Nicole Zepter – Kunst hassen

Eine überfällige Abrechnung mit der Kunst-Szene: Nicole Zepters gelungene Polemik
© Tropen/ Klett-Cotta 2013

 

 

Nicole Zepter, Kunst hassen. Eine enttäuschte Liebe.
136 Seiten, Leinen, 12 Euro. Tropen Verlag 2013.

 

Besser hätte die gerade erschienene Polemik von Nicole Zepter nicht bestätigt werden können. Der Martin-Gropius-Bau in Berlin zeigt eine Ausstellung von Meret Oppenheim. Sie nicht zu kennen, wäre kein Verlust. Daher bemüht der Presse-Text die Superlative »erstmals«, »große Retrospektive«, »berühmt« und so weiter:

 

»Erstmals ist Meret Oppenheim eine große Retrospektive in ihrer Geburtsstadt Berlin gewidmet. Am 6. Oktober dieses Jahres 2013 wäre die berühmte Künstlerin 100 Jahre alt geworden. Der spielerisch-humorvolle Umgang ihrer Werke mit Alltagsmaterialien, die in immer neue Sinnzusammenhänge transferiert werden, ist ein besonderes Charakteristikum ihrer künstlerischen Arbeit.«


Durch die Ausstellung wandern täglich hunderte von Touristen und Berlinern, weil ihnen von den Medien eingebläut worden ist, dass diese Schau wichtig sei. In Wahrheit sind alle total gelangweilt und gehen von Werk zu Werk, das sie nicht verstehen, von dem sie sich nicht angesprochen fühlen. Doch: Niemand traut sich das zuzugeben. Man wird nach Hause fahren und auf Nachfrage von Bekannten irgendeinen auswendig gelernten Satz aus einer Rezension zitieren, wie etwa: Die mit Fell umhüllte Kaffeetasse war zu ihrer Zeit echt revolutionär.

 

Nicole Zepter erlaubt uns nun, durch das Erscheinen ihres provokativen Buches Kunst Hassen – Eine enttäuschte Liebe ehrlich zu sein:

 

»Kunst ist der Katalysator unserer Erkenntnis. Wer wir sind und wer wir sein wollen – nichts weniger möchte und sie Kunst erzählen. Doch dieses Versprechen wird kaum noch eingelöst. Während der Museums- und Galeriebesuche, den Gesprächen mit Künstlern, Kuratoren, Galeristen und Sammlern, nicht zuletzt in den Begegnungen mit Austellungsbesuchern wurde mehr und mehr deutlich, dass die Kunst an Kraft verloren hat.«

Doch woran liegt das, und wer ist schuld?

 

Nicole Zepter, Herausgeberin des Magazins The Germans, sieht eine unheilvolle Allianz von Galeristen, Sammlern und Kuratoren am Werk. Die Absprachen, was wo hängen soll, nützen einigen. Und sie treiben die Preise hoch. Die Autorin bringt eines der deutlichsten Beispiele der jüngsten Zeit, wie Kunst gelauncht wird: Das Atelier von Jeff Koons ist eine Fabrik. Hier ist nicht mehr der einzelne, idiosynkratische Künstler am Schaffen. Vielmehr produzieren etwa 130 Mitarbeiter das, was am meisten Geld bringt. François Pinault sammelt Werke von Jeff Koons. Zugleich ist er der Eigentümer von Christie’s. Das trifft sich gut, erringen doch die Werke des US-Pop-Art-Künstlers bei den Auktionen astronomische Preise. Pinault finanzierte zu großen Teilen die Ausstellung »Jeff Koons in Versailles«, die – wie erwartet – sehr umstritten war und eine riesige mediale Aufmerksamkeit erregte. Das half, die Preise von Jeff Konns weiter deutlich zu steigern. Somit wurde freilich auch die Sammlung von Pinault wertvoller.

 

Nicole Zepters Buch ist ein Befreiungsschlag. Alle am Kunstbetrieb Beteiligten wissen von den Manipulationen, von den zahlreichen Fälschungen und von schlecht kuratierten Ausstellungen.  Endlich dürfen wir in einer Ausstellung sagen: Das verstehe ich nicht. Oder: Das gefällt mir nicht. Wenn viele das Buch lesen, wird es immer mehr Menschen geben, die sich nicht mehr vorschreiben lassen, wer der wichtigste, bedeutendste, einflussreichste, bla bla bla Künstler diesesmal wieder ist.

 

Die erste Auflage war innerhalb kürzester Zeit verkauft. Wir wünschen dem frechen und erweckenden Buch noch viele weitere Auflagen.