Jeff Koons – Der Künstler als Täufer

Raphaël Bouvier untersucht in seiner umfangreichen Arbeit »Jeff Koons – Der Künstler als Täufer«

 



Wir rezensieren eine neue Doktorarbeit über die Kunst des US-Provokateurs Jeff Koons:

Raphaël Bouvier,  Jeff Koons – Der Künstler als Täufer. Wilhelm Fink Verlag, München 2012, 276 Seiten, Paperback, 34,90 Euro.

 

Jeff Koons erlangte auf der Biennale in Venedig 1990 internationale Aufmerksamkeit: Seine exhibitionistisch-pornographische Kitsch-Serie Made in Heaven zeigte ihn selbst mit dem italienischen Porno-Star Cicciolina (Ilona Staller) bei der Kopulation und anderen sexuellen Handlungen. Das Ausmaß der Anfeindungen und zugleich der Bewunderung waren riesig. Seitdem zählt der US-Amerikaner zu den einflussreichsten Künstlern seiner Generation. Nach seinen ersten Aktphotos trainierte Koons im Fitnesstudio, was ihm sofort den spöttischen Spitznamen »Gym-Dandy« einbrachte.

Doch bislang gibt es – erstaunlicher Weise – kaum substanzielle Untersuchungen über die Motivation seiner Arbeit. Ist sie tatsächlich kitschig oder pornographisch oder verbirgt sich hinter dieser Oberfläche der Kunst als Sündenfall eine ganz andere Dimension. Raphaël Bouvier untersucht in seiner umfangreichen Arbeit »Jeff Koons – Der Künstler als Täufer«, ob das Werk des Provokateurs als »Taufe« gedeutet werden kann. Die Taufe sei dem Sündenfall zwar gänzlich entgegengesetzt, argumentiert Bouvier, sie habe diese jedoch als Grundlage und Voraussetzung.

Die Untersuchung intendiert jedoch mit dem Begriff der Taufe nicht den engen christlichen; »vielmehr werden grundlegende Konzepte der religiösen Taufe – etwa Reinigung, Sündenvergebung, Erneuerung, Wiederherstellung und Inkorporation – als Ausgangspunkt genommen«. Bouvier untersucht verschiedene Werke aus dem bisherigen Œuvre von Koons, darunter Baptism, Saint John the Baptist, Michael Jackson and Bubbles und den absolut pornographischen Siebdruck Ilona’s Ashole von 1991.

Nach Erkenntnis von Raphaël Bouvier wird in Made in Heaven die Pornographie »als eine universelle Ästhetik der Kommunikation bearbeitet, die zur gesellschaftlichen Nivellierung beitragen soll«. Koons rekurriert auf eine gemeinhin als sündig bezeichnete Ästhetik und nimmt damit die Schuldfrage erneut auf. Die hatte er schon in einer früheren Werkserie zum Kitsch thematisiert. Das herkömmliche Bild der Pornographie, meint Bouvier, erfahre in Made in Heaven eine vollkommene Umkehrung, da der Künstler sie als »Folie für seine Rekonstruktion eines durch Unschuld gekennzeichneten, gleichsam himmlisch-göttlichen Raumes einsetzt«. In diesem Sinne diene auch das Pornographische bei Koons nur als Emblem von Verdrängtem, das es zurückzuerobern gelte.

Die Untersuchung von Raphaël Bouvier vermittelt einen substanziellen Einblick in das kultur-historische Fundament des bisherigen Werkes von Jeff Koons.