Sergio Larrain

Sergio Larrain, Bar, Valparaíso, Chile, 1963
© Sergio Larrain/Magnum Photos

 

 

Sergio Larrain, hrsg. von Agnès Sire, ca. 400 Seiten mit ca. 200 Abbildungen, gebunden in Leinen, Hatje Cantz Verlag 2014, 58,- Euro.

 

Sergio Larrain (1931-2012) war ein herausragender Photograph – und drohte beinahe dem Vergessen anheim zu fallen. Ein aufwendiges Photobuch zeigt nun 200 Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Chilenen.


Henri Cartier-Bresson ist heute als bedeutender Wegbereiter des anspruchsvollen Photo-Journalismus  anerkannt. Das war bis vor wenigen Jahrzehnten nicht so. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er Mitbegründer der inzwischen berühmten Photagentur Magnum.

 

Cartier-Bresson holte 1961 seinen Freund Sergio Larrain zu Magnum. Doch hatte der Chilene mit dem Erfolg und Erfolgreich-Sein-Müssen, um seine Familie ernähren zu können, seine Probleme. In einem Brief beschrieb Larrain 1987:

 

»Wenn sich Lüge und Gewohnheiten eingenistet haben, dann verschwindet die Poesie. Bei Magnum konnte man das zum Beispiel bei Bruce beobachten. Als er zum Team kam, waren seine Fotos über die Gang in NY reinste Poesie. Dann hat er sich vertraglich verpflichtet, der Vogue vier Geschichten pro Jahr zu liefern. Er verdiente Geld und das Wunder war dahin, für immer […] manchmal stellt es sich wieder ein, aber nie so wie am Anfang […] Wie hindert man die Flamme also daran, zu verlöschen?« war die Frage, die Larrain umtrieb.

 

 

Sergio Larrain, Santiago, Chile, 1963
© Sergio Larrain/Magnum Photos

 

 

Und er führt in dem Brief ein Beispiel an: »Verlaine hat ein Trinkerleben geführt, in Hotels und in großer Armut, aber er ist Dichter geblieben, er hat uns seine sonnengleiche Poesie hinterlassen wie fortwährenden Sonnenschein. Gut ausgebildete Pianisten bewahren ihr Können ein Leben lang, in völlige Hingabe, sie leben in der Bewunderung der Komponisten, was sie vor dem Sturz bewahrt.«


Nach aufreibenden Reportagen über den Algerienkrieg, die Hochzeit des Schahs von Persien und über die sizilianische Mafia zog sich der sensible und zur Kontemplation neigende Larrain 1963 in seine Heimat Chile zurück. Hier lebte er während der Zeit der Militärdiktatur, die er als Magnum-Korrespondent dokumentierte, und führte ein zurückgezogenes und spirituelles Leben.

 

Das Werk von Sergio Larrain ist von subtiler Wahrnehmung geprägt. Es vereint Bewusstsein für den Moment mit einem ethischen Anspruch.

 

Das sehr ansprechende Buch aus dem Hatje Cantz Verlag präsentiert auf etwa 400 Seiten rund 200 seiner Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Die Photos sind gruppiert nach den Orten und Ländern, in denen sie entstanden: Ein großes Kapitel zeigt die Straßenjungen von Santiago de Chile. Weitere Abschnitte bringen Photos aus Larrains Schaffens-Stationen Bolivien, Peru, Argentinien, London, Paris, Italien und Valparaíso. Der Leinenband enthält daneben fünf im Original transkribierte Briefe nebst Übersetzungen ins Deutsche. Ein werk-biographischer Essay von Gonzalo Leiva Quijada über Sergio Larrain gibt intensiven Einblick in das Leben und deren Umstände.

 

 

Sergio Larrain, Insel Chiloé, Chile, 1957
© Sergio Larrain/Magnum Photos