NZZ zu Sebastian Horsley

In der Neue Züricher Zeitung analysiert der Bonner Literatur- und Religionswissenschaftler Manuel Gogos Sebastian Horsleys spielerische Autobiographie Dandy in der Unterwelt und stellt sie in den Kontext der großen Vorfahren.

„Ein Leben als Stilprobe, und ein Buch als Abfallprodukt dieses Lebens (…) Seit Lord George Gordon Byron, spätestens aber seit den dreissiger Jahren des 19. Jahrhunderts, hat sich neben einem vor allem von Aristokraten geprägten gesellschaftlichen ein literarisch-künstlerisches Dandytum entwickelt. Die Schriftsteller, die ihn in ihren Werken gestalten, nehmen oft selbst Züge des Dandys an. Durch Jules Barbey d’Aurevilly und Charles Baudelaire kommt es zu einer Akzentverschiebung in der Bedeutung des Wortes Dandy, die typisch französisch ist. Das Element der Revolte, die ethischen und spirituellen Eigenschaften werden stärker betont, der Charakter des Widerspruchs und der Auflehnung und der Kampf gegen die Trivialität erfordern höchste Bewusstheit und Selbstzucht. Deshalb die Forderung Baudelaires, der Dandy müsse sein ganzes Streben darauf richten, ohne Unterbrechung erhaben zu sein (…)
Und so findet man in Horsleys kruder Schule der Empfindsamkeit überall die Fingerabdrücke jener Meister der Coolness – Spuren von Baudelaires Faible für die Sünde und Oscar Wildes Zuneigung zum Verbrechen, von Gustave Flauberts «Versuchung des heiligen Antonius» oder von Lord Byron in der Rolle des flammenden poète maudit (…)
Wie schon Oscar Wilde erkannt hat, kann unter demokratischen Bedingungen jeder ein Star sein, wenn er es versteht, Schlagzeilen zu machen. Aber keine Selbststilisierung ist vollkommen, und Horsley ist zu klug, das nicht zu wissen. «Keiner, der wirklich Selbstbewusstsein hat, hätte sich so schrill verhalten, wie ich es tat.»(…)
Vieles in der Pose des Dandys hat im 20. Jahrhundert seinen Stachel verloren: die blasphemische Hybris der Selbstherrlichkeit ebenso wie die Profanierung der liturgischen Sprache, die etwa Baudelaire vorführt. Satan ist unschuldig geworden. Und die Demokratisierung des Geschmacks ist der Tod des Dandys. In einer Zeit, in welcher der Selbststilisierung und Selbstdarstellung keine Grenzen mehr gesetzt und einzelne Charakterzüge des Dandys zu Massenerscheinungen geworden sind, hat es ein wirklicher Dandy schwer, seine Originalität zu beweisen. Von der stoischen Ruhe des Dandys, der sich sein Tempo beim Flanieren auf dem Boulevard von einer Schildkröte vorgeben liess, die er am Halsband führte, sind die Pop-Literaten von heute, jene «H&M-Varianten des Stefan-George-Kreises» (Günter Erbe), Welten entfernt (…)“

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