein Blog im Internet. Sein Ziel war, Mitglieder der englischen City, also des Londoner Finanzsektors, der immerhin ungefähr 250.000 Menschen umfasst, in Gesprächen zu Aussagen über die Funktionsweise und Mechanismen zu bewegen.


  

Seine Motivation war die Bankenkrise 2008, als deren bekanntestes Täter-Opfer das Institut Lehman Brothers bekannt wurde. Aber wie konnte es dazu kommen? Und: Sind die Ursachen der damaligen Krise, die die gesamte Weltwirtschaft existentiell bedrohte, heute behoben? Wie ticken ‚die‘ Banker? Fragen über Fragen.

 

 

Joris  Luyendijk forderte die Banker in seinem Blog auf, sich bei ihm zu melden, damit er sie interviewen könne. Und es geschah – nichts. Verständlicherweise hielten sich die Mitglieder einer verschwiegenen Kaste zurück in ihrem Willen, die Hintergründe oder auch nur Mechanismen ihres Arbeitsalltags zu offenbaren.

 

 

Als sich aber dann doch die ersten meldeten, konnte der gewiefte Reporter psychologische Grundregeln geschickt ausspielen. Die ersten waren aus einem Sektor, den Banker aus anderen Bereichen für völlig belanglos hielten – und schwupps waren auch diese zu Interviews bereit, um von der Bedeutung ihrer Aufgabe zu berichten.

 

 

Viele Gespräche gestalteten sich nach der Schilderung von Luyendijk als recht zäh. Also dachte er sich einen Trick aus. Der Interviewte sollte sich mit dem Tier vergleichen, das nach seiner Auffassung ihm und seiner Tätigkeit in der Bank am ehesten entspräche. Dabei kamen wirklich erstaunliche und aufschlussreiche Selbst-Einschätzungen hervor. Einer sah sich als Wolf, weil er schließlich mit seinen Kollegen im Rudel auftrete und nur auf die Gelegenheit warte, dass der andere – immerhin sein Kunde – einen Fehler begehe. Viele verglichen sich mit unterschiedlichen Insektenarten, wie Bienen.

 

 

Bei der äußerst amüsanten und gleichzeitig informativen Buchvorstellung in der Niederländischen Botschaft in Berlin zeigte der Autor seinen Humor und seine intelligente Ironie, ohne die ein Überleben im existierenden Wahnsinn wohl immer schwieriger wird.

 

 

Im Buch macht er keinen Hehl daraus, dass seiner Auffassung nach die Ursachen der damaligen Bankenkrise in keiner Weise behoben wurden. Im Gegenteil: Es wird gezockt ohne Gedeih und Verderb. Bestimmte Banker verdienen ein Vermögen damit.

 

 

Doch scheint die aktuelle Gier nicht auf den Bankensektor beschränkt. Bei der Buchvorstellung in Berlin erzählte Luyendijk von einer früheren Tätigkeit für einen staatlichen Radiosender in Holland. Hier machte er eine politische Sendung, in der er versuchte, Zusammenhänge aufzuhellen und Fakten zu erläutern. Obwohl die Sendung guten Anklang gefunden hätte, hätte ihm der Programmchef erläutert: Entscheidend sei nicht das Thema, das er jeweils behandelt, sondern ausschließlich die Reichweite bei der werberelevanten Zuhörerschaft der 25- bis 48-Jährigen.