Das Beste von Benn

Die gesammelten Werke von Gottfried Benn in neuer Paperback-Ausgabe

 

Durs Grünbein stellt in seinem fulminanten Vorwort zu »Statische Gedichte« von Gottfried Benn die verschiedenen Seiten des bedeutenden Lyrikers gegenüber: Einerseits dieses für Außenstehende/ Nachgeborene kaum nachvollziehbare Anbiedern an die Nazis. Und damit ein Einsmachen mit dumpfem Geltungswillen, Minderwertigkeitskomplexen und der Freiheit von künstlerischem Empfinden. Benn sind seine Reden gegen die Emigranten niemals verziehen worden.

Dem gegenüber stellt der Gegenwartsschriftsteller Grünbein ein Zitat Benns, in dem dieser beweist, dass ihn seine Wahrnehmung nicht verlassen hat:
»Ein Volk in der Masse ohne bestimmte Form des Geschmacks, im ganzen unberührt von der moralischen und ästhetischen Verfeinerung benachbarter Kulturländer … läßt eine antisemitische Bewegung hoch, die ihm seine niedrigsten Ideale phraseologisch vorzaubert, nämlich Kleinbausiedlungen, darin subventionierten, durch Steuergesetze vergünstigten Geschlechtsverkehr; in der Küche selbstgezogenes Rapsöl, selbstbebrüteten Eierkuchen, Eigengraupen; am Leibe Heimatkurkeln, Gauflanell und als Kunst und Innenleben funkisch gegröhlte Sturmbannlieder.«

Wie zerrissen muss dieser genialische Gedichte-Schöpfer gewesen sein?

Durs Grünbeins wertvolles Vorwort ist in einem von insgesamt fünf Bänden, die der Klett Cotta Verlag aus Anlass des 125. Geburtstages seines großen Autoren herausgebracht hat. Es ist eine preiswerte Taschenbuchausgabe; alle Bände zusammen kosten 35 Euro. Leider sind sie nur durch eine empfindliche Binde miteinander verbunden. Ein kleiner Schuber wäre praktischer und schöner anzusehen. Alle Bände sind auch einzeln erhältlich.

Der erste Band heißt »Trunkene Flut« und enthält eine repräsentative Auswahl der früheren Gedichte Benns.
Die trunkenen Fluten enden
als Fremdes, nicht dein, nicht mein,
sie lassen dir nichts in Händen
als der Bilder schweigendes Sein.

Schön wäre gewesen, diesen Gedichten zumindest das Jahr ihrer Entstehung hinzuzufügen. »Probleme der Lyrik« beinhaltet späte Reden und Vorträge. Hier ist das Fehlen der Jahresangaben noch schmerzlicher, würden sie doch dem Verständnis für Benn-Anfänger dienen. Hervorzuheben ist das süffisante Vorwort von Gerhard Falkner. Benn sei ein Wunder, ruft er in seinem launigen Vorwort heraus: Die Bennschen Gedichte seien »trance- und traumgefleckt, braun wie Laub, golden mit Gischt übersprüht und scharf wie Tellerminen«. Zum Zeitpunkt ihres Entstehens – und noch heute! – seien die Verse völlig neuartig und einzigartig. Sie reichten »mit ihren Wurzeln hinab zu den klassischen Hainen und bukolischen Herden , den (alten) Göttern, Hetären, Huren und Hohepriestern. Sie sind durchdrungen vom mächtigen Stamm der abendländischen Kultur, Idealität und Transzendenz und verästeln sich nach oben in die feinsten Regungen, die Idiosynkrasien des Zeitgeistes.«

»Statische Gedichte« enthält Gedichte, deren Entstehungszeit Benn zwischen 1937 und 1947 angab, – was nicht in jedem Fall ganz korrekt ist. Hierin findet sich auch das Stück von Durs Grünbein. Ein weiterer Band umfasst drei Prosastücke, darunter die Berliner Novelle, die dem Band seinen Namen gibt. Das wiederum lesenswerte Vorwort ist vom Benn-Kenner Uwe Tellkamp.

Das Bücherpaket schließt mit Benns Doppelleben, dem Versuch des verbrannten Schriftstellers, seine Leben, seine Biographie zu erläutern und zu rechtfertigen. Ulrike Draesner schreibt in ihrem Vorwort: »Doppelleben ist ein großer Remix, Dichtung und Wahrheit, Klarheit und Nebelwurf. Oft genug entpuppt sich, was man für Licht hielt, als kleine Falle.«

Gottfried Benn bei Klett-Cotta