Pseudo-Dandys

Heute erschien in der Frankfurter Allgemeine Zeitung eine Rezension von zwei angeblichen Dandy-Büchern, – von denen nur eines eines ist. Felix Johannes Enzian stellt klar, dass der Begriff  ‚Dandy‘ zur Zeit überstrapaziert wird. Nicht nur von Mode-Journalen, sondern auch von dem Band Depressive Dandys. Der DANDY-CLUB ist der Meinung des FAZ-Rezensenten. Schon dessen Titel ist dubios.

Ein Auszug:


„Der Begriff ‚Dandy‘ wird zurzeit überstrapaziert, wenn Fragen des guten Geschmacks, des Luxus und der Mode behandelt werden. Das gilt auch für die Wissenschaft. Dort hält sich seit einigen Jahren die Auffassung, das aristokratische und bohemistische Dandytum des 19. Jahrhunderts sei in der zeitgenössischen Popkultur wiederauferstanden. Die Berliner Humboldt-Universität hat dieser Renaissance eine Ringvorlesung gewidmet, zu der nun das Buch ‚Depressive Dandys. Spielformen der Dekadenz in der Pop-Moderne‘ erschienen ist. Die zwölf Beiträge stammen überwiegend von Literaturwissenschaftlern und befassen sich mit den ‚Popliteraten‘ Christian Kracht, Rainald Goetz, Bret Easton Ellis und Frédéric Beigbeder sowie den bildenden Künstlern Gilbert & George und Damien Hirst (…)


Bei aller Finesse in der formalen Textanalyse mangelt es einigen Autoren des Bandes an Gespür für die ästhetischen Codes, die aus der wirklichen Welt in die Literatur eingegangen sind: Bezeichnenderweise entgeht ihnen, dass Bret Easton Ellis seine Wall-Street-Broker in ‚American Psycho‘, wenn er sie Lackschuhe zu Button-Down-Kragen tragen lässt, nicht als dandyhafte Geschmackselite charakterisiert, sondern als reiche Proleten. Ebenso wird missachtet, dass Joachim Bessing in „Tristesse Royale“ die Haltung des Snobs karikiert, nicht die des Dandys, wenn er betont, dass sein Savile-Row-Anzug besser sitzt als der eines H&M-Kunden. Zur Erläuterung: Der Snob tritt nach unten und buckelt nach oben. Der Dandy tritt alle über ihm und um ihn herum, vergleicht seinen Stil aber nicht nach unten.
In ‚Depressive Dandys‘ bleiben solche Unterschiede oft unerkannt; Dandytum, Ästhetizismus, Snobismus, Camp, Pop- und Postmodernität werden hier fast synonym verwendet. Was die ‚Spielformen der Dekadenz‘ mit omnipräsenten Verfahren ästhetischer Distinktion (von der Club-Coolness bis zum Renommier-Vorgarten) gemeinsam haben, bleibt unerörtert (…)
‚Die hohe Kunst der Herrenkleidermacher‘, verfasst von der philosophisch gebildeten Wiener Schneidermeisterin Ruth Sprenger, erörtert ausschließlich das Maßschneiderhandwerk (…) Hier haben wir es mit der klassischen Spielwiese des Dandys zu tun, der sich den Schnitt seiner Kleider nicht von Designern vorschreiben lassen möchte (…) 
 
Die gesamte Rezension finden Sie auf dem Blog GAZZETTINO:

Dank an Tobias Wimbauer für den Hinweis!: http://waldgaenger.de.

Alexandra Tacke und Björn Weyand (Hrsg.): Depressive Dandys. Spielformen der Dekadenz in der Pop-Moderne. Böhlau Verlag, Köln 2009. 247 S., broschur., 24,90 Euro.
Ruth Sprenger: Die hohe Kunst der Herrenkleidermacher. Böhlau Verlag, Köln 2009. 242 S., gebunden, 35,- Euro.