In Stahlgewittern – Historisch-kritische Ausgabe

Endlich: Die Historisch-kritische Ausgabe der Stahlgewitter
© Klett-Cotta 2013

 

 

Ernst Jünger, In Stahlgewittern. Historisch-kritische Ausgabe. Hrsg. von Helmuth Kiesel. 2 Bde. geb., im Schuber, 1245 S., 68 Euro.

 

»Storm of Steel is one of the great books of world war I, if not the greatest« schreibt der Übersetzer von Ernst Jüngers In Stahlgewittern ins Englische. Dass das Kriegstagebuch zu den bedeutendsten literarischen Schilderungen des Ersten Weltkriegs gehört, ist unzweifelhaft. Dennoch ist dieser Satz in Deutschland bislang kein common sense.

 

Der französische Schriftsteller André Gide notierte 1942 in seinem Tagebuch: »Ernst Jüngers Buch über den 14er Krieg, Stahlgewitter, ist ohne Zweifel das schönste Kriegsbuch, das ich je gelesen habe; aufrichtig, wahr und höchst ehrenhaft.« Der argentinische Schriftsteller Jorge Louis Borges hatte das Buch kurz nach Erscheinen gelesen und war ein Leben lang vom Werk seines deutschen Kollegen fasziniert. 1982 besuchte er Jünger im schwäbischen Wilflingen und führte mit ihm ein emphatisches Gespräch.

 

Wohl kein anderes Buch hat Ernst Jünger so häufig einer Revision unterzogen wie In Stahlgewittern. Es gibt sieben Fassungen, wobei die Veränderungen in den 1930er Jahren wohl am deutlichsten ausfallen. Als die Nationalsozialsten immer stärker an die Macht drängen, sucht der hochdekorierte Front-Offizier Jünger, das einflussreiche Buch vom nationalen Habitus zu befreien, der von falscher Seite genutzt werden könnte.

 

Die Art und der Umfang der Veränderungen stießen seit längerem auf großes Interesse – weit über den immer größer werdenden Kreis der Leser Jüngers und der Literaturwissenschaftler hinaus. Nun hat Jüngers Verlag Klett-Cotta das große Unternehmen gewagt und eine so genannte Historisch-kritische Ausgabe herausgebracht. Das text-historische Mammutwerk umfasst zwei Bände mit insgesamt über 1.200 Seiten.

 

Im ersten der beiden Bände, die im Schuber geliefert werden, wird dem Text der Erstausgabe die Fassung letzter Hand von 1978 gegenübergestellt. Dies erlaubt nun erstmals tatsächlich auch dem interessierten Laien, der keinen Zugriff auf verschiedene Auflagen hat, einen detaillierten Vergleich. Im zweiten Band findet sich ein ausführlicher Apparat zur Textgeschichte, der alle Veränderungen am Text auflistet, die zwischen der letzten überarbeiteten und der ersten Auflage liegen. Der Herausgeber, der Heidelberger Literatur-Professor Helmuth Kiesel, hat im gleichen Verlag bereits 2010 das Kriegstagebuch 1914-1918 Jüngers herausgegeben, die Original-Texte der Notiz-Kladden, die der Kriegsteilnehmer an der Front führte und aus denen er später die Stahlgewitter goss. Durch diese drei wissenschaftlichen Bücher lässt sich nun die Text-Geschichte exakt nachvollziehen.

 

Die meisten Veränderungen sind stilistischer Natur. Sie zeugen von der sprachlichen Sensibilisierung Jüngers und ändern den Inhalt per se nicht. Ein Beispiel:

 

In der Urfassung schreibt Jünger: »Die Feldwache lehnte sich an einen kleinen Steilhang. Im Rücken floß ein wirr verwachsenes Waldstück in die Nacht, vom Hange durch einen 100 Meter breiten Wiesenstreifen getrennt.«
1978 lautet diese Stelle so: »Die Feldwache lehnte sich an einen kleinen Steilhang, in den eine Reihe von flüchtig ausgehobenen Fuchslöchern gegraben war. Im Rücken floß ein wirr verwachsenes Waldstück in die Nacht, vom Hange durch einen hundert Meter breiten Wiesenstreifen getrennt.


Ergänzt wird die Historisch-kritische Ausgabe durch eine Reihe von Dokumenten, wie einen Bildteil, der die verschiedenen Cover in Farbe dokumentiert, ein Informationsblatt des Verlags zur Ausgabe von 1961, Vorworte zu der englischen und der französischen Ausgabe und anders mehr.