An Gabriele d’Annunzio von Paul Valéry

Photokarte d’Annunzios mit eigenhändiger Widmung

 

 

Der DANDY-CLUB erinnert an Gabriele d’Annunzio (12. März 1863 in Pescara; † 1. März 1938 in Gardone) zu seienm 77. Todestag mit einem Brief-Auszug von seinem Freund und Schriftsteller-Kollegen Paul Valéry nach einem Besuch im Vittoriale, dem herrschaftlichen Refugium am Gardasee von d’Annunzio.

 

 

20. April 1924

»Lieber Du,

ich habe eine Art Flackern in der Seele, und dieses flüchtige Verweilen in Deiner Freundschaft ist jetzt ein terzo luogo für mich, der sich zwischen das Leben und die Sicht schiebt – der ein Gedanke und eine Empfindung, eine Vergangenheit und eine Gegenwart ist – der mir plötzlich die Dinge verhüllt, und der plötzlich von ihnen verhüllt wird (…)

 

Wir haben uns ein wenig berauscht daran, einander zu begegnen. Gibt es irgendetwas Süßeres, Bittereres, Tieferes, auch Wirklicheres? Das Wirkliche ist für mich immer das, dessen Bedeutungskraft sich niemeals erschöpft (…)

 

Laß mich, Bruder, vor Müdigkeit auf mein Bett fallen. Ich kann Dir nicht sagen, wie ich Deinen Empfang liebe, Deine ungeheure Kraft, Deine Person in ihrer Unbegrenztheit. Ich umarme Dich von ganzem Herzen (…)«

 

Dieser Brief ist erstmals in Deutsch veröffentlicht worden in Der Pfahl, Jahrbuch aus dem Niemandsland zwischen Kunst und Wissenschaft III, Matthes & Seitz Verlag, München 1989.